Dass Luther vor den Toren steht, kann man wahrlich behaupten, denn schon im kommenden Jahr wird das runde Jubiläum jenes Ereignisses gefeiert, das den Anlass zu einer der umwälzendsten kulturgeschichtlichen Entwicklungen im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus auch in ganz Europa gab: Am 31. Oktober jährt sich Martin Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg zum 500. Male. Den Startschuss zur Reformation mitsamt ihrer einschneidenden Folgen feiert man heuer allenthalben, auch konfessionsübergreifend, was sich in Bayern beispielsweise darin ausdrückt, dass der 31. Oktober 2016 landesweit zum Feiertag ausgerufen wurde.
Martin Luthers bekannte Affinität zur Musik hat die Macher der alle zwei Jahre in Bamberg stattfindenden „Tage Alter Musik“ dazu bewogen, das Verhältnis des Reformators zum Thema des Festivals zu machen. Dass die „Tage Alter Musik“ stets unter einem Motto stehen, hat seit der ersten Edition, also seit 30 Jahren Tradition. Die Musica Canterey als Initiatorin und regelmäßige Veranstalterin dieser renommierten Musikbiennale hat sich für die Überschrift „Luther ante portas“ entschieden. Naheliegenderweise finden alle Veranstaltungen auf dem „protestantischen Hügel“ Bambergs, also auf dem Stephansberg, statt.
Mit dem Reformator wird das ambitionierte Programm auch beginnen, denn zum Auftakt der Konzertreihe am 26. Mai steht ein Luther und der Musik gewidmeter Abend unter der Devise „So sie‘s nicht singen, glauben sie es nicht“. Dieser von Luther überlieferte Satz bezeugt, dass der Reformator bei seiner „ad fontes“ gehenden, also die Wurzeln wieder frei legenden Wiederentdeckung der Worte Gottes auch die Musik zum Medium der Verkündigung machte. Er war musikalisch gebildet und stand mit bedeutenden Komponisten seiner Zeit im Austausch. Seine Theologie und Musikalität werden an diesem Abend, der Gespräch und Hörbeispiele verbindet, gleichermaßen gewürdigt. Die Luther-Choräle stehen dabei im Mittelpunkt. Neben ihnen wird auch der einzig erhaltene mehrstimmige Chorsatz des Reformators erklingen. Es singt das Vokalensemble der Musica Canterey, Christoph Uttenreuther und Andreas Wittenberg werden das begleitende Gespräch führen. Termin: Do 26. Mai um 20.00 Uhr im Kapitelsaal von St. Stephan.
Vergnüglich wird es tags drauf gleich nebenan, wenn Bläsermusik aus der Renaissance und Fastnachtsspiele von Hans Sachs im Stephanshof geboten werden. „Vergnügliches aus der Lutherzeit“ steht als Motto über dem Abend, der von der „Capella de la Torre“, dem führenden deutschen Renaissance-Ensemble, angeboten wird. Ihr meisterhaftes Spiel auf den historischen Instrumenten des 16. Jahrhunderts lässt den Glanz höfischer Feste, die Tradition der Turmbläser wie auch die Imprivisationskunst der Stadtpfeifer aufleben. Ergänzt wird das Programm durch die von Satire getränkten Fastnachtsspiele des Hans Sachs, der seinerseits ein Anhänger der Reformation in Nürnberg war. Termin: Fr 27. Mai um 20.00 Uhr an besagtem Ort.
Das dritte Konzert widmet sich dem Verhältnis von Sprache und Musik bei Luther. Seine Bibelübersetzung und Choraldichtungen stifteten bekanntlich die Grundlage für ein neues Verhältnis zwischen diesen beiden Ausdrucksformen. Die Prägnanz seiner verdeutschten Texte inspirierte Komponisten – von Schütz bis Mendelssohn – zu Vertonungen von ungeahnter Ausdruckskraft. Luthers Choräle begründeten die Tradition von Bearbeitungen für Orgel, die von J.S. Bach zu konzertantem Format ausgeweitet wurden und über den rein gottesdienstlichen Gebrauch hinausgingen. Das Konzert mit Chor- und Instrumentalwerken von der Renaissance bis zur Romantik steht unter dem Titel „‚Ein feste Burg‘ - Luthers Sprache lebt!“. Karl-Heinz Böhm, Regionalkantor und Organist der Domgemeinde, spielt auf der Mühleisen-Orgel der Stephanskirche, ein Instrumentalensemble und der Chor der Musica Canterey musizieren unter der Leitung von Norbert Köhler. Termin: Sa 28. Mai um 20.00 Uhr.
Der Ausklang der Tage Alter Musik findet ebenfalls in der Stephanskirche statt, und zwar am So 29. Mai um 17.00 Uhr. Er trägt die Überschrift „Musik für Dr. Luther“ und soll das musikalische Weltbild des Reformators umreißen. Dessen profundes Musikverständnis kannte keine weltanschaulichen oder konfessionellen Schranken. Luthers Bewunderung galt den überragenden Zeitgenossen unter den Tondichtern wie dem Flamen Josquin Desprez oder dem „Schweytzer“ Ludwig Senfl, der im Mittelpunkt des Programms steht. Mit ihm pflegte Luther persönlichen Kontakt, obwohl Senfl am katholischen Hof in München im Dienst des bayerischen Herzogs stand. Das renommierte „Vokalensemble Stimmwerk“ gestaltet dieses Schlusskonzert der 15. Bamberger TAM.
Copyright Foto:
Tage Alter Musik in Bamberg, Foto © Gerhard Schlötzer