Welches Motiv könnte für den Start einer neuen Buchreihe besser geeignet sein als verschiedenste Literaten, die sich in den verschiedensten Kaffeehäusern dieser Welt treffen. „Ein Dichter im Café“ von Hermann Kesten ist genau dieses Buch, mit dem der ars vivendi verlag aus dem mittelfränkischen Cadolzburg seine neue Reihe „Edition moderne fränkische Klassiker“ startet.
Das Werk des 1900 in Galizien geborenen und 1996 in der Schweiz verstorbenen Kesten, das 1959 zum ersten Mal verlegt wurde, hat scheinbar nichts von seiner Aktualität eingebüßt, konnte es doch damals schon als Abgesang auf eine untergehende Welt verstanden werden. Vom Kaffeehaus aus konnte er 1914 die in den Krieg ziehenden Soldaten sehen, genauso wie 1933 „Hitlers braune Buben“ in Berlin, die vor dem Café Wien Juden und Arbeiter über den Kurfürstendamm jagten. Wenn man sich den Krieg in der Ukraine vor Augen führt, könnten solche Beschreibungen durchaus real werden.
Bei seiner neuen Buchreihe ließen sich die Verantwortlichen des Verlages offensichtlich stringent von ihren Qualitätsansprüchen leiten, schließlich gibt es schlechtere Maßstäbe, mit denen man so etwas starten kann. Denn dieses Werk strotzt nur so vor literarischen Querverweisen und wer sich in diesem Sektor nicht wirklich gut auskennt, der ist schnell mit Kestens literarischen Anspielungen überfordert, trotz des eigentlich lockeren Erzähltons, dem er sich befleißigt. Möglicherweise hat der Verlag bei diesem Erstling seiner neuen Reihe ein wenig zu tief in die Qualitätskiste gegriffen, für die Freunde fränkischer Literatur könnte Kestens „Dichter im Café“ schon zu Beginn die ganz große Hürde darstellen, auch wenn es literarisch über jeden Zweifel erhaben ist.
Hermann Kesten: Dichter im Café, ars videndi verlag, Cadolzburg 2022, Hardcover, 424 Seiten, 18 Euro, ISBN: 978-3-74720-335-4