Was heißt eigentlich „Freie Theater“? Sind sie völlig frei und unabhängig in ihrem Programm oder überhaupt in all ihren Entscheidungen, oder sind sie ganz einfach nur ganz „frei“ von Geld? Die erste Frage kann man wohl fast einschränkungslos bejahen, bei der zweiten sieht es etwas anders aus – und recht unterschiedlich. So reicht die Bandbreite von weitgehend unabhängig arbeitenden und neben den Eintrittsgeldern auf die Akquisition von finanziellen Mitteln bei Sponsoren oder Zuschussgebern angewiesenen Einrichtungen – die mit unterschiedlichen Organisationsformen wie Verein oder gemeinnützige GmbH operieren – bis zu den von staatlicher Seite oder von einer Gebietskörperschaft unterstützten Theatern. Das liebe Geld, soviel ist sicher, spielt aber jederzeit eine große Sorgenrolle und ist insofern auch das chronische Problemkind der Amateurtheaterszene. Freilich hat diese prekäre Situation wenigstens auch eine tröstliche Kehrseite: sie vergrößert noch den ohnehin hohen Sympathiefaktor, den die Szene zweifelsohne hat.
Immerhin gibt es auch verbandliche Interessenvertreter, die das große Spektrum der Amateur- und Privattheater unterstützen. So versteht sich der Bund deutscher Amateurtheater (BDAT), einer der größten Interessenverbände für die Darstellenden Künste in Europa, als Anlaufstelle für heute rund 2400 Theaterensembles, die sich über die Mitgliedsverbände diesem öffentlich anerkannten und geförderten Dachverband angeschlossen haben. Darunter befinden sich übrigens auch ca. 500 Kinder- und Jugendtheatergruppen. Der BDAT, der bereits 1892 unter dem Namen „Verband der Privat-Theater-Vereine Deutschlands“ in Berlin gegründet wurde, vertritt quasi als eine Art bundesweites Theaternetzwerk das deutsche Amateur- und Privattheater auf nationaler und internationaler Ebene in den Feldern Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft. Übrigens trifft das Halbwort „Amateur“ vielfach kaum noch zu, denn der Professionalisierungsgrad hat erheblich zugenommen, nicht zuletzt wegen der Aktivitäten von Schauspielern ohne festes Engagement.
Auf bayerischer Ebene wirkt der Verband Bayerischer Amateurtheater e.V. (VBAT), der auf Bundesebene der größte Landesverband des BDAT ist. Ihn gibt es seit über 90 Jahren, und er betreut zurzeit 660 Theatervereine. Als Interessengemeinschaft und Repräsentant steht der VBAT allen nichtprofessionellen Theatergruppen in Bayern offen. Mit seinem Leistungsangebot und seinen Empfehlungen fördert der VBAT eine Hebung des Spielniveaus und des „bayerischen Kulturgutes“, wobei der Erhaltung bayerischer Dialekte und Traditionen eine besondere Rolle zukommt. Alle zwei Jahre vergibt er mit dem Bayerischen Amateurtheaterpreis „Larifari“ eine Art „Oscar“ der Amateurtheaterszene, dessen aktueller Vergabezeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2017 läuft. In die Wertung können nur Stücke kommen, deren Premieren in dieser Zweijahresperiode liegen. Die nächste Preisverleihung findet am 23. Juni 2018 in Penzberg statt. Der letzte „Oscar“ ging an die Riedenburger Altmühlbühne für das Stück „Thomas auf der Himmelsleiter“.
Im unterfränkischen Karlstadt mit seiner mittelalterlichen Anmutung gibt es eine Theaterbühne, die seit nunmehr 14 Jahren mitten im Herzen dieser reizvollen Mainstadt angesiedelt ist: das „Theater in der Gerbergasse Karlstadt“. Es wurde bereits 1982 von Werner Hofmann – zunächst noch unter anderem Namen – gegründet, trat zunächst im Schwanensaal der städtischen Sparkasse auf und verdankt sein Wirken und Wachsen in den ersten Jahren als Arbeitskreis der ortsansässigen Volkshochschule, die sich für diese Art erfolgreicher Schauspielarbeit stark machte. Ende 1994 wurde dann der Verein „Theaterbühne Karlstadt e.V.“ gegründet. Mit der bislang aufwendigsten Inszenierung eines „Jedermann“ im Jahre 2000, der auf dem Karlstädter Marktplatz vor 9000 Zuschauern dargeboten wurde, erreichte die Gruppe ihren vorläufigen Höhepunkt und einen zunehmenden Grad an Professionalisierung. Nach einer zwei Jahre andauernden Umbau- und Neugestaltungsphase wurde im Herbst das neue und zentral gelegene Theater seiner Bestimmung übergeben und überrascht seither die Stadt und das Umland mit seinem originellen Programm.
Wer sich das publizistische Echo auf vergangene Inszenierungen anschaut, kann nachvollziehen, warum das Karlstadter Theater zunehmend erfolgreich ist. So hieß es im Frühling in einem Kommentar zur ab April 2016 gebotenen „Kaktusblüte“, dieser Boulevard-Klassiker aus den sechziger Jahren von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy sei eine „federleicht inszenierte Komödie“ gewesen, „lasziv und verführerisch“. Und was die Schauspieler anlange, hätten Mimik, Gestik und Intonation stets haargenau gepasst. Ähnliches steht bestimmt auch zu erwarten, wenn das Theater in der Gerbergasse ab 7. Oktober seine neue Inszenierung präsentieren wird: mit der „Schlammschlacht“ von Fitzgerald Kusz. Dieses Stück ist ebenso bösartiges wie witziges Volkstheater – kein Wunder, es wurde vor zehn Jahren für das Hamburger Ohnesorg-Theater geschrieben. Es geht darin um den Auftrag für den Bau einer Kläranlage, um Verbandelungen der politischen Klasse, um Korruption, Spezlwirtschaft und Parteienklüngel, kurz: um das pralle Leben. Man wird sich auf eine handfeste Komödie gefasst machen können…
Das Erlanger Theater fifty-fifty ist ein Privattheater und wurde 1989 gegründet. Schon der flüchtige Blick auf das Programm lehrt, dass der inhaltliche Fokus eindeutig auf dem Kabarett liegt. Das fifty-fifty etablierte sich Ende der 80er Jahre zunächst in einem aufgelassenen Lagerschuppen des Güterbahnhofs Erlangen mit nur ca. 50 Sitzplätzen. Wesentliche Teile des Gebäudes bestehen aus der denkmalgeschützten Stadtmauer der Hugenottenstadt. Eine auf Anhieb hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und die zentrale Lage des Spielortes verhalfen dem Theater schnell zu einem Kultstatus in der Kleinkunst, so dass bereits in den frühen 90er-Jahren der neubaugleiche Ausbau der Spielstätte „right around the corner“ und der Umzug in das Obergeschoss des Nachbargebäudes möglich waren. Bei sehr starker Nachfrage verlegt das fifty-fifty auch Veranstaltungen in das E-Werk oder in die nahe gelegene Matthäuskirche. Eine kaum überschaubare Vielzahl heute hochgeschätzter Künstler absolvierten dort ihre ersten Auftritte und starteten ihre „Karriere“. Es seien nur genannt Lizzy Aumeier, Matthias Egersdörfer, Torsten Goods, Claus von Wagner, Ingo Appelt oder das Totale Bamberger Cabaret. Gründer und nach wie vor derzeitiger Intendant ist der Schweizer Musiker und Kunstmäzen Andreas Büeler. Zurzeit präsentiert das fifty-fifty ca. 120 bis 150 Veranstaltungen jährlich, wird aber dennoch nur gelegentlich und in geringem Umfang öffentlich bezuschusst.
Der Blick auf das Programm der ersten Saisonmonate, das bereits Mitte September mit Auftritten von Vince Ebert startete, zeigt einmal mehr das breite Spektrum des fifty-fifty. Erwähnen wir nur im Oktober Christian Springer mit „Trotzdem“, Ulan & Bator mit „Irreparabeln“, Ludwig W. Müller mit „DichterVerkehr“, Wolfgang Buck mit „Su kammers aushaldn“, el mago masin mit „Rolle rückwärts“, Werner Koczwara mit „Einer flog übers Ordnungsamt“ oder Claudia Bill mit „Rettung naht – Bill weiß Rat“. Am 6. Oktober wird es außerdem die 3. Erlanger LachNacht geben. Im November locken Sigi Zimmerschied mit dem Programm „Tendenz steigend – Ein Hochwassermonolog“, Rick Kavanian mit „Offroad“, Lizzy Aumeier mit „Ja ich will“, Mäc Härder mit „Viva la Heimat“, Senkrecht & Pusch mit „Umsturz“ und Hagen Rether mit dem vielsagenden Titel „Liebe“. So unvollständig diese Aufzählung ist, deuten doch einige prominente Namen an, wie hochkarätig es in Erlangen zugeht. Im fifty-fifty kann man fast jeden Abend niveauvolles Kabarett erleben, von den anderen „Formaten“ wie Dichterlesungen, Konzerte oder Comedy-Shows nicht zu reden.
Das Schlosstheater Thurnau ist eine relativ junge Gründung, beruht aber auf der langjährigen Bühnenerfahrung eines Mannes, der sich im Tourneetheater als Schauspieler und Regisseur Renommee erwerben konnte. Der Theatermacher Wolfgang Krebs, der sich nach langen Auslandserfahrungen auch als Dozent für Pantomime, Maskenspiel, Clownerie, Performance und Projektarbeit profilierte, siedelte sich nach 30 Jahren des Kulturnomadentums 2006 in Oberfranken an und gründete im November 2012 das Schlosstheater Thurnau in der zwischen Bayreuth und Kulmbach gelegenen pittoresken Kleinstadt. Im Torwärterhaus neben dem Rathaus hat er sich eine kleine Bühne mit 65 Zuschauerplätzen geschaffen, die sich schnell im östlichen Oberfranken zu etablieren vermochte, aber auch darüber hinaus bereits aufhorchen ließ. Das Schlosstheater Thurnau bietet anspruchsvolle Stücke des klassischen und des modernen Repertoires an, natürlich auch Komödiantisches, zudem veranstaltet es alljährlich die Schlossfestspiele Thurnau. Heuer, in deren dritter Edition, wurde im August die französische Gesellschaftskomödie „Der Vorname“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière geboten.
Ab Oktober wird das Theater mit einer neuen französischen Gesellschaftskomödie aufwarten: „Venedig im Schnee“. Dabei ist wieder ein satirisches Stück voller Überraschungen und unverhoffter Wendungen zu erwarten, natürlich gespickt mit viel Wortwitz, Komik und Esprit. Premiere ist am 8. Oktober, die weiteren Veranstaltungstermine liegen in der Regel auf den Wochenendtagen. Als nächste Produktion steht ein literarisch-musikalisches Trio auf dem Programm, das sich einem besonders großen Lyriker, Zeichner und Humoristen widmet: Wilhelm Busch. Es dürften ab dem 27. November Abende werden, die neben Poesie, Musik und Humor auch manche Erkenntnisse und Weisheiten zutage fördern. In der Vorweihnachtszeit wartet das Schlosstheater Thurnau mit dem ergreifenden Stück „Oskar und die Dame in Rosa“ von Eric Emmanuel Schmitt auf. Angélique Verdel wird dabei verwandlungsreich in alle Rollen schlüpfen.
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Schloss Thurnau, Foto © Schlosstheater Thurnau
Schloss Thurnau, Innenhof, Foto © Schlosstheater Thurnau
fifty-fifty, Innenansicht, Foto © fifty-fifty
fifty-fifty, Innenansicht, Foto © fifty-fifty