
Wer kennt ihn nicht, den grünbedressten Jungen aus dem klangvoll klingenden „Nimmerland“, der niemals erwachsen wird. Immer an seiner Seite: die goldlöckige Elfe Tinkerbell. Klar, die Rede ist von Peter Pan. Bei Disney hat er so manches Abenteuer erlebt, das es „in Wahrheit“ gar nicht gibt. Nicht mal auf dem Papier, jedenfalls nicht im Original. Wahrscheinlich fragt sich jetzt manch einer (zurecht): Ja, aus wessen Feder stammt die Geschichte um Peter Pan eigentlich? War es Disney selbst? Kaum. Google weiß es: der Autor dieser vieladaptierten Geschichte, um nicht zu sagen dieses glorreichen Stückes Weltliteratur, ist der schottische Schriftsteller und Journalist James Matthew
Barrie (1860-1937). Ziemlich bitter, dass man dafür das Internet bemühen muss.
Wenn schon der Autor selbst weitestgehend unbekannt ist, ganz besonders in Deutschland, auch, weil es schlichtweg an entsprechenden Übersetzungen mangelte, ist es auch sein restliches schriftstellerisches Werk. Leider. Davon angestachelt und um der Unterpräsenz dieses geistreichen Schriftstellers etwas entgegenzusetzen, nahm sich Autor und Übersetzer Michael Klein der Sache an und übersetzte zunächst Barries Roman „Little White Bird“ (erschienen im Gollenstein Verlag, 2010), der von den Kritikern bestens angenommen wurde. Im Juni 2017 erscheint im Morio Verlag nun eine von Michael Klein vorgenommene Auswahl fünfzehn, ebenfalls von ihm übersetzter Texte Barries, die als kleiner Einblick in das kreative Schaffen des lang verkannten Schriftstellers zu lesen und verstehen sind. Wir haben vorab schon einmal einen Blick ins Buch werfen dürfen. „Wie meine Mutter ihr sanftes Gesicht bekam“ sind Erzählungen zur Unterhaltung, die, wie damals üblich, in einschlägigen Zeitungen wie „The Bookman“ oder „National Observer“ abgedruckt wurden. Oberflächlich betrachtet erzählen alle Geschichten von amüsanten Bagatellen wie zum Beispiel davon, „Wie man einen Faltplan schließt“. Der Spaß, den Barrie beim Schreiben seiner Texte ganz offensichtlich hatte, überträgt sich beim Lesen ganz von selbst. Wer will, kann die Kurzgeschichten als das lesen, was sie leichthin zu sein scheinen – jedoch ist in jeder Geschichte auch eine zweite oder dritte Verständnisebene versteckt, die leise nebenher lebt und sich nur dem aufmerksamen Leser offenbart. Wenn man das einmal begriffen hat, machen seine Texte doppelt Spaß. Eine Wiederentdeckung, die sich lohnt!
James M. Barrie: Wie meine Mutter ihr sanftes Gesicht bekam (mit einem Nachwort von Michael Klein). Erzählungen, Morio Verlag, Deutsch, ca. 220 Seiten, € 19,95, ISBN 978-3-945424-45-2, ET: Juni 2017