Metropolitan

Kultur im Hofer Land

„Drei fliegende Minuten“ im fränkischen Nordosten

veröffentlicht am 30.05.2016 | Lesezeit: ca. 7 Min.

„Ohne Lächeln kommt der Mensch, ohne Lächeln geht er. Drei fliegende Minuten lang war er froh.“

Diese weisen Worte des oberfränkischen Dichters und in Joditz beheimateten Schriftstellers Jean Paul eignen sich ganz wunderbar, um in den zweiten Teil der neuen Serie „Kultur in den Landkreisen“ einzusteigen. (Ein Dank geht an dieser Stelle an Nora Gomringer, über deren Film „Kurze Sätze“ wir überhaupt erst auf jenen schönen Aphorismus aufmerksam geworden sind.) Diese drei fliegenden Minuten sollte man auskosten – das geht natürlich überall auf der Welt, besonders gut aber im Hofer Land, das den Landkreis Hof und Hof als kreisfreie Stadt impliziert.

Unbedingt sehens- und vor allem hörenswert sind die weit über die Grenzen bekannten Hofer Symphoniker unter der Leitung des Ehrendirigenten Enoch zu Guttenberg, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1945 als Kultur- und Bildungsunternehmen begreifen und in jeder Spielzeit ein abwechslungsreiches Programm in petto haben. International bekannte Solisten wie Hilary Hahn oder Claudio Bohór­quez waren bei den Hofer Symphonikern zu Gast und sind immer gern gesehen. Das Orchester selbst trat auch schon im Gewandhaus Leipzig zur Eröffnung der Buchmesse auf, gastierte in der Alten Oper Frankfurt, ebenso im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin und bei den Thurn und Taxis Schlossfestspielen in Regensburg, die auch in diesem Jahr (am 17. Juli) wieder stattfinden. Und sogar Fernsehluft haben die Musiker schon geschnuppert – so zum Beispiel beim ZDF in der Sendung „Götz Alsmanns Nachtmusik“. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die orchestereigene Musikschule, die sich in den Bereichen Orchester und musische Jugend- und Erwachsenenbildung tatkräftig engagiert. Am kommenden Samstag, dem 4. Juni, kann man sich beim Tag der offenen Tür der Musikschule bei Interesse, ein Instrument zu erlernen, beraten lassen, welches von den zahlreich zur Auswahl stehenden Klangwerkzeugen zu einem passen könnte, und man darf einmal ausprobieren, wie es sich auf einer Harfe oder einem Akkordeon spielt. Allen, die lieber zuhören und das Musizieren gerne anderen überlassen, ist das 11. Symphoniekonzert am 8. Juli im Festsaal der Freiheitshalle Hof mit Werken von Einojuhani Rautavaara, Peteris Vasks und Jean Sibelius zu empfehlen.

Und wenn wir schon mal dabei sind, bleiben wir doch gleich auf der großen Bühne: Auch was Schauspiel und Theater angeht, kann sich die Stadt Hof mit den großen Häusern dieses Landes messen. Fast genauso lange wie die Hofer Symphoniker gehört auch das Theater Hof zu den festen Bestandteilen der regionalen Kulturlandschaft. In jeder Spielzeit werden hier circa 20 Produktionen (ur-)aufgeführt, erarbeitet von den Ensembles Schauspiel, Musiktheater und Ballett. Und auch junges Theater wird gemacht, das bedeutet Schauspiel von Kindern für Kinder. Speziell für Jugendliche wird in dieser Saison zum einen das Klassenzimmerstück ZIGEUNER-BOXER angeboten, und zum anderen DSCHIHAD ONE-WAY – eine dokumentarische Spurensuche eines deutschen IS-Kindersoldaten. Beides klingt beachtenswert.

Vom Theater ist der Bogen schnell zum Film gespannt. Kinos gibt es überall, die Hofer Filmtage hingegen nicht. Das Internationale Filmfestival hat schon viel von sich reden gemacht. Wir möchten uns dem allgemeinen, inflationären Gebrauch des Superlativs zwar nur ungern anschließen, aber wahrscheinlich stimmt es, wenn davon die Rede ist, dass die Hofer Filmtage nach den Berliner Filmfestivals zu den wichtigsten Filmfesten im deutschsprachigen Raum zählen. Denn hier tummeln sich die Regisseure und Schauspieler von morgen, etliche Neustars wurden hier bereits geboren, so zum Beispiel Regie-Ikonen wie Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder oder Jim Jarmusch, um nur mal ein paar zu nennen. Im Vordergrund steht der deutsche Film, dabei ausschließlich Filmpremieren, aber auch ausländische Erstlingswerke werden vereinzelt vorgestellt. Die Regisseure selbst sind dabei natürlich immer anwesend und stehen dem Publikum im Anschluss des Films Rede und Antwort. In diesem Jahr gibt es vom 25. bis 30. Oktober ein besonderes Jubiläum zu feiern, die Hofer Filmtage werden im Herbst 50. Aber verfrühte Gratulationen bringen ja bekanntlich Unglück. Da die Vorbereitungen zu den diesjährigen Filmtagen noch in vollem Gange sind, bleibt uns und Ihnen nur abzuwarten und sich schon vorab auf ein dem Anlass entsprechend gebührendes Programm zu freuen.

Und noch eine Besonderheit kommt dem Landstrich aufgrund seiner Lage und folgerichtig auch seiner Geschichte zu. Mitten durch den Ort Mödlareuth im Landkreis Hof verlief einst die ehemalige deutsch-deutsche Grenze. Auch wenn an die Zeit des Kalten Krieges heute zum Glück kaum mehr als das Grüne Band oder gelegentlich erhaltene Grenztürme erinnern, gab es sie, die Zeit der Teilung, und man war dem Nachbarland an kaum einem anderen Ort näher als hier. Das dokumentiert die heute als Museum fungierende Gedenkstätte Mödlareuth so anschaulich wie eindrücklich. In „Little Berlin“, wie das Dorf aufgrund seiner bewegten und zugleich kuriosen Geschichte gerne genannt wurde, kann man in die jüngste Geschichte unseres Landes eintauchen und erahnt im Stillen, was es bedeutet haben muss, in einem geteilten Ort gelebt zu haben. Die Berührungspunkte und zugleich Entfernungen zwischen West und Ost waren sicher nirgends so intensiv spürbar wie in Mödlareuth. Nirgends war der Vorhang eiserner.

Ein weiteres Museum, das durchaus den ein oder anderen Besuch wert ist, ist das Museum Bayerisches Vogtland in Hof. Dieses erfüllt ausdrücklich nicht nur die Funktionen eines Heimatmuseums. Neben der Dauerausstellung gibt es immer auch neue Sonderausstellungen zu besichtigen, derzeit vom 27. April bis 4. September läuft die interessante Ausstellung „Die Reichskanzler der Republik. Zwölf Lebensläufe in Bildern.“ Dass zwischen der Eröffnung der Nationalversammlung in Weimar im Februar 1919 und der Machtergreifung Hitlers Ende Januar 1933 zwölf Kanzlerschaften gelegen haben, ist den meisten heute wohl nicht mehr bewusst. Das will die Ausstellung gerne ändern, denn die Lebensläufe von Kanzlern wie etwa Philipp Scheidemann, Gustav Stresemann oder Hans von Papen spiegeln die Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte eindrücklich wider. Die 2012 neu eingerichtete Abteilung zur Geschichte der Flüchtlinge und Vertriebenen in Hof und Umgebung nimmt darüber hinaus einen weiteren Teil unserer Geschichte unter die Lupe, der sonst weitestgehend unbeachtet bleibt.

Abschließen wollen wir diesen Artikel so, wie wir ihn begonnen haben – mit Jean Paul. Wenn Sie schon mal in der Gegend sind, ist es lohnenswert, mal in Joditz im kleinen Jean Paul-Museum der Familie Schmidt vorbeizuschauen. Nach Vereinbarung stehen die Türen offen und man erfährt anhand unzähliger, liebevoll zusammengetragener Ausstellungsstücke allerlei interessantes, witziges und natürlich neues über den berühmtberüchtigten, kauzigen Schriftsteller, der seinerzeit sogar Goethe (man mag es kaum glauben) in den Schatten stellte. In Joditz verbrachte der Dichter den Großteil seiner Kindheit, die er rückblickend als die schönste Zeit seines Lebens bezeichnete, auch wenn er seine Heimat widersprüchlich als „geistige Saharawüste“ beschrieb. Das kann man, gemessen an der heutigen kulturellen Vielfalt im Landkreis, auf keinen Fall so stehen lassen. Aber auch ein Jean Paul kann sich ja mal irren.

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