Nach einer langen Durststrecke haben die Ausstellungshäuser des KunstKulturQuartiers Anfang Juni wieder ihre Türen für das Publikum öffnen dürfen. Die Kunsthalle Nürnberg und die Kunstvilla präsentieren sich mit neuen Ausstellungen sowie einer neu gestalteten Sammlungspräsentation. Das Künstlerhaus wird in Zukunft auch im Glasbau neue Wege gehen und sich für einen breiten Austausch über Gegenwartskunst und -kultur öffnen:
So könnte es gewesen sein …
Die Kunsthalle Nürnberg zeigt noch bis zum 12. September die fotografischen Bildreihen der seit 2000 entstehenden Exposures von Barbara Probst, die Straßenszenen, Stillleben, Akt- und Modeaufnahmen umfassen. Alle Werke verbindet ihr spezifischer Entstehungsprozess: Die Bildreihen der in New York lebenden Fotografin negieren die „einäugige“ Sichtweise der Kamera. Die aus bis zu 14 Einzelaufnahmen bestehenden Bildreihen, erfassen einen Augenblick simultan aus verschiedenen Kamerapositionen, die durch einen über Funkwellen gesteuerten Auslösemechanismus verbunden sind. So ergeben sich multiperspektivische Sichtweisen auf eine Situation, die durch die Gleichzeitigkeit der Bildentstehung verwoben sind. Damit konterkarieren die Exposures grundlegende Wahrnehmungsparameter: Eine Situation kann der Mensch nur von einem Standpunkt aus erfassen, da er niemals an mehreren Orten zugleich sein kann. Verschiedene Blickwinkel kann er hingegen nur in unterschiedlichen Augenblicken einnehmen.
Fotografische Dokumente besitzen eine hohe Glaubwürdigkeit, und wir unterstellen ihnen häufig, die Realität abzubilden. Durch die Multiperspektivität der Werke von Barbara Probst wird jedoch offenkundig, dass die Fotografie nie die Realität abbildet, sondern lediglich eine von unendlich vielen Sichtweisen auf diese. Die Exposures zeigen: Auch im exakt gleichen Moment kann die Welt anders aussehen und eine Situation eine andere Deutung erfahren, wenn wir nur unseren Standort verändern. Diese Erkenntnis provoziert eine generelle Hinterfragung unseres Realitätsbegriffs. Denn wie können wir unsere Auffassung verallgemeinern, wenn derselbe Augenblick so unterschiedlich wahrgenommen werden kann?
Die Kunstvilla im Zeichen des Paragone
Die Kunstvilla nahm die mehrmonatige Schließung zum Anlass, nicht nur die große Retrospektive Wilhelm Uhlig – Die gute Figur (bis 3. Oktober) vorzubereiten, sondern auch die Dauerausstellung neu einzurichten. Während der Jubiläumsraum an den Bildhauer Leo Smigay (1900 – 1970) erinnert, wird über zwei Etagen erstmals ein größerer Bestand an figurativen Plastiken und Skulpturen im Dialog mit Grafiken und Gemälden präsentiert. Im Paragone, dem Wettstreit der Künste, zeigt sich wie Skulptur und Malerei um dieselben Themen kreisen.
Für die Präsentation Wilhelm Uhlig – Die gute Figur wurde nicht nur der Sonderausstellung-bereich, sondern auch der Außenraum der Kunstvilla mit Großplastiken bestückt. Wilhelm Uhlig, geboren 1930 in Guttenberg, ist einer der bekanntesten Bildhauer seiner Generation. Er studierte von 1951 bis 1959 an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und lehrte von 1972 bis 1993 dort selbst als Professor für Bildhauerei. In Uhligs Schaffen nehmen teilweise als Torsi ausgebildete Aktfiguren und oft im Auftrag entstandene Porträtplastiken eine besondere Rolle ein. Die Retrospektive stellt Wilhelm Uhlig in die Tradition der figurativen Plastik und betont sein Ringen um eine „gute Figur“ in der Präsentation von Motivvarianten in den Materialien Gips, Terrakotta und Bronze. Daneben ist eine große Anzahl von Bildhauerzeichnungen zu sehen, die für Uhlig unabdingbar sind, um sich seinen Modellen plastisch anzunähern.
Frischer Wind im neuen K.IOSK93
Ein Raum öffnet sich: Die Freifläche im Erdgeschoss des Glasbaus wird nach der derzeitigen Sanierung des Künstlerhauses K.IOSK93 heißen. Weiterhin findet hier die Kulturinformation mit Ticketing und Updates rund um das städtische Kulturangebot ihre Heimat. Auch wird es einen neuen Shop geben, der Artikel rund um das Kulturgeschehen im KunstKulturQuartier anbietet. Der neue K.IOSK93 soll aber zugleich zu einem Ort werden, der für die Menschen zum Treffpunkt „im Quartier“ wird; ein Ort, an dem gekauft und konsumiert werden kann, der aber vor allem dazu dient, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, was gerade wichtig und angesagt ist und was in Nürnberg kulturell passiert.
Bereits seit März ist eine neue Ära für den Ausstellungsraum „Die Vitrine“ eingeläutet. Bei diesem Kooperationsprojekt mit Studierenden der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg werden junge, experimentelle Positionen gezeigt, deren Spektrum von Malerei, Installation bis hin zu Performances reichen kann.
Junge Kunst ist auch beim Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten präsent: 18 der insgesamt 68 Künstler:innen – und damit mehr als ein Viertel der für die Ausstellung im Kunsthaus ausgewählten – sind in den 1980er-Jahren oder später geboren. Der mit knapp 30.000 Euro dotierte Kunstpreis fördert eine breite Künstler:innenschaft aus der Region. Zu sehen ist die Ausstellung im Kunsthaus vom 22. Juli bis zum 5. September. Daran angeschlossen präsentiert der Berufsverband bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Nürnberg Mittelfranken in einer Gruppenschau wieder drei Debütant:innen.