Weihnachten naht und, ohne Stress verbreiten zu wollen, auch die Zeit der lästigen Geschenkkäufe. Glaubt man der allgegenwärtigen Panikmache in Schaufenstern und Werbespots, ist man damit Anfang Dezember sogar schon ziemlich spät dran. Als Kulturblatt sehen wir uns deshalb in der Pflicht, in schweren Zeiten wie diesen, wenigstens ein bisschen für Entschleunigung und Entspannung zu sorgen. In stundenlanger Feldrecherche haben wir uns gerne Ihren Kopf zerbrochen und präsentieren Ihnen in einem Lese- und Hörstoff-Spezial eine kleine Auswahl an weihnachtlichen Geschenken und Neuerscheinungen, die man getrost unter den Tannenbaum legen kann.
Weniger Bullerbü – dafür mehr Pub
(Mehr Whiskey für den Weihnachtsmann)
…das ist Weihnachten in Irland. John B. Keane wusste davon zu berichten. Seine irischen Weihnachtsgeschichten erzählen von zwei alten Zaunkönigsängern, die am „dritten“ Weihnachtsfeiertag mit Ziehharmonika und Bodhrán umherziehen, um sich ein paar Schilling dazuzuverdienen. Hätten sie nur vorher nicht ganz so tief ins Whiskeyglas geschaut. Oder aber sie erzählen vom knorzigen Zeitgenossen John J. Mulholland, dessen Großvater nach einer ungewöhnlichen Begegnung den Wandel vom Weihnachtsmuffel zur Frohnatur vollzog. Klingt ein bisschen wie die irische Version von Ebenezer
Scrooge – aber eben nur fast.
Wer könnte John B. Keans sympathisch-herbe Weihnachtsgeschichten besser vorlesen als Schauspieler Otto Sander. Mit seiner sonoren, immer ein wenig rauchigen Stimme beschert er dem geneigten Zuhörer der Lesung zum Buch „Mehr Whiskey für den Weihnachtsmann“ eine gute Stunde puren Hörgenuss.
John B. Keane: Mehr Whiskey für den Weihnachtsmann, Lesung mit Otto Sander, DAV/Radio Bremen, 9,99 Euro, ISBN: 978-3-86231-815-5
Ein Blick nach Skandinavien
(Weihnachten in Skandinavien)
Selbst wer längst aus dem Alter raus ist, an den Weihnachtsmann zu glauben, würde ihn doch im Falle seiner Existenz am Nordpol oder wenigstens irgendwo dort oben vermuten. Tatsächlich befindet sich das Hauptpostamt des weißbärtigen Rotkittelträgers am Polarkreis in Rovaniemi. Wieder was gelernt. Bevor der Weihnachtsmann in den Köpfen und Gedanken der Kinder Einzug hielt, wirbelten da Trolle umher. Jedenfalls in Skandinavien.
Das neu erschienene Hörbuch „Weihnachten in Skandinavien“ erzählt von Weihnachtswichteln in Schweden, Dänemark und Finnland. Und wussten Sie, dass man sich in Island vor den Weihnachtsburschen in Acht nehmen sollte? Neben zahlreichen Erzählungen von Selma Lagerlöf, Sven Nordqvist, Jo Tenfjord, Hans Christian Andersen u. a., wird jedes skandinavische Land mit einer kurzen Einführung in die landestypischen Weihnachtstraditionen bedacht. Gelesen von bekannten Stimmen wie Peter Kaempe, Dirk Bach oder Jens Wawrczeck vergehen über dreieinhalb Stunden Hörspielzeit schneller, als einem lieb ist.
Skandinavische Weihnachten, nach Erzählungen von Selma Lagerlöf, Sven Nordqvist, Hans Christian Andersen u. v. m, Oetinger Audio, 19,99 Euro, ISBN: 978-3-8373-0951-5, Für Kinder ab 5 Jahren und Erwachsene
Prager Weihnachtsaquarelle
(Der Weihnachtskarpfen)
Weihnachten in Prag stellt man sich toll vor. Das klingt nach uriger Behaglichkeit und Tradition. Nach winterlicher Altstadt und Weihnachtskarpfen. Diese Stimmung vor der Kulisse der Stadt scheint geradewegs dazu prädestiniert, eingefangen und in Bildern wiedergegeben zu werden. Das Kinderbuch „Der Weihnachtskarpfen“ des Mutter-Tochter-Gespanns Marit Törnqvist und Rita Törnqvist-Verschuur vermag genau das. In kunstvollen und rührend-liebevoll gestalteten Aquarellen erzählt das Buch die Geschichte vom kleinen Thomas, der den Heiligabend bei seinem Großvater in der tschechischen Hauptstadt verbringt. Mit dabei ist Karpfen Peppo, den Thomas ganz alleine auf dem Altstädter Ring ersteht, während Opa sich auf die Suche nach einem Weihnachtsbaum begibt.
Wer dieses Buch unter dem Christbaum findet, hält eine rührende Geschichte mit detailreichen, an Wimmelbilder erinnernde Illustrationen und Stadtansichten in den Händen. Und er darf einen kleinen Bücherschatz sein Eigen nennen.
Rita Törnqvist-Verschuur, Marit Törnqvist: Der Weihnachtskarpfen, Urachhaus, Deutsch, 32 Seiten 15,90 Euro, ISBN: 978-3-8251-7986-1, Altersempfehlung: ab 5 Jahren
Im Hier und Jetzt und doch woanders
(Lyrik-Taschenkalender 2017)
Der Dichter oder Lyrikaffine schätzt an der Poesie das Spiel mit Interpretation, Metrik und Form. Normen gibt es dabei schon lange nicht mehr, Lyrik ist vielseitig und erschöpft sich nicht. Deshalb bringt Michael Braun jedes Jahr aufs Neue einen Taschenkalender heraus, der seinen künftigen Besitzer nicht nur an mehr oder weniger lästige Pflichten erinnern soll, sondern wöchentlich mit formschöner Lyrik begleitet.
17 deutschsprachige Dichterinnen und Dichter stellen zwei ihrer Lieblingsgedichte vor und kommentieren sie anschließend. Das blättert und liest sich dann so: dem Wochenanfang wird in aller Regel ein Gedicht vorangestellt, über das es bis zur Wochenmitte zu Grübeln gilt. Wer im Hier und Jetzt lebt, muss gezwungenermaßen irgendwann umblättern und findet dann den erklärenden Kommentar – wenn man nicht schon vorher von der Neugier gepackt wird (und herausfinden möchte, ob das mit der Gedichtanalyse immer noch so gut klappt wie damals zu Schulzeiten). Mit so viel Lyrik in der Tasche kann 2017 dann eigentlich auch kommen.
Michael Braun (Hg.): Lyrik-Taschenkalender 2017, Verlag Das Wunderhorn, Deutsch, 230 Seiten, 16,80 Euro, ISBN: 978-3-88423-527-0
Keine Bärenhöhle zum Fürchten
(Ein unheimlicher Weihnachtsgas)
Als Bär wird man schnell mal missverstanden, erst recht wenn man neu im Wald ist. Da will man einfach nur ein bisschen Wasser aus dem Fluss schlürfen oder Honig aus dem Baum naschen, schon fühlen sich andere Waldbewohner bedroht oder verängstigt. Man könnte die Missverständnisse ja aus dem Weg räumen, wenn man selbst, also aus der Bärenperspektive gesprochen, von ihnen wüsste.
Überall mangelt es an Kommunikation, auch im Wald. Zu Weihnachten sollte es das aber nicht, vor allem nicht, wenn sich bär extra die Mühe macht und die anderen zum Festmahl lädt. Wie sich das wohl anfühlt, wenn dann keiner kommt? Man kann es sich denken. Dabei sieht die weihnachtlich geschmückte Bärenhöhle so gemütlich aus! Davon und wie die Geschichte ausgeht, erzählt das in bunter Heiterkeit illustrierte Bilderbuch „Ein unheimlicher Weihnachtsgast“ von Annette Amrhein und Sabine Straub, das pünktlich zur Weihnachtszeit im Magellan-Verlag erschienen ist. So viel Heim(e)lichkeit in der Weihnachtszeit darf nicht unerhört bleiben und kann getrost auf die Geschenkeliste gesetzt werden.
Annette Amrhein, Sabine Straub: Ein heimlicher Weihnachtsgast, Magellan Verlag, Deutsch, 32 Seiten, 13,95 Euro, ISBN: 978-3-7348-2026-7, Altersempfehlung: ab 3 Jahren