
Das Repertoire eines Instrumentes auszuweiten, ist gerade für Bläser eine große Versuchung. Die Transskriptionen des weltweit agierenden, aus Bamberg stammenden Oboisten Albrecht Mayer bezogen sich bislang vor allem auf Werke J.S. Bachs. Doch nun hat Mayer sich dezidiert der Spätromantik, dem Impressionismus und der frühen Moderne zugewandt, indem er – zusammen mit den Bamberger Symphonikern – bei der Deutschen Grammophon eine CD unter dem Titel „Longing for Paradise“ vorlegte. Sie entstand in Kooperation mit BR Klassik und dokumentiert das vorzügliche Verhältnis, das ihn nach wie vor mit seinem früheren Orchester verbindet. Lohn für diese künstlerisch ideale Verbindung ist, dass die CD in Windeseile auf der Skala der Charts nach oben gerutscht ist.
Wie sehr gemeinsame künstlerische Affinitäten auch für den Chefdirigenten Jakub Hrusa gelten, lässt die musikalische Substanz dieser Aufnahmen ahnen. Gleich der Anfang stellt einen charmanten Repertoireeinfall dar: in Edward Elgars „Soliloquy“, einem späten melancholischen Werk, darf die Oboe ihre elegischen Qualitäten vor fein gewebtem Streicherhintergrund ausbreiten. Eine passendere Ouvertüre zu Richard Strauss’ Konzert für Oboe und kleines Orchester kann man sich kaum vorstellen, zumal Elgar ein Bewunderer des seinerzeit dominanten deutschen Komponisten war. Das Strauss-Konzert gehört natürlich zu den Pflichtstücken jedes Oboisten, aber ein Albrecht Mayer macht daraus ein ganz besonderes Kunstwerk, voller feinster Abstufungen und exquisitester Tongebungen. Solist, Dirigent und Orchester hören ganz intensiv aufeinander und nehmen dynamisch Rücksicht aufeinander.
Etwas überraschend wirkt anschließend die Adaptation von Maurice Ravels „Tombeau de Couperin“ für Oboe, denn der arkadische Unterton dieser Musik lässt eher an eine Flöte denken. Aber hier wird der französische Barock charmant ins Heute geholt. Orchestral opulenter wird es im einsätzigen „Concerto“ von Eugène Goosens, das die CD beschließt. Es wirkt – so charakterisiert Albrecht Mayer es selber – wie von Strawinsky geschrieben, aber „mit einer Prise britischen Humors gewürzt und um einige regionale Zutaten ergänzt“. Ein origineller Fund!
Longing for Paradise
Werke für Oboe und Orchester von Richard Strauss, Edward Elgar, Maurice Ravel und Eugène Goossens, Albrecht Mayer, Oboe – Bamberger Symphoniker, Jakub Hrusa
Deutsche Grammophon/BR Klassik 2019 – GH 4836622