Was der Schwerpunkt der diesjährigen ION sein würde, ließ sich schon im Voraus leicht erraten: natürlich die Reformation, deren musikalischen Klängen es im Jubiläumsjahr nachzuforschen gilt. Das tut sie zwar seit ihren Anfängen immer wieder, aber heuer natürlich konzentriert. Es darf durchaus an dieser Stelle daran erinnert werden, dass die ION, von den Kirchenmusikern der beiden großen evangelischen Altstadtkirchen in Nürnberg, St. Lorenz und St. Sebald 1951 erstmals ausgerichtet, heute als das wohl größte und älteste Festival für Geistliche und Orgelmusik in Europa gilt.
Als Motto hat man sich das in seine Bestandteile zerlegte Wort für jene Ereignisse gewählt, die vor 500 Jahren für eine der größten Umwälzungen in Europa sorgten: „re:format:ion“. Dabei ist dem Begriff in der Mitte besonderes Gewicht beizumessen, denn gerade die Formate sind es, die im Laufe der Zeit doch sehr gewechselt haben, zumal seit der Intendanz Folkert Uhdes. Mit Hilfe der verschiedensten Formate forscht die diesjährige ION dem musikalischen Klang der Reformation nach, zur Zeit Luthers und in späteren Jahrhunderten, insbesondere auch in Nürnberg. Ein Symposium geht der Frage nach, was eigentlich Musica Sacra zu bedeuten hat. Eine Reihe von Projekten widmet sich gänzlich neuen Formen und Formaten im Sinne der „re:formation“ von vermeintlich Bekanntem.
Die ION 2017 steht also ganz im Zeichen der unterschiedlichen Lesarten und Bedeutungen von Reformation und erinnerte deshalb auch bei der Vorstellung ihres Programms an einige Gegebenheiten, die zwar eigentlich bekannt sind, aber beim Urteilen über die Reformation in den Köpfen viel präsenter sein sollten. Zum Beispiel, dass zur Zeit Martin Luthers Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein und eigenständiges Denken noch keine kulturellen Werte waren, dass selbst kleinste Verstöße gegen Normen oder Hierarchien grausam bestraft wurden und die Neugierde zu den Todsünden gerechnet wurde. Kaum jemand war des Lesens und Schreibens mächtig, noch dazu wurden Texte fast ausschließlich auf Latein verfasst. Um so gewaltiger ist das Wirken Luthers einzuschätzen, der die Bibel in verständlicher Sprache zu den Menschen brachte.
Natürlich muss auch in einem Jubiläumsjahr nicht alles neu erfunden werden, weshalb beim Blick in das Programm sofort auffällt, dass eine ganze Reihe von bewährten Formaten fortgeführt werden, gleichwohl auch fortentwickelt. Die ION 2017 gliedert in ein „Vorspiel“, das vom 11. bis 20. Mai ganz im Zeichen der Matthäuspassion steht, die vom jüdischen Regisseur David Mouchtar-Samorai inszeniert wird. Ab 30. Juni folgt dann die eigentliche „Festwoche“, die sich mit Konzerten, Festgottesdiensten, Klangproben, Orgelwettstreit, einem „ION-LAB“ und einer ION-Nacht bis zum 9. Juli hinzieht. Der Blick auf die aufgebotenen Künstler bestätigt einmal mehr, dass es bei einer ION grundsätzlich hochkarätig hergeht.
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Free Schubert, Foto © Internationale Orgelwoche Nürnberg