Am 29. September gastiert Gert Steinbäcker in der Bamberger Konzerthalle. Steinbäcker, das „erste S“ der österreichischen Kultband STS, hat sich nach der Auflösung „seiner“ Band vor vier Jahren ganz seinem musikalischen Single-Dasein verschrieben. Er, der schon in der aktiven STS-Zeit immer wieder Solo-Scheiben veröffentlichte, tourt seitdem mit seiner schmucken Band durch die Lande. Das Publikum bekommt dabei neben eigenen Songs freilich auch STS-Klassiker zu hören, die aus seiner Feder stammen: „Großvater“ und „Irgendwann bleib i dann dort“ zählen seit jeher zu den absoluten Aushängeschildern des Austro-Pop. Im Vorfeld des Konzerts nahm sich der Grazer Zeit für Art. 5|III und stand für ein Interview zur Verfügung. Und trotzte auch Widerständen. Die Aufklärung, wie man als Interviewer verhindert, dass ein eingehendes Telefonat auf dem Handy eine Sprachaufnahme unterbricht – die lieferte der offensichtlich recht technikaffine Steinbäcker sofort. Das war aber nur eine Seite, die er offenbarte. Er erwies sich nicht nur als (gewohnt) tiefgängig, sondern auch als schlagfertig, gewitzt und breit gefächert in der Themenauswahl.
ART.5|III: Gert Steinbäcker, willkommen in Bamberg. Das Wetter hier ist drei Tage absolut bescheiden. Sie tauchen auf und die Sonne kommt heraus. Haben Sie die etwa aus Griechenland mitgebracht?
Erstens bin ich natürlich ein absolutes Sonnenkind. Ich freue mich, wenn die Sonne scheint. Aber das tun wahrscheinlich viele Menschen. Den direkten Zusammenhang, dass sie jetzt gerade aufgeht, das wäre eine zu große Ehre. Ich glaube eher nicht, dass das mit mir zusammenhängt.
ART.5|III: Stichwort Sonnenkind. Wie verschlägt es eigentlich einen Österreicher – wir kennen es alle, Berge, Schnee, Skifahren – in doch recht jungen Jahren schon nach Griechenland?
Weil es, glaube ich, Meeres- und Bergetypen gibt. Ich habe es im Bekanntenkreis oft erlebt, dass Leute, die sehr gern am Berg unterwegs sind, wenig Affinität zum Mittelmeerraum haben und umgekehrt. Ich bin halt Typ B. Mich hat der Mittelmeerraum schon immer angezogen. Das ist ja von Graz nicht weit. In zwei Stunden bist du in Triest. Das kannst du eigentlich jedes Wochenende machen, wenn man möchte. Und dass es dann schlussendlich Griechenland geworden ist, ist eher Zufall.
ART.5|III: Spannen wir den Bogen in Richtung Musik. Wie kommt jemand dann auf die Idee, in fast genauso jungen Jahren die Austro-Pop-Schiene zu beschreiten und nicht irgendwo englische Musik im 68er-Style zu machen?
Wir stammen ja alle aus der angloamerikanischen Singer-Songwriter-Gruppe. Anfangs haben wir alle mal englisch gesungen, haben alle kopiert in irgendeiner Form. Und dann sind sehr viele Leute – ob es Zucchero, Udo Lindenberg oder Ambros Wolfgang war – darauf gekommen, dass man sich in seiner eigenen Sprache ausdrücken sollte, wenn man irgendwas mit Lyrik zu tun haben möchte. Denn um in einer fremden Sprache mit Worten spielen zu können, müsste man schon länger dort gewesen sein. Auch STS hat am Anfang ein englisches und deutsches Programm gehabt. Nach relativ kurzer Zeit haben wir aber gemerkt, dass man sich auf irgendwas einigen muss. Entweder man wird eine ganz normale Tanzband mit englischen Texten oder man wird eben das, was uns die Singer-Songwriter meistens im Folkrock vorgemacht haben – singen in der eigenen Sprache. Was natürlich tausendmal besser war.
ART.5|III: 1984 habt ihr beschlossen – STS standen da ja vor der Auflösung – dass ihr noch eine Scheibe rausbringen wollt. Dann kam die Plattenfirma und erzählte euch, dass noch Platz für einen Song wäre… Und ihr haut so ein Ding wie Fürstenfeld raus und seid in allermunde. Habt ihr vorher ernsthaft daran gezweifelt, dass es noch Sinn macht, weiterzumachen? Oder ob man lieber sagt: Wir schmeißen unser Konzept komplett über den Haufen und machen was ganz anderes?
Naaaaa. Natürlich zweifelst du, wenn nichts weitergeht, daran, ob es überhaupt weitergeht. Tatsache ist, dass die Plattenfirma durch eine Eigenproduktion von uns von „Irgendwann bleib i dann dort“ auf uns aufmerksam wurde. Die gaben uns dann die Möglichkeit, haben uns gleich drei, vier Longplayers vertraglich gesichert, was heute undenkbar ist. Fürstenfeld war ein Zusatzsong als Gag zu einem ernstgemeinten Longplayer, ist dann explodiert und wir hatten das Glück, dass wir vorher sechs Jahre erfolglos geschrieben und komponiert haben. Das heißt, wir konnten nachsetzen, in die Richtung, in die wir eigentlich gehen wollten. So gesehen, war Fürstenfeld ein Türöffner der Sonderklasse und wir konnten trotzdem mit unserem Repertoire nachhaken. Hätten wir das nicht gehabt, dann wären wir jetzt nicht da, wo wir sind.
ART.5|III: Wart ihr euch damals bewusst, dass Fürstenfeld solche Türen aufmacht? Zugespitzt könnte man ja sagen, dass es ohne Fürstenfeld heutzutage den Ballermann nicht gäbe. Immerhin war es die erste anerkannte Wiesn-Hymne auf dem Oktoberfest. Und das, obwohl ihr immer den Anspruch an euch hattet, eine ernsthafte Band zu sein.
Ein Liederschreiber muss in drei Minuten eine Geschichte erzählen. Und da bedient er sich manchmal irgendwelcher Hooklines. Wenn die herausgelöst aus dem Song verwendet werden oder dazu geeignet sind, im Bierzelt verwendet zu werden, hat man einfach Pech gehabt. Wobei in dem speziellen Fall das Pech keines war, weil man genug Material hatte, das auszugleichen und den Eindruck der Band ins richtige Licht zu rücken.
ART.5|III: Waren Sie rückblickend eigentlich damit zufrieden, dass Sie das Projekt mit Thomas Spitzer ad acta gelegt haben?
Natürlich. Das war aber gar kein Entscheidungsproblem. Das war ein zeitliches. Weil beide Gruppen, die Erste Allgemeine Verunsicherung und STS, zeitgleich los gegangen sind. Mein Job bei STS war auch wesentlich wichtiger. Wenn ich als ein Drittel-Autor arbeiten kann, tue ich das lieber als bei Thomas. Thomas war die EAV. Da hast du nur in kleiner Form etwas beitragen können.
ART.5|III: 2015 ist STS geplatzt und du wurdest vom Drittel-Schreiber plötzlich zu jemandem, der sein Ding allein durchziehen muss. Ist es einfacher oder eher schwieriger, wenn nur noch ein Kopf da ist?
Ich habe ja im Laufe von STS immer Soloproduktionen gemacht, bin nur nicht live auf die Bühne. Das wäre sowieso nicht gegangen. Nachdem eine STS-Schlusstournee geplant war, die aber nie stattgefunden hat, hätte ich danach genau das gemacht, was ich jetzt mache. Weil ich es gern wissen wollte, wie es ist. Es ist für mich ein gewisser Abschluss. Mir war auch immer klar, dass ich STS nicht fortsetzen will. Das geht auch gar nicht. Das ist eine Gruppe, die einen großen Namen gehabt hat. Ich will wissen, wie ich aus meinen Solosongs plus den berühmten Songs aus der STS-Zeit ein Livekonzert machen kann. Voriges Jahr, als wir die ersten Konzerte gespielt haben, war mir klar, dass das funktioniert. Deswegen wollen wir es dieses Jahr abschließen. Bis 3. Dezember spielen wir 25 Konzerte in Österreich und Deutschland. Und dann gibt es erst einmal nichts, bis die nächste Entscheidung gefallen ist. Und das kann sehr lang dauern.
ART.5|III: Da sind Sie komplett spontan und lassen sich erst einmal treiben?
Wenn du Ideen sammelst, brauchst du eine Zeit, in der du nichts Großes vorhast. Du musst die ja ausarbeiten. Das Ganze muss zu einem sinnvollen Punkt führen. Ich habe in den 40 Jahren Tätigkeit sehr viele Themen beschrieben und die will ich nicht noch einmal beschreiben. Die Themen allein werden also schon rarer. Ich plane immer maximal für zwei Jahre. Das war die Ende 2016 herausgekommene Produktion, voriges Jahr 15 Konzerte und heuer 25. Dann ist einfach Auszeit, wie es auch bei STS schon war. Das ist einfach sinnvoll. Du bietest dich nicht zu sehr an, wegen der Kohle macht man das schon lang nicht mehr, das ist nicht der Punkt. Der Plan heißt, bis Ende des Jahres und dann schauen wir, was kommt.
ART.5|III: Was ganz anderes. Gert Steinbäcker privat. Geht der eigentlich noch auf Konzerte oder hat er, wenn er die Bühne verlässt, von dem Zeug die Schnauze voll und will davon nichts mehr hören?
Nein. Ich war vor fünf Jahren bei den Rolling Stones im Hyde Park in London, das habe ich zu meinem Sechzigsten geschenkt bekommen. Da wir bei der gleichen Plattenfirma sind, habe ich Mick Jaggers Schuhe aus fünf Metern Entfernung bewundern dürfen. Das war ein großes Erlebnis. Also ich mache Dinge, die mich interessieren. Wenn mein Kollege Schiffkowitz mit einem Klassikpianisten zusammen kleine Konzerte macht, bin ich ebenso dort wie bei den Stones im Hyde Park. Aber das mache ich nicht zu oft. Es muss wirklich etwas sein, was mich persönlich interessiert.
ART.5|III: Jetzt gibt es ja genügend Leute, die auf ein Steinbäcker-Konzert gehen, um seine Schuhe mal aus nächster Nähe sehen zu können Was würde Sie dazu bewegen, zu einem Steinbäcker-Konzert zu gehen?
Davon ausgegangen, dass ich meine eigenen Songs außer zu Arbeitszwecken nie höre, würde ich, glaube ich, nicht zu einem Konzert von mir gehen (grinst). Aber einfach, weil ich ich bin. Und was ich mache, kann mich nicht überraschen. Und ich gehe nur zu Konzerten, die mich in irgendeiner Form überraschen.
ART.5|III: Und welche Überraschungen haben die Zuhörer zu erwarten?
Wir machen einen Mix aus Songs aus allen fünf Soloalben, aus Songs, die ich für STS geschrieben habe und natürlich auch die ganzen berühmten Songs. Ich habe auch immer einen Überraschungsgast dabei, der für ein, zwei Songs auf die Bühne kommt.
ART.5|III: Das klingt spannend. Dann sind wir mal gespannt, wer das sein wird und bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch!
Ich bedanke mich auch und hoffe, hoffe, du hast alles drauf (lacht).
Fotocredits:
Gert Steinbäcker, Foto © Christian Jungwirth