Die Theatersaison 2016/17 neigt sich ihrem Ende zu, doch den fränkischen Theatern geht im Juni/Juli noch lange nicht die Puste aus, wie unsere Übersicht zeigen wird. Allein im Juni stehen noch über 20 Premieren an, und selbst der Juli ist noch recht theatergeschwängert.
Schauspiel/Sprechtheater
Das Theater Ansbach verabschiedet sich mit einem französischen Schauspiel aus der Saison und hat für dessen Premierentermin zielgenau – oder zufällig? – den französischen Nationalfeiertag ausgewählt. Ab 14. Juli also wird Edmond Rostands Klassiker „Cyrano de Bergerac“ auf dem Programm stehen, im Titel allerdings gekürzt auf „Cyrano“, denn das Stück wird in einer niederländischen Bearbeitung von Jo Roets und Greet Vissers geboten. Drei Schauspieler verkörpern darin alle Rollen des Dramas um das unerkannte und ungeliebte Genie. Die Regie führt Louis Villinger, gespielt wird dieses „Sommertheater“ im Citrushaus des Hofgartens.
Nach der letzten Premiere des Bamberger ETA-Hoffmann-Theaters im Mai (mit Tena Stivicics „Drei Winter“) steht der Juni ganz im Zeichen der Vorbereitung auf die Calderón-Spiele. Heuer ist der Höhepunkt der Commedia dell’Arte schlechthin dran, Carlo Goldonis unsterbliche Komödie „Der Diener zweier Herren“. Man darf gespannt darauf sein, wie der listige Truffaldino seine Raffinesse und seine Intrigen im Ambiente der Alten Hofhaltung zur Geltung wird bringen können. Schon jetzt ist aber garantiert, dass die turbulente Geschichte unter freiem Himmel ihren ganzen venezianischen Charme entfalten wird. Die Premiere ist am 1. Juli, die Regie führt Susi Weber.
Die äußerst erfolgreiche Zeit der Intendanz Bodo Busses am Landestheater Coburg geht mit einer kapitalen Schauspielpremiere zu Ende. Friedrich Schillers Dramen-Trilogie „Wallenstein“ wird ab dem 24. Juni auf dem Programm stehen, und für diesen Abend wird man sich ein wenig Zeit nehmen müssen. Die Coburger verstehen diese Stückwahl als Beitrag zum Lutherjahr, denn was bei Schiller verhandelt wird, folgte ja zwangsläufig aus dem Wirken des Reformators. Die Inszenierung liegt in den Händen von Thorsten Schilling. Zwei Wochen zuvor lüftet sich der Schleier über den Ideen, die dem Regisseur Matthias Straub und der Choreographin Tara Yipp zum Thema „1984“ eingefallen sind, will heißen zu George Orwells berühmtem Roman. Am 10. Juni ist insofern ein Schauspiel mit Ballett zu erwarten, Aufführungsort ist die Reithalle.
Das Theater Erlangen wartet am 22. Juni mit seiner letzten Produktion der laufenden Spielzeit auf: „Angst essen Seele auf“ nach Rainer Werner Fassbinders berühmt gewordenem Film. Der galt 1974 als Tabubruch, denn er thematisierte eine Liebesgeschichte von zwei Menschen aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen. Das mag heute geläufiger geworden sein, doch ein Stückchen Utopie steckt immer noch in solchen Begegnungen. „Utopie“ lautet ja auch das Saisonmotto, weshalb sich Mitte Juli ein „Utopien-Fest“ anschließen und die Spielzeit endgültig ausklingen lassen wird.
Ausgerechnet zum Saisonende wuchtet das Stadttheater Fürth den Urknall des deutschen Schauspiels der Neuzeit auf seine wunderschöne Jugendstil-Bühne: Goethes „Faust“, Teil I. Das passt natürlich zum Saisonmotto „Was glaubst denn Du?“, denn dieses Drama ist ja ein Glaubens- und Zweifel-Klassiker par excellence. Die Herkunft dieser Inszenierung könnte originaler nicht sein, denn sie kommt als Gastspiel des Weimarer Nationaltheaters nach Fürth. Die Regie führt Hasko Weber, die Aufführungen sind am 29. und 30. Juni. Das Bürgerbühnen-Projekt der Werkstätten Schauspiel und Singen präsentiert ebenfalls ab 29. Juni unter dem Motto „Theater entdecken“ ein Stück, das zum Glaubensthema der Spielzeit passt: “Vater unser“. Hierin wird u.a. daran erinnert, dass die drei großen Buchreligionen einen gemeinsamen Vater haben, nämlich Abraham.
Die letzte Schauspielpremiere am Theater Hof gilt der Groteske „Mein Kampf“ von George Tabori, ein absurdes Stück aus dem Jahre 1987, in dem es um den frühen Hitler geht. Da schlägt der jüdische Witz gewagte Kapriolen, und der Übergang vom Lachen zum Weinen ist fließend. Premiere dieser Inszenierung mit Musik ist am 23. Juni, die Regie führt Sapir Heller, die musikalische Leitung obliegt Michael Falk.
Dicht gedrängt präsentiert das Staatstheater Nürnberg vom 8. bis 10. Juni gleich drei Schauspielpremieren. Es beginnt in der Bluebox mit der Uraufführung eines sehr aktuell klingenden Rechercheprojekts unter dem Titel „2023 – Atatürks Erben“, das eine vielschichtige Reise durch die Geschichte der Türkei anbietet. Anlass dafür ist der fiktive Plan für ein Fest, das die hundertjährige Wiederkehr der Gründung der türkischen Republik würdigen soll. Am 9. Juni folgt in den Kammerspielen mit Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ ein Klassiker, der aktueller denn je ist, denn das Wohlwollen im Umgang mit Salafisten erinnert doch sehr an die Blauäugigkeit des Herrn Biedermann im Umgang mit den – Benzin auf den Dachboden schleppenden – Brandstiftern. Anderntags folgt im Schauspielhaus als letzter Teil dieses Dreierpacks die Neuinszenierung von Friedrich Schillers romantischer Tragödie „Die Jungfrau von Orléans“ durch Peter Wittenberg.
Das Theater Selb kündigt für den 30. Juni den „Fränkischen Theatersommer“ an und übernimmt am 6. Juli George Taboris Groteske „Mein Kampf“ vom Theater Hof (siehe oben).
Musiktheater I: Oper
Am Landestheater Coburg geht es nach dem Kraftakt mit dem neuen „Parsifal“ noch einmal ans „Eingemachte“ des Opernrepertoires: Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ steht ab 3. Juni auf dem Programm. Und damit in dieser „Komischen Oper“ der Klang der Worte auch zu den Klangfarben der Musik passt, wird in der Originalsprache gesungen, also auf italienisch. Um die Inszenierung kümmert sich Susanne Lietzow, die musikalische Leitung hat Alexander Merzyn.
Das Stadttheater Fürth wird am 2. Juli die taufrische Neuinszenierung von Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ vom Landestheater Coburg übernehmen (siehe oben).
Dem „Macbeth“ Giuseppe Verdis gilt am Theater Hof die letzte Opernpremiere der Saison. Das Werk nach Shakespeares Theaterstück wird als spartenübergreifendes Projekt präsentiert, in das neben dem Musikdrama auch gesprochene Texte einfließen, unterstützt zudem von der Ballett-Compagnie des Hauses. Reinhardt Friese wird inszenieren, Tamás Mester choreographiert, und die musikalische Leitung hat Arn Goerke. Premiere ist am 17. Juni im Großen Haus.
Einen makaber klingenden Stoff nimmt sich das Staatstheater Nürnberg ab dem 24. Juni (Premiere) vor: Giuseppe Verdis frühe Oper aus dem Jahre 1846 mit dem Titel „Attila“, in dem es tatsächlich um den Schrecken erregenden Hunnenkönig geht, der seinerzeit als „Geißel Gottes“ galt. Verdi hat ihm recht menschliche Züge verliehen, aber das rettet ihn nicht vor den Meuchelmördern. Peter Konwitschny inszenierte das Werk in Wien als eine Mischung aus Tragödie und Parodie. Nürnberg übernimmt jetzt diese Inszenierung, die 2013 Furore gemacht hat.
Das Theater der Stadt Schweinfurt verabschiedet sich beim Opernrepertoire mit einem „Troubadour“ aus der Saison. Giuseppe Verdis „Dramma lirico“ wird vom 21. bis 25. Juni in einer Inszenierung des Anhaltinischen Theaters Dessau zu sehen sein. Dessen Orchester, die Anhaltinische Philharmonie, existiert übrigens seit 250 Jahren, feiert heuer also ein rundes Jubiläum. Gesungen wird bei dieser Produktion in italienischer Sprache, die Regie führt Rebekka Stanzel und die musikalische Leitung obliegt Wolfgang Kluge.
Mit einer Uraufführung wartet das Mainfrankentheater Würzburg zum Saisonende auf. „Unverhofftes Wiedersehen“ ist ein Auftragswerk, das auf einer berührenden Erzählung Johann Peter Hebels aus dem Jahre 1811 fußt. Es geht darin um ein Paar, dass sich kurz vor der Hochzeit ewige Treue schwört, jedoch auseinandergerissen wird durch das Verschwinden des Mannes, eines Bergarbeiters. Als dessen Leiche 50 Jahre später gefunden wird, erkennt ihn seine zur Greisin gewordene Verlobte und verabschiedet sich am Grab mit der Vorfreude auf ein baldiges Wiedersehen. Alois Bröder hat die poetische Sprache dieses Stückes in eine ebenso zupackende wie atmosphärisch-sinnliche Musik gekleidet. Markus Weckesser inszeniert, die Premiere ist am 24. Juni.
Musiktheater II: Operette und Musical
Am Stadttheater Fürth gastiert das Theater Chemnitz vom 5. bis 8. Juli mit seiner Version von Franz Lehárs „Der Graf von Luxemburg“. Ulrich Proschka hat diesen Welterfolg aus dem Jahre 1909 (nur kurz nach „Die lustige Witwe“ entstanden) neu inszeniert und wird uns seinen Blick auf das Pariser Bohème-Leben und dessen spezifische Ausschweifungen präsentieren.
Das Publikum des Meininger Theaters darf sich im Juni auf einen „Blockbuster“ des Musicalgenres freuen: Andrew Lloyd Webbers „Evita“ hat am 16. und 18. des Monats Premiere. Die Regie führt Kurt Josef Schildknecht, Andris Plucis choreographiert, und die musikalische Leitung obliegt Mario Hartmuth.
Am Staatstheater Nürnberg wird es zu Saisonende keine Musical- oder Operettenpremiere mehr geben, doch die nimmermüden Operettenliebhaber dürfen sich am 30. Juni auf die Wiederaufnahme von Frederick Loewes „My Fair Lady“ freuen. Die Nürnberger Nachrichten urteilten bei der Premiere in Superlativen und meinten lakonisch: „Des wor fei werkli ned schlechdd!“.
Ballett und Tanztheater
Keinen eigenständigen Ballettabend, aber ein „Schauspiel mit Ballett“ bietet das Landestheater Coburg ab dem 10. Juni an, wenn Tara Yipp Choreographien zu George Orwells Roman „1984“ präsentiert (s.o. unter Schauspiel).
Das Stadttheater Fürth freut sich, nach 2014 das italienische „Aterballetto“ wieder auf die Bühne bringen zu können. Vom 21. bis 25. Juni werden zwei Choreographien zu sehen sein: „Lego“ von Giuseppe Spota und „Antitesi“ von Andonis Foniadakia. „Aterballetto“ demonstriert in diesen beiden Choreographien, die 2015 in Italien Premiere hatten, den Tanz in seinen gesamten ästhetischen Möglichkeiten und fasziniert mit einer geradezu berstenden kinetischen Energie der sich bewegenden Körper.
„Tango!“ ist am Theater Hof der Ballettabend überschrieben, in dem ab dem 1. Juli Choreographien von Barbara Buser und dem Ensemble als Uraufführung zu erleben sind. Für diesen nach Papst Pius X. „sündhaften“ Tanz ist die „Habanera“ aus der Oper „Carmen“ mit ihrer sinnlichen Wirkung wohl das bekannteste Beispiel. Die Hofer werden sich zu diesem verführerischen Thema sicherlich einiges einfallen lassen und einen aufregenden Tanz- und Ballettabend zusammenstellen.
Goyo Monteros Ballettcompagnie am Staatstheater Nürnberg präsentiert gegen Saisonende noch eine Uraufführung: „Made for us II“ mit Choreographien von Jeroen Verbruggen und Jirí Bubenícek. Der Titel knüpft an das erste gleichnamige Projekt vor zwei Jahren an, als Jungchoreographen Tanzstücke präsentieren durften, die maßgeschneidert für die Nürnberger Compagnie sein mussten. Für die zweite Edition werden aufstrebende Choreographen aus Belgien und Tschechien eingeladen. Premiere ist am 23. Juni.
Das Theater der Stadt Schweinfurt lädt am 1. und 2. Juni die Compagnie „BalletBoyz London“ zur Präsentation ihres Programms „Life“ ein. Die Gruppe, 2001 von den Tänzern Michael Nunn und Billy Trevitt (damals Mitglieder des Royal Ballet) gegründet, avancierte schnell zu einer der angesagtesten Compagnien Englands und ist zum ersten Mal in Schweinfurt zu Gast. Das Ensemble besteht ausschließlich aus Männern und führt an den beiden Abenden Choreographien von Pontus Lidberg und Javier de Fruto auf.
Blick nach Thüringen
Unser Überblick über das Angebot der zu Franken relativ grenznah gelegenen Theaterorte wie Meiningen, Erfurt und Weimar fällt diesmal sehr kurz aus, und dies aus einem sehr einfachen Grund: Saisonende ist dort viel früher als in Bayern, weil die Sommerferien in Thüringen recht früh anfangen, nämlich bereits am 26. Juni. Mit Ausnahme von Meiningen (siehe oben unter Operette und Musical) gibt es keine Premieren neuer Stücke mehr. Über die letzten Inszenierungen im Monat Mai hatten wir bereits in ART. 5|III, Ausgabe 25 berichtet.