
Wie geht Kino während Corona? Das ist und bleibt bis auf Weiteres verhandelbar. Aber DASS Kino geht, macht das Bamberger Programmkunstkino „Lichtspiel/Odeon“ vor. Trotz strenger Hygieneauflagen und Kapazitätsbeschränkungen ist das Arthousekino mit jeder Menge Herzblut für sein Publikum da. Ob klassisch mit täglichem Spielplan im Kinosaal oder im Freien beim „Sommerkino im Aufseesianum“ im August/September – das Lichtspiel versorgt die Kulturstadt Bamberg seit mittlerweile 25 Jahren konsistent mit qualitativ hochwertigem Programmkino. Dafür wurde es dieses Jahr zum zweiten Mal (nach 2006) vom FilmFernsehFonds (FFF) Bayern zum besten Kino Bayerns gekrönt, womit u.a. eine Spitzenprämie von 25.000 Euro verbunden ist. Eine solche Auszeichnung tut gut in dieser für Kunst- und Kulturschaffende höchst angespannten Zeit, und eröffnet vielleicht auch neue Möglichkeiten? ART.5|III hat die Geschäftsführer Gerrit Zachrich und Diana Linz zum Gespräch getroffen.
LICHTSPIEL/ODEON: Ein gutes Programmkino ist für uns mehr als nur ein Saal zum Filmegucken. Die Filme stellen natürlich den Mittelpunkt dar, aber drum herum passiert bei uns noch sehr viel mehr. Wir möchten, dass unser Publikum im besten Fall verändert aus einem Film raus kommt und Inspirationen und Gedanken sowohl aus dem Film, als auch aus anschließenden Diskussionen und Begegnungen in den Kinobars mitnimmt. Ich erinnere da immer gern an die Gründungsgeschichte der Transition Bewegung Bamberg, die direkt im Anschluss an den 2014 von uns gezeigten Dokumentarfilm „Voices of Transition“ entstanden ist. Der Verein hat sich noch vor Ort im Kino zusammen gefunden, und so unmittelbar zu erleben, wie ein Film, den man zeigt, in den Menschen und in der ganzen Stadt etwas bewegen kann, ist ein überwältigendes Gefühl. Solche Impulse in die Stadt zu bringen und damit zum gesellschaftlichen Leben in Bamberg beizutragen, verstehen wir als unsere kulturelle Aufgabe.
Wir sind seit 25 Jahren sehr gut in der Stadt Bamberg vernetzt und arbeiten mit rund 75 Kooperationspartnern regelmäßig zusammen, was jetzt wegen Corona leider zurück gefahren werden musste. Normalerweise organisieren wir einen bunten Strauß von Zusatzangeboten zu unseren Filmen, beispielsweise Gespräche mit den jeweiligen Regisseuren oder Diskussionsrunden im Anschluss an die Vorstellungen. Es ist uns ein Anliegen, die Filme nicht nur als einzelne Exponate stehen zu lassen, sondern Themen zu verknüpfen und aufzuzeigen, wie viel mehr es ausgehend vom Film noch zu entdecken gibt.
Hier müssen wir kontextuell etwas weiter ausholen, da wir früher breiter aufgefächerte Themenreihen im Programm hatten. Beispielsweise haben wir, wenn ein Regisseur einen neuen Film rausgebracht hat, in Werkschauen auch ältere Filme von ihm dazu gezeigt. Das funktioniert heute so nicht mehr, weil bereits veröffentlichte Filme durch Streaming- und Heimkino-Angebote sehr viel einfacher privat verfügbar sind als früher. Nichtsdestotrotz setzen wir natürlich nach wie vor Schwerpunkte in unseren separaten Kinos. Im Lichtspiel bedienen wir z.B. seit 25 Jahren die Themenreihen Tanz und Musik sowie Dokumentarfilme. Außerdem zeigen wir im Lichtspiel seit jeher Kurzfilme vor dem eigentlichen Hauptfilm, weil es uns besonders wichtig ist, diese Sparte präsent zu machen und unserem Publikum zu vermitteln: Jeder Filmemacher fängt mal klein an und vielleicht sehen wir hier die ersten Schritte eines Regisseurs, der uns morgen beeindruckt. Im Odeon sind wir dagegen breiter aufgestellt. Dort zeigen wir die größeren Arthouse-Filme und unser Kinder- und Jugendprogramm, das wir unter anderem auch wegen der Raumkapazitäten dort angesiedelt haben. Das Lichtspiel mit seinen kleinen Räumen bietet sich vor allem für intime Diskussionsrunden und Nachgespräche an, während wir im Odeon mehr Möglichkeiten für beispielsweise filmtheaterpädagogische Angebote für Schulklassen haben. Von daher achten wir bei der Zuordnung der Filme auch immer darauf, wie man im Kino selbst noch mit dem Film arbeiten kann.
Es war natürlich zuerst ein gewaltiger Schock, und eine Schließung von drei Monaten war aufgrund der laufenden Kosten für Miete und Personal sehr bitter für uns, wie für alle anderen Kulturinstitutionen auch. In den letzten Monaten mussten wir teilweise privates Vermögen zuschießen, um die Finanzierung flüssig zu halten, weswegen wir hoffen, dass die Abstandsregelung baldmöglichst von 1,5 Metern auf einen Meter gesenkt wird. Mit der aktuellen 1,5 Meter-Regelung ist es wirtschaftlich eigentlich nicht sinnvoll für uns, die Kinos zu öffnen, und da geht es nicht nur uns so. Deswegen muss da auf jeden Fall eine Änderung her.
In den Sommermonaten von Mai bis August wird das Kino traditionell weniger angenommen, da bei 30°C im Schatten der Biergarten einfach verlockender ist. Ein kleiner Teil unseres Publikums findet nach wie vor zu uns und besonders Kinderfilme laufen aktuell am besten, jedoch bewegen wir uns momentan bei einer Auslastung von 20-25%, wenn wir von einer ausverkauften Vorstellung sprechen. Darüber hinaus fehlen uns in diesem Jahr die Schulfilmfestivals und pädagogischen Vorstellungen, die ca. 15% unseren Jahresumsatzes ausmachen, und wir hatten eine Woche im März damit zu tun, die Corona-bedingten Stornierungen dafür abzuwickeln. Das ist alles sehr bedrückend, aber unser treues Publikum gibt uns gewaltigen Auftrieb. Wir waren bestimmt einen Monat lang damit beschäftigt, Gutscheine einzutüten und Postkarten und E-Mails von Lichtspielfans zu beantworten. Die Resonanz der Bamberger, dass sie unser Kino schätzen und wollen, war überwältigend. Auch anlässlich des Preises beglückwünschen uns viele Besucher, wenn sie ins Kino kommen. Das berührt uns sehr.
Wir verwenden die Prämie dafür, unsere laufenden Kosten weiterhin zu decken. Obwohl wir ein recht kleines Kino sind, sind die Kosten leider nicht zu unterschätzen, und in letzter Zeit haben wir auch Renovierungen und Instandsetzungen vorgenommen. Zusätzlich stehen Erneuerungen im Bereich Digitalisierung an. Die Prämie deckt einen Großteil des Finanzierungsaufwandes für einen Monat; zusätzliche Investitionen sind nicht drin.
Selbstverständlich sind wir wie alle vom Infektionsgeschehen abhängig, aber wir sehen dem Ganzen grundsätzlich optimistisch entgegen. Die Leute sollen sich in geschlossenen Räumen wieder sicher fühlen, und da haben wir als Kino mit unserer großen Deckenhöhe und hervorragenden Klimaanlage sehr gute Voraussetzungen. Wir betreiben unsere Anlagen mit 100% Frischluftzufuhr, und in den Sitzreihen ist es leicht, den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten. Man kann auch vorab schon Karten kaufen oder reservieren, um garantiert einen Platz für seinen ausgesuchten Film zu haben. Natürlich können wir nicht wissen, was in den nächsten Monaten passiert. Aber solange wir ein Publikum haben, das unser Programm mitträgt und unterstützt, überstehen wir auch diese unsichere Zeit.
In der Konkurrenz zum Streaming kommt es vor allem auf das betrachtete Genre an. Einige Kinopremieren großer Blockbuster wurden bereits bedingt durch die Coronakrise auf Streaming-Plattformen verlegt, und das ist natürlich ein Verlust für große Multiplex- oder Familienkinos, die mit solchen Filmen ihre Einnahmen generieren. Im Härtefall könnte es für diese Formen von Kinos dann tatsächlich schwierig werden. Wir als Programmkino werden aber immer Filme zu zeigen haben, weil das Streaming in unserer Sparte gar nicht so stark vertreten ist. Früher wurden manche Filme, nachdem sie in den Kinos gelaufen sind, auch vom Fernsehen gekauft, worüber die deutschen Verleiher nochmal Einnahmen generieren konnten. Aber auch das ist mittlerweile weggefallen, und wenn das Fernsehen einen Film nicht zeigt, funktioniert er auch im Streaming nicht. Von daher können wir selbstbewusst sagen, dass es unsere Art von Programmkino immer geben wird.
Davon sind wir überzeugt. Für uns ist Kino nicht einfach nur Filmezeigen, sondern Kino gehört an einen adäquaten Ort mit entsprechendem Sound und Kulisse. Natürlich ist auch das Filmeschauen Zuhause etwas Schönes, aber das Kino bietet eine unnachahmliche Art von Filmerlebnis. Deshalb glauben wir auch, dass unsere Form von Programmkino nicht verschwinden wird, denn jede Art Kino hat sein eigenes Publikum. Und selbstverständlich sind beide Formen – Mainstream- und Spartenkino – gleichermaßen wichtig für eine Gesellschaft.
Diana Linz: Für mich ist das Kino ein magischer Ort, und auf mich trifft der alte Ausdruck „Wer einmal Zelluloid gerochen hat, den lässt es nie mehr los“ voll und ganz zu. Als ich das Lichtspiel kennen lernte, war ich vom ersten Moment davon überzeugt, dass es viel mehr als ein besonderes Filmtheater ist – einer der wenigen alternativen Orte Bambergs damals Ende der 90er Jahre. Das hat mich sofort in Beschlag genommen und wie man sieht nicht mehr losgelassen.
Gerrit Zachrich: Ich war ebenfalls schon immer kinobegeistert, und obwohl ich ursprünglich aus dem Buchhandel komme, fällt Kino für mich unter das große Thema Kulturvermittlung. Ich habe sehr viel Freude daran, interessierten Menschen Kultur näher zu bringen und erlebbar zu machen – sei es ein Buch oder ein Film. Die Kinofilme sind so unterschiedlich wie ihr Publikum, und es fasziniert mich immer wieder, dass vom kleinen Kind, das zum ersten Mal im Leben einen Projektor sieht, bis zum rüstigen Senior alle Altersklassen im Kino zusammenfinden. Deswegen ist Kino für mich auch ein Kommunikationsort an dem sich Menschen treffen können, um über Kultur zu reden, zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Quasi ein Fenster zur Welt.