Die Finnlandschwedin Tove Jansson ist einem breiten, vor allem jungen Publikum insbesondere für ihre Mumin-Bücher bekannt, die sie zwischen 1945 und 1970 schrieb und illustrierte. Es folgten zahlreiche Film- und Serienadaptionen der an Nilpferde erinnernden Mumin-Trolle, die bis heute regelmäßig in vielen Sprachen über die Bildschirme flimmern.
Weniger bekannt ist jedoch, dass die vielseitig begabte Schriftstellerin neben der Mumin-Reihe in den letzten beiden Jahrzehnten ihres Lebens auch Literatur für Erwachsene verfasste – am liebsten in Form von Kurzgeschichten. Im Verlag Urachhaus ist Ende 2017 ein Kurzgeschichtenband erschienen, der unter dem Titel „Die Zuhörerin“ 18 Kurzgeschichten aus dieser Schaffensperiode vereint.
Janssons besonderes Augenmerk liegt – und das wird in allen Geschichten deutlich – auf den feinen Zwischentönen menschlicher Beziehungen, ihren komplizierten Verwebungen und Besonderheiten. So greift sie sich einzelne Lebensmomente heraus und fängt feinsinnig die Stimmungen und Sehnsüchte ihrer Protagonisten ein. Dies gelingt ihr, ohne zu analysieren, nur mit Hilfe ihres typisch klaren, schnörkellosen Erzählstils. Dabei erhascht der Leser einen flüchtigen und doch sehr genauen Einblick in die fremden Gedanken- und Lebenswelten, die von der Schriftstellerin nie zu Ende gedacht, sondern bewusst offengelassen werden. Unweigerlich wird man als Leser dazu angehalten, diese Welten weiterzuspinnen und zu überdenken. Genau hier liegt der besondere Reiz des Buches, das nicht dazu gedacht ist, in einem Schwung gelesen zu werden, sondern dazu einlädt, sich hin und wieder einen kurzen Moment Zeit zu nehmen. „Die Zuhörerin“, benannt nach der ersten der 18 Kurzgeschichten, übt sich in Reduktion und zeigt, dass es nicht immer eines epochalen Plots bedarf, um Spannung zu erzeugen. Hier ist weniger mehr. Wer auf und auch zwischen den Zeilen liest, wird mit gehaltvollen Zwischentönen belohnt.
Tove Jansson: Die Zuhörerin, Urachhaus, Deutsch, 157 Seiten, 19,00 €, ISBN: 978-3-8251-5116-4