Wer nach Coburg fährt, dem wird eines nicht entgehen: architektur- und kulturgeschichtlich ist hier einiges los – mehr als man vielleicht vermuten würde. Klar, von der Veste Coburg hat man auch im fernen Bamberg und Nürnberg schon mal etwas gehört, davon ist jedenfalls auszugehen, aber dass die Stadt Coburg über eines der größten zusammenhängenden und besterhaltenen neogotischen Gebäudeensembles Europas verfügt und den Vergleich mit Großbritannien nicht zu scheuen braucht, davon weiß jenseits des Landkreises kaum jemand. Deswegen hier gleich unser erster Tipp: Schlendern Sie doch mal bei sonnigem Winterwetter durch die Coburger Innenstadt entlang des zwei Kilometer langen Promenadenrings, der gleichzeitig den ehemaligen Verlauf der Stadtmauer markiert. Sie werden nicht schlecht staunen!
Am Rande Rödentals, unweit von Coburg, versteckt sich ein weiteres neogotisches Kleinod: das Schloss Rosenau. Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha ließ die einstige Burganlage von 1806 bis ca. 1817 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel zu einem Sommerwohnsitz im neogotischen Stil umbauen und den überwiegend verwilderten Park als englischen Garten neu anlegen. Den Namen erhielt das Schloss bereits im 15. Jahrhundert von den Edelherren von Rosenau, ein südthüringisches Adelsgeschlecht, das allerdings im 18. Jahrhundert endgültig verlorenging. Das Schloss Rosenau gilt als eines der ersten architektonischen Beispiele Deutschlands, die das Mittelalter idealisierten und wiederaufleben ließen. Ein Turm mit Zinnenkranz, Maßwerkornamentik und Spitzbogenarchitektur stehen als Paradebeispiel für den romantischen Historismus in Bayern. Schloss Rosenau beherbergte zahlreiche Berühmtheiten. Besonders wohl fühlten sich hier die britische Königin Viktoria, Ehegattin von Prinz Albert (aus der Linie der Coburger Herzöge) und deren Schwiegertochter Maria Alexandrowna, eine Tochter des Zaren Alexander II. von Russland. Wer Schloss Rosenau heute besucht, sollte sich nicht nur die repräsentativen Räume des Hauptgebäudes anschauen, sondern bei einem Spaziergang durch den Park das Gesamtensemble mit Orangerie, Turniersäule, Teehaus und Eremitage erkunden. Im Sommer finden im Marmorsaal regelmäßig Konzerte sowie auf den Wiesen vor dem Schloss ein Mittelalterfest statt.
Ein weiterer Sommerwohnsitz der Coburger Herzöge ist Schloss Callenberg. Ebenfalls historistisch überformt, beherbergt es heute die Sammlung herzoglicher Kunstbesitz und das Museum des Deutschen Schützenverbandes.
Die Veste Coburg hingegen ist zwar nichts unerhört Neues, trotzdem gehört sie zum Pflichtprogramm, wenn man der Region und der Coburger Herzogsgeschichte näherkommen möchte. Man kommt auch gar nicht an ihr vorbei, weil sie sich als Besuchermagnet und Wahrzeichen 160 Meter hoch über die Stadt Coburg erhebt. Die Burganlage, die bereits im Hochmittelalter erstmalig als Kloster erwähnt wurde, mauserte sich im Laufe der Jahrhunderte von der landesherrlichen Residenz der Kurfürsten von Sachsen zur Landesfestung, die bis ins 17. Jahrhundert hinein zunehmend an Bedeutung gewann und 1614 im Stile der französischen Festungsanlagen mit Bastionen versehen wurde. Das gut erhaltene Burgensemble zeugt von einer umfangreichen Bau- und Herrschergeschichte, die im Fürstenbau, im Jagdintarsienzimmer, im Lutherzimmer und in der großen Hofstube dokumentiert ist. Dem Besucher offenbaren sich dabei die Ausstattungsphasen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Für einen Ausflug auf die Veste sollte man sich genügend Zeit nehmen und mindestens einen Nachmittag einplanen, denn neben der Aussicht, die man vor hier oben genießen kann und den vielen historischen Räumlichkeiten, gibt es in der Burg auch zahlreiche Ausstellungen zu bestaunen. Da wäre zum Beispiel ein Teil des Gemälde- und Skulpturenbestandes der Sammlung Georg Schäfer, die in den Räumen der Festung präsentiert wird. Darunter befinden sich 27 Werke von Lucas Cranach d. Ä. und Lucas Cranach d. J. sowie der prunkvolle Einbanddeckel des Gandersheimer Evangeliars aus dem 9. Jahrhundert, der in minutiöser Feinstarbeit aus Elfenbein gefertigt wurde. Ebenfalls auf der Veste befindet sich eine beachtliche Sammlung an Militär- und Jagdwaffen. Besonders umfangreich ist hierbei die Jagdwaffensammlung, die den zeitlichen Rahmen vom 16. bis in die zweite Hälft des 17. Jahrhundert abdeckt. Nicht nur der Kenner, sondern auch der Laie wird von den überwiegend kunstvoll verzierten Harnischen, Degen und Repetiergewehren verblüfft sein. Eine weitere umfangreiche Sammlung, die Glas und Kunsthandwerk umfasst, ist derzeit wegen Umbaumaßnamen geschlossen und wird erst wieder im Frühjahr 2018 zu besichtigen sein. Stattdessen kann man sich aber im Studiensaal ausgewählte Stücke aus dem 220.000 Blatt umfassenden Kupferstichkabinett vorlegen lassen. Wie wäre es zum Beispiel mit Giovanni Battista Piranesis Radierung „Das rauchende Feuer“? Oder man beschäftigt sich mit Martin Luther, der von Mitte April bis Anfang Oktober 1530 auf der Veste Coburg verweilte und in den zwei Räumen gegenüber der Großen Hofstube an seiner Glaubenslehre feilte. Im diesjährigen Lutherjahr bietet sich ein Besuch auf der Veste geradewegs an.
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Ernstplatz 1-3 in Coburg, Foto © Störfix
Schloss Rosenau bei Rödental im Landkreis Coburg, Foto © Störfix