Die aktuelle Corona-Pandemie bedeutet nicht nur ein Verbot von Großveranstaltungen, auch Kultureinrichtungen haben temporär ihre Pforten geschlossen, selbst die Richard-Wagner-Festspiele sind in diesem Jahr COVID-19 zum Opfer gefallen. Mittlerweile lockern sich Lockdown und Kontaktbeschränkungen, Theater, Konzerte, Ausstellungen und mehr sind unter Einhaltung strenger Hygienekonzepte wieder möglich. Diese Situation hat Kreativität gefordert und freigesetzt: Die Bayreuther Vereine und Initiativen wie beispielsweise das „Festival junger Künstler Bayreuth“, die Firma „Steingraeber“ oder auch „Zamm – Bayreuther Theaterfestival“ um nur einige zu nennen, suchen ihren Weg aus der Krise, auch wenn es noch viele Unklarheiten und Variablen wie beispielsweise Besucherzahlen oder Hygienevorgaben gibt. Besondere Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen und deshalb sind nicht nur neue Konzepte entstanden, es wurden auch Sonderprogramme wurden für den Sommer aufgelegt. Bayreuth Summertime bündelt diese Initiativen.
Durch den Wegfall der Festspiele verschiebt sich auch der Fokus auf die Kulturszene Bayreuths. Die Stadt am Roten Main zeigt, was in ihr steckt – dieses Jahr auch ohne Festspiele! Entstanden ist ein breites, buntes, großartiges Programm, das sich durch den Sommer zieht. In der Wilhelminenaue wurde durch die Kulturverwaltung mit einer Open-Air-Bühne ein sommerlicher Veranstaltungsort geschaffen, der den vielen kleinen und größeren Veranstaltern unentgeltlich zur Verfügung steht, eine willkommene und wirklich helfende Unterstützungsleistung in diesen Tagen. Aber natürlich werden auch andere altbekannte Orte in das Festivalkonzept mit einbezogen. Die genauen Termine und alle erforderlichen Informationen finden Interessierte unter www.summertime.bayreuth.de.
Gerade die Unterstützung von Bayreuth Summertime, aber auch die Initiierung von Bayreuth Baroque, den neuen Barockfestspielen, die am 3. September starten sollen, waren für uns Anlass genug, einen Blick auf die Arbeit des Bayreuther Kulturreferenten, Benedikt M. Stegmayer zu werfen.
Benedikt Stegmayer: Da wäre mir nichts aufgefallen. Für mich war der Einstieg in Bayreuth nicht so, als ob es irgendwie merkwürdig oder schwierig wäre. Ganz im Gegenteil, ich bin sehr herzlich aufgenommen worden und vieles hat sehr schnell funktioniert. Was sich schon bemerkbar macht, ist dass an vielen Stellen die kontinuierliche Arbeit in den letzten Jahren gefehlt hat. Gerade wenn man im Kulturbereich etwas entwickelt oder weiterentwickelt, ist es immer positiv, wenn das eine Person über einen längeren Zeitraum macht oder es überhaupt eine Person gibt, die sich kümmert. An einigen Stellen wird doch deutlich, dass es diesbezüglich einen Mangel gab. Als großes kulturpolitisches Projekt könnte man hier beispielhaft die Sanierung des Friedrichsforums sehen. Da merkt man bei den Planungen schon, dass es auf Seiten des Kulturreferats eine Lücke gab und das wird in der Architektur Folgen haben.
Benedikt Stegmayer: Das bedeutet, dass ich mir eine größere Planungstiefe gewünscht hätte, also welche Anforderungen so ein Gebäude erfüllen sollte. Da werden wir in Zukunft den ein oder anderen Kompromiss eingehen müssen. Jeder hat naturgemäß auch seine persönlichen Vorstellungen, aber an einigen Stellen hat es meiner Meinung nach bei der Planung an inhaltlicher Schärfe gefehlt.
Benedikt Stegmayer: Die Planungen waren bereits abgeschlossen und wir können jetzt keine großen Änderungen mehr vornehmen. Es gibt durchaus wesentliche Details, an denen man sieht, dass im Kulturreferat eine Person gefehlt hat, die sich mit der Spielstätte inhaltlich auseinandersetzt und den Konzeptionsprozess begleitet. Aber auch in anderen Bereichen verzeichnen wir einen Entwicklungsstau der sicher damit zusammenhängt, dass es bei der Position des Kulturreferenten eine relativ lange Vakanz gab. So wurde die Museumsentwicklung der Stadt Bayreuth in den letzten Jahren nicht strategisch anhand einer großen Vision betrieben. Es waren eher Einzelmaßnahmen, die getroffen wurden, langfristige Gesamtplanungen gab es weniger.
Benedikt Stegmayer: Ganz am Anfang meiner Tätigkeit habe ich schon daran gedacht, wie es wohl sein würde, aber letztlich war es nie ein Thema. Wir hatten gleich von Anfang so viele Projekte, die bearbeitet werden mussten, dass gar keine Zeit war, um sich damit zu beschäftigen.
Benedikt Stegmayer: Ein Politikwechsel bzw. ein Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters bzw. der Oberbürgermeisterin macht sich immer bemerkbar, dazu ist diese Position einfach zu entscheidend in einer öffentlichen Verwaltung. Je nachdem wie diese Person agiert, hat das natürlich Auswirkungen. Mein Kontakt zum derzeitigen, kultursinnigen Oberbürgermeister (Thomas Ebersberger) ist sehr gut und ich glaube, in der Zukunft wird sich Einiges gestalten lassen, aber sicher wäre das mit Frau Merk-Erbe ähnlich gewesen.
Benedikt Stegmayer: Eine Bestandsaufnahme habe ich für mich gemacht. Das Wesentliche ist zu wissen, was in der Stadt existiert, wo Potentiale sind und was funktioniert. Und zwar so gut funktioniert, dass man sich erst einmal nicht drum kümmern muss. Das macht man automatisch in so einem Amt. Die Position eines Kulturreferenten selbst verstehe ich eher strategisch. Der Kulturreferent muss die Gesamtplanung der Kulturentwicklung im Auge haben und in gewissem Sinne die Position des Kulturpolitikers einnehmen, der es schafft, politische Willensbildung so weit zu betreiben, dass die wesentlichen Projekte auch Mehrheiten in der Stadt und in der Öffentlichkeit finden. Meine vordringlichsten Aufgaben sind, dass ich zum einen die Voraussetzungen für die Kultur in Bayreuth verbessern und zum anderen ihren Wirkungsgrad erhöhen möchte.
Benedikt Stegmayer: Gegenfrage! Was wäre die Bayreuther Kultur ohne die Bayreuther Festspiele? Die Festspiele sind so ein großer „Leuchtturm“, der Bayreuth auf der Kulturlandkarte überhaupt erst einmal sichtbar macht. Wenn das nicht so wäre, wie es ist, wäre meines Erachtens vieles in Bayreuth gar nicht möglich. Klar ist, dass die inhaltliche Arbeit des Kulturreferenten mit diesem „Leuchtturm“ nicht wesentlich verbunden ist, aber das ist gar nicht schlecht. Es geht bei meiner Arbeit nicht darum, dass ich irgendetwas tue, sondern darum, dass Bayreuth als Kulturstadt funktioniert. Und wenn man dann einen so großen Fixpunkt hat, dann ist das großartig. So verhält es sich auch beim Markgräflichen Opernhaus oder auch mit dem Neuen Schloss.
Benedikt Stegmayer: Da gibt es sicherlich ein gewisses Risiko für die kleineren Kulturakteure hinsichtlich der Sichtbarkeit. Aber wenn wir Kulturarbeit klug machen, dann können auch diese Bereiche davon profitieren. Wir haben in diesem Jahr bekanntlich keine Festspiele, aber wir haben mit „Bayreuth Summertime“, das wir quasi als „Dach“ des langen Kultursommers der Stadt Bayreuth auch in den nächsten Jahren nutzen wollen, die Möglichkeit, in einem Jahr etwas zu tun ohne von der Wahrnehmung her von den Bayreuther Festspielen verdrängt zu werden. Aber im Grunde bin ich froh, auch für Bayreuth Summertime, wenn die Festspiele nächstes Jahr wieder stattfinden, weil man dadurch diesen Anknüpfungspunkt hat. Die meisten Festspielgäste haben nicht für jedes Konzert Karten, sondern eine oder auch mal zwei. Insofern kann man auch während der Festspielzeit ein Angebot schaffen, um die Festspielbesucher im Idealfall noch ein wenig länger in der Stadt zu halten und nicht nur zu Besuchern zu machen, die auf den Grünen Hügel kommen und danach wieder weg sind. Mein Anspruch ist, dass Bayreuth nicht nur die Stadt der Bayreuther Festspiele, sondern auch Festspielstadt ist. Eine Stadt, in der mehr passiert und die mehr Angebot hat, und zwar, langfristig gesehen, von Mai bis Oktober, kurzfristig betrachtet in einem Zeitraum von ein paar Wochen vor und nach den Festspielen. Das ist unser Anspruch und unser Ziel und das würde es nicht geben, wenn es die Bayreuther Festspiele nicht gäbe.
Benedikt Stegmayer: Diese Frage lässt sich für Bayreuth leicht beantworten, da in unserem Fall das Welterbe ein kulturelles Welterbe ist. Folglich ist die richtige Bezeichnung Bayreuth Kulturstadt und das Welterbe spielt da mit rein. Man kann es in Bayreuth einfach viel weniger stark trennen als in anderen Welterbestädten, wo ganze Stadtteile Welterbe sind und die dortigen Bauwerke nicht unbedingt etwas mit Kultur zu tun haben müssen.
Benedikt Stegmayer: Ich bin der Referent für Kultur und Tourismus (lacht) und da hilft uns das Welterbe schon sehr im touristischen Bereich, vor allem außerhalb der Festspielzeit. Aber nochmal mein Hinweis, die Trennung ist hier schwer, weil es sich um ein kulturelles Welterbe handelt. Wir wollen in Bayreuth Kulturtourismus haben, weil dies meiner Meinung nach die angenehmste Art von Tourismus ist. Die Kulturtouristen bleiben in der Regel länger vor Ort und bereichern auch das Leben der Stadt. Der starke Tagestourismus, wie es ihn in anderen Städten gibt, kann schon zu einer Belastung werden, insbesondere wenn diese Besucherzahlen stark zunehmen. Der Kulturtourismus ist für mich persönlich auch deswegen sehr attraktiv, weil die Menschen ein Kulturangebot einfordern und dies gibt uns die Möglichkeit ein Kulturangebot zu schaffen, das dann auch für die Bürger Bayreuths und der Umgebung zur Verfügung steht.
Benedikt Stegmayer: Das erste Projekt sind die neuen Barockfestspiele „Bayreuth Baroque“ mit der geplanten Eröffnung am 3. September 2020. Momentan gehen wir davon aus, dass dies auch planmäßig stattfinden kann. Es ist für mich ein wesentliches und für die Stadt ein ganz wichtiges Projekt, das Markgräfliche Opernhaus wieder mit den Inhalten und auf dem Niveau zu bespielen, wofür es gebaut wurde. Es wäre schön, wenn daraus ein zweiter kultureller „Leuchtturm“ für Bayreuth werden würde. Im Übrigen deckt sich dies exakt mit den Forderungen aus dem Kulturentwicklungsplan von 2018.
Benedikt Stegmayer: Aktuell wird es bezuschusst, aber das Ziel ist natürlich, dass das Festival sich als feste Institution in der Stadt etabliert, mit der entsprechenden Förderung durch die Stadt und insbesondere den Freistaat Bayern. Wenn wir die erste Ausgabe abgeschlossen haben, findet zunächst einmal eine Evaluierung statt und hoffentlich kommen wir dann in der Folge zu einer institutionellen Förderung. Momentan ist die Resonanz auf „Bayreuth Baroque“ durchweg positiv. Als nächstes haben wir dann noch „Bayreuth Summertime“ als neues Festival. Ich wollte die Bayreuther Festivalzeit mit einer Dachmarke versehen und damit, über die Bayreuther Festspielzeit hinaus, die Wahrnehmung als Festivalstadt etablieren. Wir haben innerhalb kürzester Zeit und Dank der vielen einzelnen Veranstalter deutlich über 150 Veranstaltungen auf die Beine gestellt und damit ein großes Kulturfestival unter einem Dach, das auch im nächsten Jahr wieder stattfinden soll. Auch „Bayreuth Summertime“ soll seinen Teil dazu beitragen, dass man Bayreuth zukünftig noch stärker als Festivalstadt wahrnimmt. Wenn jemand zukünftig zwischen Mai und Oktober irgendwo hinfahren will, dann soll er wissen, dass in Bayreuth immer etwas Spannendes geboten ist. Und nicht nur Wagner oder klassische Musik, sondern kulturelle Unterhaltung aus den verschiedensten Bereichen.
Benedikt Stegmayer: Ja, auf verschiedene Art und Weise. Zum einen erhalten kleinere Kulturakteure eine Förderung im Rahmen unserer Möglichkeiten und zum anderen stellen wir die Infrastruktur mit einer Open-Air-Bühne in der Wilhelminenaue zur Verfügung, wodurch die einzelnen Veranstalter eine Menge Kosten sparen können und wir organisieren die Vermarktung. Außerdem schießen wir dort, wo es nötig ist, auch vereinzelt noch Mittel nach.
Benedikt Stegmayer: Weitere Projekte, beispielsweise im Rahmen der Museumsentwicklung, sind die Sanierung, Neugestaltung und künftige Nutzung des Franz-Liszt-Museums, die Umgestaltung des Chamberlain Hauses in ein NS-Dokumentationszentrum im Kontext mit anderen Gedenkorten in der Stadt und im Rahmen einer Gesamtkonzeption für die städtische „Gedenkkultur“. Aber auch für die anderen städtischen Museen gibt es Beschlüsse, um die Entwicklung dort vorantreiben zu können. Außerdem soll das Jean-Paul-Museum an einen authentischen Ort, nämlich sein Wohn- und Sterbehaus in der Friedrichstraße, verlegt werden. Bei vielen Projekten stehen wir noch ganz am Anfang, aber immerhin haben wir schon entsprechende Beschlüsse erreicht und jetzt muss man sehen, was davon umgesetzt werden kann.
Benedikt Stegmayer: Wir haben uns bei den Kultureinrichtungen sofort entsprechendes Feedback geholt. Wie stark sind sie betroffen, welche finanziellen Auswirkungen hat Covid-19 und momentan sieht es so aus, als sei die institutionalisierte Kulturszene vergleichsweise gut aufgestellt, um einen kurzzeitigen Ausfall zu verkraften. Aber für die freien Künstler und die kleineren Kulturakteure ist es, wie überall, einfach furchtbar.
Benedikt Stegmayer: Für die Kulturschaffenden können wir, anders als der Freistaat Bayern, leider keine konkreten Hilfen leisten. Wir versuchen aber, beispielsweise auch über Engagements bei „Bayreuth Summertime“, den kleineren, freien Akteuren zu helfen.
Benedikt Stegmayer: Seit November 2019 gibt es einen „runden Tisch Kultur“ in Bayreuth, wo wir jährlich alle Kulturschaffenden anschreiben und einladen und diskutieren die großen Themen dann in kleineren Gruppen weiter. Derzeit sind diese Treffen leider ausgesetzt, aber im Herbst soll es weitergehen. Das soll den Austausch mit den Stakeholdern im Kulturbereich und den Austausch mit der freien Szene sichern. Ich halte das für sehr gewinnbringend.