Gekonnt jongliert die Künstlerin Henriette Grahnert (*1977 in Dresden) mit den unterschiedlichsten Malereitraditionen: Ihre Bilder zitieren klassische Abstraktion und konkrete Malerei, minimalistische Traditionen und Bad Painting, amerikanische Farbfeldmalerei und Pop Art. Gestische Pinselschwünge und informelle Klekse treffen auf figurative Elemente, harte Kanten auf filigrane Farbverläufe, dünn lasierte auf pastos gespachtelte Farbflächen. Mit hintersinnigem Humor verbindet Henriette Grahnert diese vermeintlichen Gegensätze zu einem individuellen Bilderkosmos. Dabei steht jedoch keine der zitierten Stilrichtungen und Malweisen tatsächlich für das, was sie vorgibt zu sein. Viel eher handelt es sich um einen klugen Umgang mit Bezugnahmen sowie um einen differenzierten Diskurs über die Malerei selbst.
Die Freude an Zitaten und Anspielungen findet sich auch auf sprachlicher Ebene. Handgeschriebene Kommentare auf den Bildern oder auch die humorvollen, pointierten Werktitel offerieren weitere Rezeptionsebenen: So zeigt das titelgebende Gemälde Manchmal erscheinst du mir sehr abstrakt (2011) eine Komposition aus an Klebestreifen erinnernden Pinselstrichen, verschlungenen Kritzeleien, sowie Augen und Schnurrbart als stilisierte Repräsentanten einer menschlichen Physiognomie. In Kombination mit dem Bildtitel wird die weitgehend abstrakte Komposition jedoch zu einer sprechenden Metapher für zwischenmenschliche Missverständnisse.
Trotz ihrer visuellen Verführungskraft, der Attraktivität in Motivik und Farbigkeit, sind Henriette Grahnerts Werke weit entfernt vom rein Dekorativen. Alles, was spontan und spielerisch erscheint, erweist sich zugleich als behutsam geplant und akkurat komponiert. Zufall und Vorsatz verbrüdern sich in ihrer souveränen, taktisch versierten Malerei.
Henriette Grahnert lebt und arbeitet in Leipzig. An der Hochschule fürGrafik und Buchkunst Leipzig studierte sie bis 2004 Malerei bei Professor Arno Rink. Ihre Arbeiten wurden in den letzten Jahren national wie auch international in zahlreichen Ausstellungen präsentiert. 2008 wurde die Künstlerin mit dem hochdotierten Kunstpreis der Sachsen Bank und dem Ernst Barlach Preis geehrt; 2009 erhielt sie ein einjähriges Stipendium an der Villa Massimo in Rom; 2012 war sie Stipendiatin am renommierten Deutschen Studienzentrum in Venedig. Als Stipendiatin des Marianne-Defet-Malerei-Stipendiums lebte sie von September 2015 bis Januar 2016 in Nürnberg. Ihre Einzelausstellung in der Kunsthalle Nürnberg präsentiert diese in Nürnberg entstandenen Arbeiten neben zahlreichen älteren Gemälden und gibt mit über 100 Werken einen vielseitigen Einblick in Henriette Grahnerts bisheriges Schaffen.
Im Projektraum präsentiert die Kunsthalle Nürnberg parallel zur Ausstellung mit Henriette Grahnert Werke der zehn Künstlerinnen und Künstler, die bislang das Marianne-Defet-Malerei-Stipendium innehatten: Gerda Schepers, Isabelle Fein, Ulrich Pester, Reto Pulfer, Sabrina Fritsch, Cornelia Baltes, Lea von Wintzingerode, Robert Seidel, Henriette Grahnert und Elif Saydam. Damit feiert die Kunsthalle Nürnberg auch den 90. Geburtstag von Hans Friedrich Defet, der das Stipendium 2011 zur Erinnerung an seine Frau Marianne Defet (1926-2008) gestiftet hat. Das Stipendium wird von der Atelier- und Galeriehaus Marianne und Hans Friedrich Defet Stiftung sowie der da Vinci Pinselfabrik getragen und ist jungen internationalen künstlerischen Positionen gewidmet.
Ausstellungszeitraum: 23. Juni – 28. August 2016
Eröffnung: Mittwoch, 22. Juni, 20 Uhr