Metropolitan

Ich fühle, also bin ich

Ausstellung

veröffentlicht am 22.04.2014 | Lesezeit: ca. 4 Min.

Diese Umkehrung von René Descartes berühmter Feststellung „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) sorgt laut führender Kultur- und Medienwissenschaftler für die gesteigerte Bedeutung von Affekten bei politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsfindungen. So entsteht gewissermaßen eine Renaissance des Emotionalen in unserer rationalen Gesellschaft, geprägt von Social Media und Digital Natives.

Affekte sind derzeit vor allem im politischen Kontext sichtbar. So ging beispielsweise die Rebellion in arabischen Ländern von einem Affekt aus – der Wut über die gesellschaftliche Ungerechtigkeit. Affekte haben eine so große Macht, dass durch sie soziale Systeme verändert und sogar Regierungen gestürzt werden.

Ein weiteres Beispiel affektgesteuerten Handelns wird durch Shitstorms in Social Media oder Petitionen sichtbar. Ein einziger Impuls kann eine große Wirkung entfalten. Affekte machen die politische Macht der Gefühle sichtbar und sind somit heftige menschliche Gemütsregungen und eine besondere Qualität des Fühlens.

Sie bieten damit das Motto der Ausstellung im Kunstpalais Erlangen. Der Schwerpunkt liegt 2014 bei der künstlerischen Expedition in das Terrain des Emotionalen. Elf internationale Künstler sind mit ihren Foto- und Videoinstallationen seit dem 4. April und bis zum 8. Juni 2014 im Kunstpalais an der Ausstellung „Affekte“ beteiligt. Thematisiert werden hierbei unterschiedliche Darstellungen von Affekten in der zeitgenössischen Kunst.

Einen Anfang bildet die Ausstellung mit der Videoarbeit „Observance“ von Bill Viola, einem der führenden Künstler der Videokunst. In seinem Video strömen immer mehr Menschen aus verschiedenen Kulturen vor die Kamera und betrachten etwas, das dem Blick des Betrachters des Videos entzogen ist. Man sieht den Menschen ihren Ekel an, sie wenden sich ab und verschwinden. Der Affekt einer Grenzsituation wird hierbei thematisiert und der Betrachter in das Werk miteinbezogen.

Der Künstler Tomoya Watanabe lässt die affizierten Besucher der Ausstellung mit seinem Projekt „Strong Arm“ virtuelle Steine auf die Website ihrer Wahl werfen und sie lässt sie damit protestieren.

Die Fotografien der Werkserie „Soldiers“ von Suzanne Opton zeigen Portraitaufnahmen liegender Soldaten, die in dem Moment der Aufnahme den Eindruck hatten, noch nicht fotografiert zu werden. So sind in den Gesichtern der Soldaten keinerlei Emotionen abzulesen, der Betrachter versucht sich jedoch durch die dazugehörigen Bildinformationen zu Länge und Ort des Kriegseinsatzes in die Soldaten hineinzuversetzen.

Die Ausstellung endet mit der Videorbeit Desniansky Raion von Cyprien Gaillard. Er zeigt darin Szenen einer Straßenschlacht von Gangs in St. Petersburg, deren gewaltsame Entladung ihrer Aggressionen als Affekte zu sehen sind.

Das Angebot der Ausstellung umfasst nicht nur die Werke der elf internationalen Künstler, auch wissenschaftliche Vortragsreihen, Lehrveranstaltungen, Konzert, Theateraufführungen, Filmabende, öffentliche Führungen und Workshops umfassen das Angebot.

Affekte bilden einen großer Impulsgeber unserer Zeit und soziale und gesellschaftspolitische Ordnungs- und Wertesysteme werden dadurch geprägt. Da sie ein wesentlicher Bestandteil von Kultur, Sozialität und Politik in unserer affektgetriebenen Mediengesellschaft darstellen, lohnt sich ein Besuch der Ausstellung im Kunstpalais sicherlich, um sich mit diesem Thema auseinander zu setzen.

Copyright Foto: © Suzanne Opton - Pressefoto Kunstpalais Erlangen

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