Wer einmal eine Barockoper, historisch adäquat präsentiert, im Goethe-Theater zu Bad Lauchstädt erleben durfte, wird sich vornehmen: bald wieder! In diesem Jahr war es Ende Mai Händels Oper „Parnasso in festa“, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Bad Lauchstädt verbindet die Vorteile ländlicher Idylle mit einer günstigen Lage im mitteldeutschen Raum zwischen Halle, Merseburg, Naumburg, Weißenfels, Eisleben und Weimar. Seinen Ruf verdankt es der historischen Tradition als Bäder- und Kulturstadt sowie der Präsenz berühmter Besucher. Den Beinamen Goethestadt trägt Bad Lauchstädt in stolzer Erinnerung an das Wirken Johann Wolfgang von Goethes als Theaterleiter.
Dessen Frau Christiane Vulpius hat bis 1810 erheblich dazu beigetragen, dass ihr in Weimar vielbeschäftigter Gatte das Theaterwesen in dem eine Tagesreise von Weimar entfernten Badeort mit Erfolg betreiben konnte. Sie besuchte den Ort fast jedes Jahr mehrere Wochen und kümmerte sich um den geordneten Ablauf der Gastspiele. Dass Bad Lauchstädt zugleich ein bedeutender Wagnerort ist, scheint weniger bekannt zu sein. Dabei hat Richard Wagner im Jahre 1834 hier eines seiner ersten Dirigate absolviert und zugleich seine spätere Frau Minna kennen gelernt. Deren Wohnhaus ist bis heute erhalten.
Dass Bad Lauchstädt gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Badeorte des sächsischen „Grand Siècle“ avanciert, ist zunächst einem Zufall zu verdanken, dann aber der energischen Durchsetzungskraft eines Kurfürstenpaares. Schon im Jahre 1704 war man bei Grabungen auf dem Gelände des heutigen Kurparks rein zufällig auf ein Quellwasser rötlicher Färbung gestoßen, dem wenig später von einem Hallenser Medizinprofessor bescheinigt wurde, dass es „ein gesund Wasser sey“.
Als das noch jugendliche sächsische Kurfürstenpaar 1775 von Dresden nach Bad Lauchstädt fuhr und dort Linderung seiner Beschwerden erfuhr, sorgte es umgehend dafür, dass moderne Kuranlagen gebaut wurden, die Bad Lauchstädt alsbald den Ruf eines Luxus- und Modebades einbrachten. 1780 kann der Kurfürst mit einem festlichen Souper den Tanz- und Speisesaal eröffnen, 1784 sind die Badeanlagen fertig gestellt inklusive des von den Zeitgenossen bestaunten Douche-Pavillons, eines technischen und medizinischen Wunderwerks.
Spätestens ab 1791 bestimmt mehr und mehr der künstlerische Ruhm des von Goethe geleiteten Theaters die Entscheidung der Zeitgenossen für eine Reise nach Bad Lauchstädt. Mit der Eröffnung des neuen Schauspielhauses im Juni 1802 gilt der Badeort als ein Brennpunkt dramatischer Kunst des beginnenden bürgerlichen Zeitalters. Aufgrund des regen Besuchs der Theatervorstellungen können die Überschüsse der sommerlichen Gastspiele des Weimarer Hofschauspielerensembles den Betrieb des Weimarer Hoftheaters „quer“-subventionieren.
Darüber hinaus profitierte Bad Lauchstädt zweifelsohne von der erstaunlichen Entscheidung des Preußenkönigs, dass in Halle seit 1771 kein Theater mehr gespielt werden durfte, was zur Konsequenz hatte, dass vor allem Studenten und Professoren aus der Universitätsstadt herbeiströmten. Das neue Haus bot – und bietet noch heute – ca. 600 Zuschauern Platz, die Bühne entsprach exakt der des Weimarer Hoftheaters. Technisch war es hochmodern ausgestattet mit mechanischer Verwandlung der Kulissenbühne und optimaler Beleuchtung mittels Öllampen.
Heute wie ehedem fasziniert die ausgezeichnete Akustik des Theaters, während das eher spartanische Innere fast zu einer Zeitreise einlädt. Obwohl schon 1830 und 1907 sowie zwischen 1966-68 restauriert und einfühlsam erneuert, erinnert es atmosphärisch an die Goethezeit. Derzeit werden vor allem die Fassaden des Hauses saniert, wobei eine Annäherung an das historische Original beabsichtigt ist. Noch ist eingerüstet, doch mit der Fertigstellung ist vermutlich 2019 zu rechnen.
Das seit 1908 als Goethe-Theater bezeichnete Haus wird noch heute im Sinne seiner Gründer genutzt. Zwischen Mai und Oktober finden vorwiegend an den Wochenenden Theatergastspiele statt. Die Auftritte im Rahmen der Händel-Festspiele in Halle dürfen als besondere Highlights gelten. In diesem Jahr stehen noch zahlreiche Veranstaltungen an, die sich sogar bis zum Dezember hinziehen. Nach einer Hommage an Goethe anlässlich seines Geburtstags am 28. August geht es am 1. September weiter mit einem Konzert der „Friend’n Fellow“, dann mit den Lauchstädter Podiumsgesprächen am 10.9., dem Rezital einer Koloratursopranistin zum Thema „Amore“ am 16.9. und einem Liederabend mit dem Tenor Patrick Grahl am 23. September.
Der Oktober wartet zunächst mit dem Melodram „Die heimliche Heyrath“ von Domenico Cimarosa auf (7.10.), dann folgen im Rahmen des „Festspiels der deutschen Sprache“ Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“, Goethes „Iphigenie auf Tauris“ und der erste Teil des „Faust“, das alles im engen Zeitraum vom 9. bis 14. Oktober. Shakespeares „Romeo und Julia“ folgt am 19. Oktober, anderntags Dürrenmatts „Die Physiker“ und am Monatsende Georg Büchners „Leonce und Lena“. Dazu kommen diverse musikalische Veranstaltungen. Alles in allem viele interessante und hochkarätige Gründe, ins sachsen-anhaltinische Bad Lauchstädt zu fahren!
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Goethe-Theater in Bad Lauchstädt, Foto © Gunther Hartmann
Goethe-Theater in Bad Lauchstädt, Foto © Schütze/Rodemann