Benjamin Houlihans Arbeiten sind geprägt durch ein kluges Spiel mit den traditionellen Kategorisierungen der Kunst. Seine Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen verweigern sich der Begrenzung eines Mediums und verwischen die klassischen Gattungsgrenzen. Vieles stellt sich als intermedialer Pakt dar: Malerei ist keine Kunst der Fläche, sondern sie wächst volumenhaft in den Ausstellungsraum. Zeichnung entwickelt eine skulpturale Dimension oder wird mit einer bildhauerischen Fragestellung verhandelt. Denn Skulptur ist bei Benjamin Houlihan nicht zwingend Masse, sondern kann auch als filigrane Zeichnung im Raum erscheinen. So nimmt der Künstler in einer aktuellen Werkserie vertrauten Gegenständen – einer Schrankwand, einer Kaminuhr, einem Küchenstuhl oder auch einem Fenster – ihr Volumen. In aufwendiger Handarbeit werden die Möbelstücke und Alltagsobjekte so lange abgeschliffen, bis sie zur zarten Lineatur geworden sind. Ein Konzertflügel (skinny grand piano, 2015) steht nun – jeglicher statischen Logik widersprechend – auf nur noch Millimeter starken Beinen, die den Korpus scheinbar kaum mehr tragen können. Die Stütze des Hinterdeckels biegt sich gefährlich durch und lässt befürchten, dass sie bereits im nächsten Augenblick den aussichtslosen Kampf verliert. Gänzlich hat sich der volumenhafte Körper des Konzertflügels von seiner funktionsgebundenen Existenz emanzipiert und ist zu einer entkörperten Oberfläche mit neuen Eigenschaften geworden. Fast als hätte sich eine Schlange gehäutet und die leere Hülle im Ausstellungsraum zurückgelassen.
In vielen seiner Werke spürt Benjamin Houlihan das Ungewöhnliche im Alltäglichen auf. Unscheinbare Fundstücke, die auch wir täglich in die Hand nehmen, ohne ihnen weitere Beachtung zu schenken, unterzieht er einem künstlerischen Übersetzungsprozess. Die vermeintlich belanglosen Objekte wachsen zu übermenschlicher Größe an und werden zu Skulpturen mit physischer Präsenz und Autonomie. Zugleich scheinen diese Arbeiten – wie zum Beispiel „seine frau weiter hinten“ (2005) oder „Die Fremde“ (2017) – eine narrative Dimension und eine Art Persönlichkeit zu entwickeln. Die Skulpturen bewegen sich zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit: Diffus erinnern sie auch nach ihrer Metamorphose noch an die vertrauten Alltagsgegenstände, auf denen ihre Form basiert. Zugleich bleiben sie jedoch unerklärlich und sind nie konkret zu benennen. Dieser Irritationsmoment resultiert wohl auch aus dem Unvermögen des Betrachters, seine Körpergröße in ein Verhältnis zu der nun absurden Dimension des Objekts zu setzen. Unweigerlich fühlt er sich wie Gulliver unter den Riesen.
Zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit und zugleich zwischen Komposition und Zufall bewegt sich auch die Bodeninstallation „Mister E“ aus dem Jahr 2014. Auch ihre Formgebung hat ihren Ursprung im Alltag: Ein Hund hatte im Atelier herumliegende Verpackungs- und Arbeitsmaterialien angekaut, zerbissen und zerfetzt. Die daraus resultierenden deformierten Fragmente, skulpturale Formen, die ebenso absichtslos wie zufällig entstanden waren, dienten Benjamin Houlihan als Vorlage für blassgelbe Objekte aus Polyester und Lack. Wie zersprengte Trümmer liegen diese nun auf dem Boden des Ausstellungsraums und werden zu einem Hindernisparcours für den Besucher.
Immer wieder konterkariert Benjamin Houlihan unsere Sehgewohnheiten und Wahrnehmungsmuster. Auch durch seine Eingriffe in den Raum, die er im Kontext seiner Ausstellung Salad Days in der Kunsthalle Nürnberg vorgenommen hat, verschieben sich architektonische Gesetzmäßigkeiten und menschliche Erfahrungswerte. So scheinen ganze Ausstellungsräume aus dem Lot zu geraten oder durch ein Bad aus matrizenblauer Farbe gezogen worden zu sein.
Ausstellungsbegleitend ist der umfassende Katalog „Benjamin Houlihan. Salad Days“ erschienen, der Texte von Friedrich Wolfram Heubach, Gregor Jansen und Thomas Niemeyer sowie zahlreiche Werkabbildungen enthält.
Fotocredits:
Benjamin Houlihan, „skinny grand piano“, 2015, Flügel geschliffen/grand piano, grinded, 173 x 152 x 189 cm, Ausstellungsansicht/exhibition view Städtische Galerie Nordhorn, Foto/photo: Hye-Mi Kim, Courtesy Thomas Rehbein Galerie, Köln/Cologne
Benjamin Houlihan , „O.T. (MISS ME)“, 2012, Epoxidharz, Quarzsand, Maße variabel/epoxy resin, quartz sand, dimensions variable; Ausstellungsansicht /exhibition view MISS ME dh artworks, 2012; Foto/photo: Hye-Mi Kim; Courtesy: the artist and dh artworks