Einen Querschnitt durch 65 Jahre seines Schaffens zu präsentieren, das klingt bei Werner Kohn fast wie ein Vermächtnis, ist er doch mittlerweile knapp achtzig. Aber diese Vokabel passt kaum zu einem Photographen, in dessen work in progress noch lange nicht der letzte Klick erfolgte. Dieser unermüdliche photographische Chronist Bambergs, Frankens und mancher Weltgegenden wird uns sicher weiterhin mit seinen bildlichen Kommentaren begleiten. Aber immerhin, der jetzt vorgelegte Bildband aus dem Erich-Weiß-Verlag, der auf einer umfangreichen Ausstellung im Bamberger Stadtarchiv beruht, bietet einen typischen und facettenreichen Einblick in die Arbeitsweise und Haltung Werner Kohns.
Seine in dem 145 Seiten starken Buch ausgestellte Bilderwelt ist im ersten Teil, der dem „Hier“ gewidmet ist, so in Bamberg geerdet (fast möchte man sagen: so heimatverbunden), dass sich manche Photos in ihrer Bedeutung eigentlich nur denjenigen erschließen können, die einige Jahrzehnte in dieser Stadt oder im Umland verbracht haben. Das gilt zumal für die frühen Schnappschüsse in schwarz-weiß, auf denen die Anfänge des Bamberger Basketballs, Kneipenszenen, Spuren der 68er-Bewegung, typische Straßenszenen oder Scheinidyllen aus dem Landkreis festgehalten sind. Wer z.B. das Photo der legendären Wirtin Wally Mück aufschlägt, wird nur als langjähriger Gast des „Pizzini“ im Bamberger Sand über einschlägige Assoziationen verfügen.
Werner Kohns ganz große Leidenschaft – Verkehrsschilder aus aller Welt – ist mit nur einem Exemplar vertreten, aber das geht in Ordnung, hatte er ja seinem Lieblingsthema schon zuvor ein Extra-Buch gewidmet. Staunen darf man über die zahlreichen Prominenten, denen der Photograph ausweislich dieser Bilder über den Weg gelaufen ist – gezielt oder zufällig. Da gibt es Gorbatschow in Bayreuth, den unvermeidlichen Strauß auf dem Maxplatz, Ivan Rebroff in der Oberen Pfarre oder Herbert Wehner in Zeil.
Die Exkursionen ins „Dort“, den zweiten Teil des Bildbandes, führen per Vespa-Roller ins Italien der fünfziger Jahre, auf den Montmartre der sechziger Jahre, zu Fritz Teufel nach Berlin, zur Semana Santa nach Spanien oder in Städte wie Algier, Delhi, Singapur und Sanaa. Das Photo von Palmyras Römischem Theater dürfte mittlerweile dokumentarischen Wert beanspruchen. Mein Lieblingsphoto: „Product Placement“ mit den beiden Coca-Cola trinkenden Nonnen. Das hintergründigste Photo: die alte Dame mit dem „Jesus rettet“-Schild in Kassel neben dem jugendlichen T-Shirt-Träger mit der Botschaft „Say you Love Satan“. Einziger Makel dieses Buches sind die zahlreichen Grammatik- und Orthographiefehler im Einleitungstext. Ansonsten ist das eine schöne Publikation, vorzugsweise für Eingeweihte und Ironiefähige!
Werner Kohn: 65 Jahre Fotografie in Bamberg und anderswo. 1953-2018, Erich Weiß Verlag Bamberg, Deutsch, 35 €, 144 Seiten, 138 Abb., ISBN 978-3-940821-66-9