Große Ehre für Nevfel Cumart
Bundesverdienstkreuz für vorbildliches Engagement
veröffentlicht am 08.07.2014 | Lesezeit: ca. 5 Min.
Nevfel Cumart, dem Bamberger Steller der Schrift, Übersetzer, Referenten, Journalisten und, wohl vor allem, Mittler zwischen den zwei Welten Ost und West, wird an diesem Donnerstag eine große Ehre zuteil. Bundespräsident Joachim Gauk wird ihm auf Schloss Bellevue das Bundesverdienstkreuz am Bande überreichen. Wir gratulieren von Herzen!
Eine der Balladen des Dschungelbuch-Autors Rudyard Kipling hebt so an: „Oh, East is East and West is West, and never the twain shall meet“ (Ach, Osten ist Osten, Westen bleibt Westen, und nie werden die zweie zueinanderfinden). Genau das aber tun sie in den Vorträgen, bisweilen auch in den Gedichten, von Nevfel Cumart. Der am letzten Maitag ein halbes Jahrhundert alt gewordene Mann von Welt ist türkischer Abstammung. Geboren ist er zwar im rheinland-pfälzischen Lingenfeld bei Germersheim, aufgewachsen aber in Stade am Rande des schönen Alten Landes. Nach dem Abitur machte er zunächst eine Lehre als Zimmermann. Übrigens eine gute Grundlage für einen Lyriker, der sich ja auf das Handwerk des Verseschmiedens, und das tut Cumart durchaus, verstehen muss. Man darf da, nebenbei, auch an das Gedicht der Moderne schlechthin denken, an „Das wüste Land“ von T. S. Eliot. Eliot widmete es dem anderen großen Lyriker des Modernismus, Ezra Pound, den er neidlos mit einem Dante-Zitat „il miglior fabbro“ (also: der bessere Schmied) anrief.
Zum Wintersemester 1986/1987 verschlug es Cumart dann nach Bamberg, wo er an der Otto-Friedrich-Universität Turkologie, Arabistik, Iranistik und Islamwissenschaft (die in Bamberg einen hervorragenden Ruf genießt) studierte. Bereits ein Jahr vor dem Abitur legte Cumart, der mit inzwischen knapp anderthalb Dutzend Gedichtbänden zu den produktivsten deutschsprachigen Lyrikern der Gegenwart gehört, im Järnecke Verlag Stade sein Debüt vor, „Im Spiegel“ geheißen.
Unter den Auszeichnungen, mit denen der arg sympathische und vielseitig begabte Literat und Literaturvermittler bedacht worden ist, ist der Literatur-Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz (1992) zu finden. Ein Jahr hernach sprach man Cumart das Autorenstipendium der Stadt Bamberg zu, sodann folgten gleich zwei Aufenthaltsstipendien am angesehenen Literarischen Colloquium Berlin (wer mag, kann am 23. August das beliebte Sommerfest des LCB besuchen), das Übersetzerstipendium der Yamantürk Stiftung Istanbul (1998), elf Jahre später der Kulturpreis der Oberfrankenstiftung und jetzt eben das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Man kann, mit einigem Recht, Cumart als Friedrich Rückerts Pendant im 20. und 21. Jahrhundert bezeichnen. Beider Heimat ist Franken, beide sind mit dem Islam, mit orientalischen Sprachen vertraut, beide haben den persischen Mystiker Dschalal ad-Din Muhammad Rumi ins Deutsche gebracht, beide haben wunderbare Gedichte geschrieben, oft über ihre Kinder. Cumart an seine Tochter gerichtete, Rückert an Luise und an Ernst, die beide an Scharlach starben. Die „Kindertodtenlieder“ hat dann Gustav Mahler vertont, und es passt, dass uns die Nachricht von der bevorstehenden großen Auszeichnung Nevfel Cumarts am 7. Juli erreichte, Mahlers Geburtstag.
Cumart ist ein bescheidener Mann und hat immer wieder bei seinen Lesungen gesagt, dass man in Deutschland mit Gedichten keinen Blumentopf gewinnen könne. Da ist etwas dran. Und der nun nicht mehr in Stegaurach, sondern in Bamberg lebende Lyriker und Mittler zwischen zwei Kulturen hat, wenn auch augenzwinkernd, geäußert: „Für das, was ich mache, bekommt man kein Bundesverdienstkreuz.“ Das immerhin wird sich an diesem Donnerstag ändern. Hier noch, zum Schluss, die offizielle Pressemeldung und Begründung aus Berlin:
„Nevfel Cumart, Bamberg
Verdienstkreuz am Bande, Verleihung am 10. Juli 2014
Der in Deutschland geborene Lyriker türkischer Herkunft hat sich die Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen und Religionen zur Lebensaufgabe gemacht. Schon in seiner Jugendzeit wurde er mit einer in Stade (Niedersachsen) gegründeten Initiative zum Brückenbauer zwischen Deutschen und Türken.
Mittlerweile engagiert er sich vielfältig, so auch auf dem Feld des Literaturbetriebs u. a. in der Neuen Gesellschaft für Literatur (NGL) in Erlangen und im Verband der Schriftsteller (VS) in Oberfranken.
In seinem literarischen Werk, das bislang 16 Lyrikbände umfasst, veröffentlichte er zahlreiche Gedichte, die sich mit der Vermittlung zwischen den Welten auseinandersetzen und europaweit Eingang in Schulbücher gefunden haben.
Schon seit vielen Jahren übersetzt Nevfel Cumart zudem zahlreiche belletristische Werke namhafter türkischer Schriftsteller sowie Bücher zu islamkundlichen Themen. Die Schwierigkeiten bei der Identitätsbildung sind ihm vertraut, so dass er gezielt Lesungen und Schreibwerkstätten an Schulen durchführt, die nur wenig Kontakt zur Literatur und anderen kulturellen Werken vermitteln. Neben den Veranstaltungen an Schulen leistet er Vermittlungsarbeit mit Vorträgen und Seminaren über verschiedene Aspekte der türkischen Gesellschaft und Kultur, die Lebenssituation der Migranten in Deutschland sowie über die Religion des Islams.Zudem engagiert er sich im Wissenschaftlichen Beirat der Georges-Anawati-Stiftung, die sich für die Förderung des Dialogs zwischen Christen und Muslimen einsetzt.
Nevfel Cumart hat sich somit durch seine Arbeit und sein ehrenamtliches Engagement in unterschiedlichen Projekten in herausragender Weise um die Integration von Zugewanderten und ein gutes Miteinander in unserer Gesellschaft verdient gemacht.“
Fotos Copyright © Helmut Ölschlegel