Ein runder Geburtstag ist im Normalfall eine eintägige Sause. Wenn es terminlich passt, vielleicht sogar zweitägig. Damit geben sich die Macher des Nachsommers in Schweinfurt nicht zufrieden. Einen Monat lang feiert das „Festival der Grenzüberschreitungen“ sein 20. Wiegenfest.
Vom 6. September bis zum 5. Oktober heißt es im ZF Kesselhaus auf dem Gelände der ZF Friedrichshafen AG und der Kunsthalle Schweinfurt „Feier frei“ für eine feste Institution in der fränkischen Festivallandschaft. Und wie jedes Jahr wieder heißt das gleichzeitig: Genreübergreifend wird gerockt, geswingt und gesungen, was das Zeug hält. Und das im kultigen Industrie-Ambiente auf dem Werksgelände nur wenige Meter entfernt vom ursprünglichen Standort in den SKF-Hallen 149 und 410, wo der markante Schornstein stilprägenden Charakter genießt.
An vier Wochenenden werden sich hochkarätige Künstler aus dem In- und Ausland die Klinke in die Hand geben und dem Publikum in der Stadt am Main, in der Kunst und Industrie eine inspirierende Symbiose eingehen, spannende Konzerterlebnisse bieten. Inter- und multinational wird es auch dieses Jahr. Auffällig dabei: Gleich zwei Acts haben den langen Weg aus Australien auf sich genommen, um in der Industriestadt zu rocken. The Idea of North, eine der führenden A-capella-Künstler von Down Under geben sich zum Auftakt am 6. September die Ehre. Mit Vokal-Perkussionist Kaichiro Kitamura, begnadeter Beatbox-Virtuose, der die alteingesessene Kombo seit einiger Zeit unterstützt, hat das Quintett noch einmal ein neues Level erklommen. Und noch ein weiterer Part eines Fünferpacks macht sich aus Australien auf den langen Weg nach Unterfranken. Das Florian Ross Quintett mit der herausragenden Frontfrau Kristin Berardi präsentiert sein neues Album Swallows and Swans am 20. September. Dabei untermalt die Australierin, 2006 Gewinnerin des Montreaux Jazz Preises international Vocalist, den herrlich entspannten Modern Jazz des musikalischen Grenzgängers Ross mit ihrer unprätentiösen und doch so einnehmenden Stimme auf unnachahmliche Art und Weise.
Ebenfalls einen weiten Weg vor sich hat die junge indische Kombo Shalosh. Progressiv, rockig im Jazzgewand präsentieren sich die Newcomer, die das Zeug zur Festivalüberraschung haben, und werden am 28. September mit ihrer ganzen musikalischen Bandbreite von Reggea bis hin zu härteren Rockklängen überzeugen – man darf sich auf einen Abend voller swingiger Rhythmen freuen. Den gibt es – fast schon traditionell – auch bei Conexión Cubana. Die kubanische Truppe um Bandleader und Bassist Nicolás Sirgado ist längst ein gerne gesehener Gast in fränkischen Gefilden. Mit ihrer karibischen Lebensfreude und dem traditionellen Son gehören sie fast schon ein bisschen zu den Gralshütern fränkischer Festivals (21. September). Auch Kuba ist in Schweinfurt bei Jubiläumsfestival im Doppelpack vertreten. Zweifache Echo-Klassik-Gewinner, mehrere Jazz-Awards abgesahnt, Grammy-Nominierung hinter sich, Begeisterungsstürme, pure Lebensfreude – die Klazz Brothers schrieben eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte, die im Jahr 2000 ihren Anfang nahm. Sie präsentieren ihr Jubiläums-Best-of-Programm. Damals, im Gründungsjahr des Nachsommers, begegneten die Klazz Brothers auf einer Kuba-Tournee den kubanischen Perkussionisten Alexis Herrera Estevez und Elio Rodriguez Luis. In einer spontanen Session fanden die in so unterschiedlichen Kulturkreisen verwurzelten Musiker ganz intuitiv zu einer gemeinsamen Tonsprache. Seit dieser legendären Begegnung sorgen sie als Klazz Brothers & Cuba Percussion mit beispielloser Kreativität weltweit für musikalische Furore. Und tun das bist heute. Am 14. September beim Nachsommer.
Einen eher kurzen Anfahrtsweg hat die österreichische Brass-Combo Federspiel vor sich. Am 27. September präsentieren die Wolpertinger ihre Art der weltweiten Volksmusik. Traditionelle Stücke, sauber zerpflückt, neu arrangiert und in teils sphärischen Klangbildern mit ihren Blasinstrumenten performt – ein hoher Spaßfaktor ist dabei garantiert. Eher nachdenklich wird es 20 Tage vorherzugehen, wenn Klavier-Kabarettist Bodo Wartke am zweiten Festivaltag fragt „Was, wenn doch?“. Längst hat sich der gebürtige Hamburger in die Belle Etage der deutschen Wortakrobaten nach vorne gespielt, sich als charmanter und charismatischer Conférencier der Songs an einem Sommerabend auf Kloster Banz in Franken eine hervorragende Reputation erspielt.
Zum Abschluss des Nachsommers geht es in den hohen Norden: Mit The Real Group kommt am 5. Oktober die bekannteste A-capella-Gruppe Schwedens ins Kesselhaus – und wird das Gesamtpaket des Schweinfurter Geburtstagsmonats hervorragend abrunden, nachdem mit The Idea of North ähnlich virtuose Stimmwunder das Jubiläumsfestival eröffnen durften.
Und dann wären da noch die (örtlichen) Ausreißer: Das Kaiser Quartett führt die traditionelle Formation des Streichquartetts in neue Gefilde und experimentiert mit Elementen aus Elektronik, Pop, Hip-Hop und Avantgarde – als einzige Formation präsentieren sie sich (22. September früh um elf Uhr) in der Kunsthalle.