Wir haben uns mal wieder auf den Weg gemacht und versucht, einige spannende Ausstellungen für Sie zu finden, die nicht so einfach auf kurzem Wege zu erreichen sind. Aber der/die ein oder andere Leser*in verreist ja ohnehin und da kann eine Empfehlung ja nicht schaden. Uns hat der Weg bzw. die museale Kunst dieses Mal nach London, München, Potsdam und Berlin geführt und so unterschiedlich diese Städte sind, so unterschiedlich sind auch die Ausstellungen, die wir Ihnen ans Herz legen möchten.
Ein letztes Mal „barrierefreies“ Großbritannien?
Wir geben es zu, die Brexit-Diskussionen der letzten Wochen und Monate hatten uns ganz schön zugesetzt und unsere Reiseplanung auch mehr als einmal durcheinandergebracht. Hier noch eine Abstimmung, da noch ein Ultimatum. Letztlich hat die Neugier auf das aktuelle Ausstellungsprogramm der englischen Hauptstadt aber überwiegt und wir haben gebucht und uns später auf den Weg gemacht. Erste Anlaufstelle war das älteste der vier, zum Netzwerk der Tate Galerien gehörenden Häuser, die „Tate Britain“. Als „Nationalgalerie für britische Kunst“ 1897 eröffnet, bestand die Sammlung zunächst ausschließlich aus Werken englischer Künstler. Später schafften es auch ausländische Künstler in den Bestand der Galerie und seit dem 20. Jahrhundert widmet sich das Haus prinzipiell der modernen Kunst.
Nach unseren, sagen wir mal „sehr mittelmäßigen“ Erfahrungen im Amsterdamer Van-Gogh-Museum Ende 2018, fiel die Ausstellungsankündigung der Tate Britain bei uns natürlich auf fruchtbaren Boden. Schließlich hing es in den Niederlanden ja nicht am Künstler, sondern eher am Konzept. „Van Gogh und Großbritannien“ lautet der Titel der noch bis zum 11. August 2019 laufenden Ausstellung, die man als Bewunderer des niederländischen Malergenies unbedingt gesehen haben muss. Tate Britain präsentiert die größte Sammlung seiner Gemälde in Großbritannien seit annähernd 10 Jahren. Einige seiner berühmtesten Werke wurden aus der ganzen Welt zusammengetragen, darunter Schuhe, Sternennacht an der Rhône, L‘Arlésienne und zwei Werke, die er als Patient in der Anstalt Saint-Paul, am Tor der Ewigkeit und beim Training der Gefangenen gemacht hat. Dazu gesellen sich die selten geliehenen Sonnenblumen aus der Londoner National Gallery. Van Gogh, der als junger Mann längere Zeit in England lebte, ließ sich von den Impressionen, die er auf seinen Spaziergängen sammelte, entscheidend prägen. Die englische Literatur, aber auch Malerkollegen hinterließen einen bleibenden Eindruck bei ihm und, das dürfte nicht zu gewagt sein, beeinflussten seine Bilder während seiner gesamten Karriere. Was absolut positiv zu bemerken ist, ist die Tatsache, dass die englische Organisation im Museum nicht weniger als perfekt zu bezeichnen ist. Überschaubare Zuschauermengen in vorher festgelegten Zeitkorridoren ermöglichten einen uneingeschränkten Kunstgenuss, den wir so auch gerne in Amsterdam erlebt hätten.
1992 wurde entschieden, dass die Sammlung der „Tate Britain“ auf zwei Orte aufgeteilt werden sollte. Verbleiben sollte in Millibank, wo die gesamten Werke bis dahin untergebracht waren der Teil, der britische Kunst von 1500 bis zur heutigen Zeit umfasste. An anderer Stelle Londons sollte Ausstellungsfläche für internationale moderne und zeitgenössische Kunst entstehen, die „Tate Modern“. Auch sie gehört unbedingt auf den Besuchsplan eines jeden London Touristen, selbst wenn man sich nicht für Kunst interessiert. Das Gebäude, in dem die Galerie untergebracht ist, wurde vorher als Ölkraftwerk, der Bankside Power Station, genutzt. Im Mai 2000 wurde die Tate Modern in diesem monumentalen Kraftwerksbau nach 7-jähriger Umbauzeit eröffnet. Sie beherbergt Galerien im dritten, vierten und fünften Stockwerk des Gebäudes, wobei im vierten Stockwerk temporäre Wechselausstellungen gezeigt werden. Eine dieser Wechselausstellungen, die zurzeit gezeigt werden, ist „Magic Realism – Art in Weimar Germany 1919–1933“. Ein Jahr lang versucht Tate Modern exemplarisch die deutsche Kunst zwischen den beiden Weltkriegen aufzuzeigen und greift dabei auf den Fundus der Privatsammlung des griechischen Reeders George Economou zurück. Es werden Stücke gezeigt, die normalerweise der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, aber anhand derer man die unterschiedlichen Praktiken einer Reihe verschiedener Künstler, darunter Otto Dix, George Grosz, Albert Birkle und Jeanne Mammen darstellen kann. Obwohl der Begriff „magischer Realismus“ heute allgemein mit lateinamerikanischer Literatur in Verbindung gebracht wird, wurde er von dem Künstler und Kritiker Franz Roh geerbt, der ihn 1925 erfand, um eine Verschiebung von der Kunst der expressionistischen Ära hin zu kalter Wahrhaftigkeit und Unruhe zu beschreiben Bilder.
Was wäre ein Aufenthalt in London ohne Besuch der „National Gallery“? Sie gilt als eine der umfassendsten und bedeutendsten Gemäldegalerien der Welt. Aus der staatlichen Gemäldesammlung werden hier laufend über 2000 Werke vom 13. bis zum 19. Jahrhundert ausgestellt, die die Besucher völlig kostenfrei betrachten können. Vielleicht auch dies ein Grund, warum jährlich ca. 6,5 Millionen Besucher in das Haus am Trafalgar Square kommen und die National Gallery damit zu einem der meistbesuchten Museen der Welt machen.
War man, wie wir, vorher in der Tate Modern, so erwartet einen sozusagen ein gebäudlicher und impressionistischer Kulturschock. Begegnet man in dem ehemaligen Kraftwerk an der Themse Künstlern wie Warhol, Lichtenstein, Richter, Rauch und vielen anderen, so sind es hier, im Herz von London, eher Namen wie Botticelli, Canaletto, Raffael, Tizian, Velásquez, Monet, Manet, Renoir, Rembrandt van Rijn, Cézanne und Turner. Seit 1824 wurde eine Sammlung sukzessive zusammengestellt, die mittlerweile von der italienischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts über Werke der Spät-Renaissance bis hin zu den Impressionisten des 20. Jahrhunderts reicht. Ein absolutes Fest für die Augen, aber seien sie gewarnt. Wer glaubt, die National Gallery in ein museales Kurzprogramm einbetten zu können, der irrt sich gewaltig. Hier kann man sich verlieren, sowohl in den Bildern als auch in der Zeit.
Alles Japan, oder was?
Kaum zurück aus der britischen Hauptstadt, führte uns der nächste Weg in das Herz Bayerns, nach München. Bereits bei unserem letzten Besuch hatten wir die Ausstellungsankündigung bemerkt und uns fest vorgenommen, diese Exhibition nicht zu versäumen. SAMURAI – Pracht des japanischen Rittertums. Die Sammlung Ann und Gabriel Barbier-Mueller läuft seit Februar und noch bis zum 30. Juni in der Kunsthalle München. SAMURAI – Wem läuft da nicht ein kalter Schauer über den Rücken, wenn dieses Wort ausgesprochen wird, ein Wort mit dem so viel Ehre aber auch Leid verbunden wird. Ein Wort das gleichsam für Überlegenheit und Niederlage, für Stolz und für Scham steht. Diese Ausstellung bietet eine einmalige Gelegenheit unsere Kenntnisse über diese Krieger- und Politikerkaste mit echtem Wissen aufzupolieren. Das Ehepaar Ann und Gabriel Barbier-Mueller hat in knapp 30 Jahren eine der weltweit vollständigsten und umfassendsten Sammlung von Samurai-Rüstungen sowie Helmen und Masken, Pferdeausrüstung und Waffen aus dem 13. bis 19. Jahrhundert zusammengetragen, die nun erstmals in Deutschland präsentiert wird. Durch mehr als 100 Ausstellungsstücke kann der Besucher hautnah erfahren, was es bedeutete ein SAMURAI zu sein. Fast 700 Jahre lang prägten die Samurai die Geschichte Japans. Als Ende des 12. Jahrhunderts der Shogun als oberster militärischer Befehlshaber die Regierungsmacht vom japanischen Kaiser, dem Tenno, übernahm, stieg der Kriegeradel anstelle des Hofadels zur politischen und sozialen Elite des Landes auf. Ab 1868 wurde in Japan eine neue politische Ordnung begründet, der auch die SAMURAI zum Opfer fielen. In Japan war kein Platz mehr für archaische Krieger mit Rüstung und Schwert. Der Mythos der Samurai ist jedoch bis heute ungebrochen: Er prägte nicht nur das japanische Geschichtsverständnis, sondern hat auch die westliche Vorstellung japanischer Kultur maßgeblich bestimmt.
Picasso – aber anders
Unseren Museumsmarathon im Mai machte ein Besuch im Barberini in Potsdam und im Museum für Fotografie in Berlin komplett. Einmal mehr ist es den Verantwortlichen des Museum Barberini gelungen, eine Ausstellung der Extraklasse auf die Beine zu stellen. „Picasso. Das späte Werk“ mit Werken aus der Sammlung Jacqueline Picasso, die noch bis zum 16. Juni gezeigt wird, gewährt einen ganz besonderen Einblick in die Schaffenskraft des 1973 verstorbenen spanischen Malers der, und das macht diese Exhibition überdeutlich, bis ins hohe Alter nichts von seinen Fähigkeiten verloren hatte. In dieser Zusammenstellung ist die Sammlung, die von Jacqueline Picassos Tochter Catherine Hutin dem Museum Barberini zur Verfügung gestellt wurde, bisher kaum öffentlich gezeigt worden. Zahlreiche Werke werden erstmalig in Deutschland gezeigt, einige sogar zum ersten Mal in einem Museum überhaupt. Konnte man Picassos Werk zu Beginn seiner „Karriere“ stilistisch deutlich unterscheiden, wie beispielsweise die Blaue und die Rosa Periode, so fällt dies bei seinem späteren Werk deutlich schwieriger. Hier gehen die Stile eine Verbindung ein und die benutzten Medien verschmelzen förmlich miteinander, wie etwa wenn sich bemalte Flächen an Skulpturen in den Raum „bewegen“ und dadurch zwischen den Gattungen gewechselt wird. 136 Arbeiten sind es, die im Museum Barberini zu sehen sind und jede einzelne davon ist es wert gezeigt zu werden. Neben Gemälden und Zeichnungen kann man auch Skulpturen, Keramik und Druckgrafiken bewundern. Die Vielfalt in Picassos Schaffen in den Jahren 1954 bis 1973 wird damit überdeutlich.
Bekanntlich ist nach der Ausstellung vor der Ausstellung und so darf man sich in diesem Jahr im Museum Barberini noch auf zwei weitere Leckerbissen freuen. Vom 13. Juli bis zum 6. Oktober das Museum die Ausstellung „Wege des Barock. Die Nationalgalerien Barberini Corsini in Rom“. Mit 54 Meisterwerken, darunter eines der bedeutendsten Werke Caravaggios, sein 1589/99 entstandenes Gemälde Narziss.
Vom 26. Oktober bis ins nächste Jahr ist dann die Ausstellung „Van Gogh. Stillleben“ zu sehen, die anhand von über 20 Gemälden die entscheidenden Etappen im Werk und Leben van Goghs analysieren wird.
Klingt so, als ob wir in diesem Jahr nicht das letzte Mal in Potsdam zu Gast waren.
Die Ausstellung „Saul Leiter. David Lynch. Helmut Newton: Nudes“, die bei unserem Besuch im Berliner Museum für Fotografie gezeigt wurde und absolut sehenswert war, ist leider seit dem 19. Mai beendet.