Eine Stadt rollt der bayerischen Theaterszene den roten Teppich aus. Vom 29. Mai bis 16. Juni 2024 finden in Ingolstadt die 39. Bayerischen Theatertage (BTT) statt. Viermal hatte die Stadt an der Donau das Festival bereits ausgerichtet, Erfahrungen sammeln können. Eine Premiere ist sie aber für Intendant Knut Weber, für den die laufenden Spielzeit die letzte als Intendant sein wird, und seinen Kollegen Georg Kistner, der als Projektleiter die organisatorischen Fäden in der Hand hält. Beide kennen die BTT natürlich, selbst durchgeführt hatten sie sie noch nicht. Theater- und Festivalerfahrung haben beide allerdings schon und gehen mit großer Begeisterung ans Werk. „Für eine Stadt“, so der Intendant des Ingolstädter Theaters, „bedeutet das eine kulturelle Aufwertung, rückt sie in den Blick.“ Die ganze Bandbreite der bayerischen Theaterszene soll im Rahmen der Bayerischen Theatertage, die 1983 von August Everding und Ernst Seiltgen gegründet wurden, gespiegelt werden.
„Die Stadt“, so Weber, „bekommt das Festival von den Theaterschaffenden quasi geschenkt.“ Kosten fallen für die Stadt nicht an. Finanziert wird das Festival unter anderem vom Deutschen Bühnenverein, dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie verschiedenen Sponsoren. Auch das zeige, so Weber, den hohen Stellenwert des Theater-Festivals.
Immer wieder betonen Knut Weber und Georg Kistner, welche Bedeutung Kultur und Theater im Allgemeinen für eine Gesellschaft haben. Ebenso sei es wichtig, „Theater als Beitrag zur demokratischen Kultur“ zu sehen, ergänzt Knut Weber. Theaterpädagogik und Schule käme hier eine besondere Bedeutung zu, diese Grundlagen auch zu vermitteln. Je früher Kinder und Jugendliche mit Theater in Berührung kämen, desto besser sei das.
Die Vorbereitungen zur 39. Auflage des Theaterfestivals laufen auf Hochtouren. „Schon seit gut einem Jahr“, so der Projektleiter, „sind wir dran, die Theatertage vorzubereiten.“ Da stecke viel Planung dahinter, beschreibt er die Herausforderung, Terminplanung und Logistik sind anzupassen. Natürlich müssten die ausgewählten Theaterproduktionen, die unter ganz anderen Voraussetzungen in den jeweiligen Häusern inszeniert worden sind, für die Bühnen bereit gemacht werden. 27 Produktionen aus ganz Bayern wurden gesichtet, ausgewählt und nach Ingolstadt eingeladen, dazu kommt mit „Haus der Ruhe 1-3“ (The Restless House) als Eigenproduktion des Theaters Ingolstadt eine deutschsprachige Erstaufführung. Jochen Schölch inszeniert die Trilogie von Zinnie Harris nach der Orestie von Aischylos für die Gastgeber. Weiter sind unter anderem etwa das Staatstheater Augsburg, das Metropoltheater München, das Landestheater aus Coburg, die Theater Regensburg, Hof und Kempten, sowie das Bamberger ETA Hoffmann Theater, Gastgeber der 38. Bayerischen Theatertage, mit ihren Stücken geladen. Ein Motto geben die Theatertage nicht vor, allerdings setzen sich mehrere Stücke mit dem Thema Nationalsozialismus auseinander. Augsburg sei etwa mit „Das Tagebuch der Anne Frank“ vertreten, Regensburg mit Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ oder auch das Teamtheater Tankstelle München mit seiner Produktion „Verbrennt mich! – Das bewegte Leben des Oskar Maria Graf“. Eine spannende Inszenierung bringt das Münchner Volkstheater mit „europa flieht nach europa“, einem dramatischen Gedicht in mehreren Tableaus von Miru Miroslava Svolikova. Das Bühnen-Hörspiel „Plötzlich tief im Wald, nach der gleichnamigen Erzählung von Amos Oz, bringt das Nürnberger Theater Mummpitz, unter der Regie von Sabine Zieser, mit nach Ingolstadt.“ Die Uraufführung findet am 12. Juni im Kleinen Haus statt. Die genannten Produktionen zeigen nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtprogramms.
Erstmals nehmen auch freie Theaterschaffende einen großen Platz ein. Projektleiter Kistner ist begeistert von der großen Vielfalt der eingeladenen Inszenierungen. Klassiker sind dabei, etwa William Shakespeares „Was ihr wollt“ in der Fassung des Landestheaters Coburg, Musiktheater, wie etwa das musikalische Theaterspektakel „Ruhm & Ruin“ mit dem Dehnberger Hoftheater, aber auch zeitgenössische neue Formate. Daneben bieten die Veranstalter ein reichhaltiges Rahmenprogramm an. „Da dürfte für jeden was dabei sein“, ist Weber überzeugt.
Über viele Monate war die Theatertage-Jury unterwegs, um die knapp 70 vorgeschlagenen Produktionen zu sichten und die ansprechendsten auszuwählen. Die große Frage: Was muss ein Stück haben, dass es zu diesem größten Theaterfestival in Bayern eingeladen werden könnte? „Nicht das Stück selbst“, so Intendant Knut Weber, „ist der entscheidende Punkt. Entscheidend sind die künstlerisch schauspielerische Leistung, ebenso ein außergewöhnlicher Regieansatz.“ Interessant und spannend, so Kistner, müsse eine Produktion sein, aus einem Guss. „Was macht die Regie aus der Vorlage“, ergänzt er, „das ist entscheidend.“ Sehr freut er sich, dass in diesem Jahr, neben den größeren Bühnen auch die freie Theaterszene stark vertreten ist. Kistner hebt immer wieder den besonderen Stellenwert des Theaterfestivals hervor. „Das müssen wir“, betont er, „auch nach Außen tragen.“ Schon allein die Teilnahme an den Theatertagen, ergänzt er, sei für die ausgewählten Produktionen eine Auszeichnung. Das Festival zeigt ein Best-of der bayerischen Theaterlandschaft.
Auch ein Publikumspreis soll an das Regieteam der besten Inszenierung vergeben werden. Das Interesse nach einem Aufruf in den Medien, sich für die Publikumsjury zu melden, so Weber, sei im Vorfeld erfreulich groß gewesen, das Gremium sehr vielfältig besetzt.
Ein Festival sei immer etwas Besonderes. So etwas vorzubereiten, ist für Kistner eine Herzensangelegenheit. Erfahrung aus früheren Projekten, betont er, kämen ihm dabei zugute.
Knut Weber findet es auch toll, bei einem solchen Festival neue Stücke und Theater kennenzulernen. Nur die Jury-Mitglieder kennen einzelne Stücke schon. Wichtig ist ihm auch der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. „Theater ermöglicht Begegnungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen“, sagt er, „bringt Menschen zusammen und in Dialog miteinander.“ Auch biete es eine gute Plattform, aktuelle Themen zu diskutieren.
Besonders freut sich Weber auch auf ein Projekt, das Dramaturgie-Studierende der Münchner Theaterakademie August Everding und des Studienganges Szenisches Schreiben der Universität der Künste Berlin gemeinsam vorbereiten. „Volksstück 2.0“ heißt es und wird, im Rahmen der Theatertage am 5. Juni im Foyer des Theaters uraufgeführt. Gesellschaftliche Fragen, die Geschichte Ingolstadts, mit den Facetten Universität, Militär, Arbeit und Dienstleistung, sowie die dramatische Arbeit von Marieluise Fleißer werden bei diesem Projekt jenseits klassischer Theaterformate eine Rolle spielen.
Erstmals soll, auf Bestreben von Knut Weber, die sonst meist im Hintergrund laufende Vergabe von Stipendien an Studierende verschiedener Hochschulen durch den Deutschen Bühnenverein öffentlich stattfinden. Dies, so der Intendant, sei gleichzeitig eine Möglichkeit, die wichtige Arbeit dieses Interessenverbandes von Theatern und Orchestern, in Bezug auf die Nachwuchsförderung vorzustellen. Dankbar ist Weber auch für die Unterstützung durch Medienpartner wie dem Donau Kurier, Schanzer TV oder auch dem Bayerischen Rundfunk.
Knut Weber und Georg Kistner möchten das Theatererlebnis auch in die Stadt bringen, die Neugier wecken und so Menschen in das Theater zu lotsen. Theater soll daher während der Theatertage auch im öffentlichen Raum stattfinden. Etwa mit einem ganz besonderen Theaterformat: „Die Stelzer – Theater auf Stelzen“ nennt sich das Ensemble aus Landsberg am Lech. Theater, das ohne klassische Bühne auskommt. Weber hatte sie, wie er erzählt, zufällig in Venedig entdeckt und nach Ingolstadt eingeladen. Den Stadtraum „theatrisieren“, umschreibt es Weber.
Neben dem umfangreichen Angebot an den unterschiedlichen Theaterproduktionen, bieten die 39. Bayerischen Theatertage auch ein vielfältiges Begleitprogramm. Geplant sind unter anderem Publikumsgespräche zu einzelnen Stücken, Musikangebote oder auch diverse Fach-Arbeitskreise, etwa für Dramaturgen oder auch zum Thema Öffentlichkeitsarbeit. Diese, so Weber, seien allerdings nicht öffentlich, sondern zunächst für die Vertreter der Theater vorgesehen. Der fachliche Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen ist ihm dabei sehr wichtig. „Theater müssen mehr miteinander kooperieren“, sagt der Intendant. Neben dem Erfahrungsaustausch, könne man da auch an einen gemeinsamen Fundus oder auch den Austausch technischer Mittel denken. Sicher nicht ganz einfach zu handhaben, aber für Weber ist die Vernetzung der Bühnen ein spannender und wichtiger Ansatz. In diesem Kontext beschäftigt die Theaterspezialisten auch das Thema Nachhaltigkeit. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, so Kistner, könnten, sofern möglich etwa mit der Bahn anreisen. Für den Transport technischer Anlagen oder Kulissenteile, ergänzt er noch, sei das natürlich nicht geeignet.
Als besondere Herausforderung bezeichnet Kistner die Umsetzung der eingeladenen Inszenierungen auf die Ingolstädter Bühnen. „Die Stücke wurden nach ganz anderen Vorgaben, etwa anderen räumlichen oder technischen Möglichkeiten produziert“, so der Projektleiter, „wir müssen den Ensembles helfen, diese möglichst original mit unseren Gegebenheiten vorstellen zu können, gegebenenfalls neu einzurichten, ohne aber das Stück zu verändern.“
Bis zum Start am 29. Mai gibt es noch viel zu tun, damit alle Produktionen stehen und sich alle Gäste in Ingolstadt gut aufgehoben fühlen. „Wir möchten“, so Weber und Kistner übereinstimmend, „als gute Gastgeber alle willkommen heißen, freuen uns auf tolle Theatererlebnisse und ausgiebige Gespräche und Begegnungen.“
Informationen zu den Stücken, allen weiteren Angebote sowie alle Termine und Spielorte, gibt es unter www.bayerische-theatertage.de.