
Die Premiere war schon im Juli, aber erst jetzt kann die Nürnberger Staatsoper ihre Version der Operette „Der Vetter aus Dingsda“ von Eduard Künneke mehrfach in Serie aufführen. Ein schöner Einstieg in die hoffentlich von weiteren Einschränkungen verschonte Saison! Vera Nemirova hat das unsterbliche Stück aus der Berliner Operettenwelt, das vor genau 100 Jahren uraufgeführt wurde, ins Hier und Heute geholt. Die Regisseurin spielt mit allerlei Utensilien aus der Jetztzeit. Das fängt schon an mit dem ausführlichen Gebrauch von Smartphones. Julia, die der Heimkehr des Geliebten harrende Protagonistin, kann so ein neuzeitliches Instrument natürlich bestens gebrauchen. Und wie selbstverständlich praktiziert sie auch aktuelle Freizeitverschwendungen wie Autogenes Training…
„Onkel und Tante – das sind Verwandte“, dieser Ohrwurm erklingt vor dem Hintergrund eines Bühnenbildes, das von Campingstühlen und anderen Insignien der modernen Freizeitgesellschaft geprägt ist. Klar, dass auch Delivery Heroe schon präsent ist. Beim Stichwort „Batavia“ geht es auf Kreuzfahrt in die Südsee. Andromahi Raptis verkörpert die Hauptperson der Komödie auf jene Art, die im Bereich der leichten Muse längst Standard ist. Dort haben nämlich nur Multitalente Platz, die neben dem Gesang auch das Mimische perfekt beherrschen müssen und im Übrigen über ein beachtliches Niveau in Akrobatik verfügen. Wie sie da über die Bühne wirbelt, das ist ein Augenschmaus.
Kuhbrot Junior, der falsche Vetter, wird von Publikumsliebling Martin Platz in der stimmlich gewohnten Weise dargestellt. Sein schlanker, fein timbrierter Tenor, der sich für die Interpretation von Barockmusik ebenso gut eignet wie für Operette und Musical, ist einmal mehr faszinierend. Es ist schlichtweg ein Genuss, ihm zuzuhören. Später tritt mit John Pumphrey der „richtige“ Roderich hinzu, ein robuster Auftritt im angeberischen Opel-Admiral-Oldtimer. Paula Meisinger als Hannchen, Taras Konoshchenko als Vater Kuhbrot und Franziska Kern als Wilhelmine komplettieren das durchwegs vorzügliche Ensemble. Dem sekundiert das etwas reduzierte, aber wacker und souverän aufspielende Orchester unter der Leitung von Lutz de Veer. Zum Schluss große Begeisterung beim Publikum und ein klares Fazit: das sollte man gesehen haben!