
Die Welt dreht sich um Geld, Ruhm, Ansehen, kurz um Macht. Ist dem wirklich so und wenn ja, wann wie, wo und warum, fragt man sich in Nürnberg und Fürth und veranstaltet am letzten Septemberwochenende unter dem Motto „Macht!“ die diesjährigen Stadt(ver)führungen. Aber man zäumt das Pferd ja nicht von hinten auf, deshalb der Reihe nach. Die Nürnberger Stadt(ver)führungen sind per se etwas Besonderes, denn nirgendwo sonst in Deutschland findet jedes Jahr ein einwöchiger Stadtführungsmarathon statt, der unter einem immer neuen Themenkanon steht.
Man wird also nicht wie gewöhnlich durch die Stadt geführt und klappert alle prominenten Sehenswürdigkeiten ab, sondern verabredet sich an speziellen Orten und erfährt gebündeltes Spezialwissen über Nürnberg und Fürth. Passend zum 700. Geburtstages Kaiser Karl IV. ist die Macht der diesjährige Wegweiser. Als ein ehemaliges Machtzentrum gibt es allein in Nürnberg vieles zu entdecken und nicht nur der Staat hat sich besonders in der Vergangenheit ermächtigt, sondern auch die Kirche, Unternehmen, prominente Einzelpersonen etc. Macht haben, Macht ausüben – das ist ein oftmals negativ besetztes Gefühl, das uns aber unterbewusst vorantreibt und zu neuen Taten und Projekten befähigt. Selbst im Yoga gibt es die „Machtvolle Haltung“, obwohl Yoga und Macht doch so gar nicht zusammenzupassen scheinen. Es wird schnell klar: man kann den Begriff ziemlich weit spannen.
Um Ordnung reinzubringen, werden die verschiedenen Führungen und Vorträge deshalb in Unterkategorien eingeteilt. So kann zum Thema „Altstadt“ am Samstag, den 24. September, zum Beispiel das Nürnberger Schürstabhaus – eines der bedeutendsten erhaltenen Patrizierhäuser im nordbayerischen Raum – besichtigt werden. Oder man lauscht Organist Martin Schiffel in St. Sebald, der um die Bedeutung seines machtvollen Instrumentes weiß.
Auch in der Nacht lebt die Macht. Fernab von Kirchen und Orgeln beschäftigt sich Bärbel Ahlborn mit den Machtverhältnissen im Horizontalgewerbe. Bei einer Lesung und einem Vortrag kann man ihr am Freitag im Kassandra Café lauschen. Etwas weniger anrüchig wird es am Tugendbrunnen. Von hier aus startet für alle Nachtschwärmer am Freitag und Samstag eine Fackelwanderung mit Geschichtenerzähler Marco Kirchner, der einiges über die sieben Todsünden zu berichten hat.
Eine ganz andere Dimension von Macht demonstriert noch heute das Zeppelinfeld auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Am Samstag und Sonntag werden deshalb Führungen rund um das Bauwerk und die Mitteltribüne („Goldener Saal“) angeboten. Dass Architektur und Geschichte eng miteinander verknüpft sind, wird hier besonders deutlich. Und auch über den Justizpalast und die dort abgehaltenen Nürnberger Prozesse gibt es einiges Wissenswertes zu erzählen. Wie einem die Macht zu Kopf steigen und Menschen instrumentalisieren kann, weiß Manfred Schwerdtner, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht. Und dann ist da ja noch der Quelle-Turm – ein Wahrzeichen des Nürnberger Westens. Die Versandhausdynastie Quelle beeinflusste Nürnbergs Wirtschaft maßgeblich und übte natürlich auch eine nicht zu unterschätzende Macht aus, nicht nur in der Stadt, sondern weit über ihre Grenzen hinaus.
Der Presse obliegt ein Teil der gesellschaftlichen Macht, sie steht aber bekanntermaßen gerade dieser Tage erheblich in der Kritik des Machtmissbrauchs – Stichwort „Lügenpresse“. Der Fall Böhmermann brachte vor nicht allzu langer Zeit wieder neuen Schwung in die Debatte um die Pressefreiheit. Wie viel Macht die Presse ausüben kann, soll und darf und welche Freiheiten ihr zustehen, will Michael Husarek, stellvertretender Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, bei einer Führung, beginnend am Karl-Bröger-Haus über das ehemalige Gauhaus Streichers und endend bei den Nürnberger Nachrichten, erörtern.
Und wer oder was hat sonst noch Macht? Angeblich ja Wissen. Und ganz wichtig bzw. elementar – unser aller wichtigster Muskel, das Herz. Zu diesen beiden Themen kann man sich zum einen auf AEG informieren, wo Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg über die Technologien von morgen und ihre Bedeutung referieren, zum anderen im Klinikum Nürnberg, wo man einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen des Herz-Gefäß-Zentrums bekommt.
Manchmal versteckt sich auch hinter dem scheinbar Banalen Mächtiges. Der Künstler Oliver Boberg geht mit allen Interessierten auf Entdeckungstour entlang eines gewöhnlichen Straßenzuges zwischen Nürnberg und Fürth. Den Fotoapparat mitzubringen, ist dabei Pflicht, denn die besten Motive finden sich ja vor allem an den unauffälligen Orten.
Die Stadt(ver)führungen finden vom 23. bis 25. September 2016 statt. Noch mehr Führungen, Termine und nützliche Informationen finden Sie unter www.stadtverfuehrungen.nuernberg.de.