Diesmal geht’s in unserer Glosse ausnahmsweise mal freundlich zu, also ohne Phobien oder anderweitigen sprachlichen Ärger. Damit sind wir sehr aktuell, denn neuerdings ist die Freundlichkeit sehr angesagt. Das garantiere, so heißt es, dass alles besser gehe. Sogar der Sex, aber dazu kommen wir später. Balu der Bär, unvergessen aus dem Dschungelbuch, sang noch frohgemut „Versuchs mal mit Gemütlichkeit“, doch neuerdings gilt die Freundlichkeit als Mindestvoraussetzung im sozialen Gefüge – eigentlich eine gute Sache.
Mit dem „positiven Denken“ fing alles an, vor allem im zwischenmenschlichen Bereich oder wenn’s um das Fortkommen im Beruf ging. Mittlerweile wird größer gedacht, ja geradezu global: „Embracing the world - Die Welt umarmen“ wirbt die indische Gurufrau Amma weltweit. Auch in der rauen Geschäftswelt hellt sich das Klima auf. Die sogenannte Kindness Economy propagiert den „freundlichen Kapitalismus“ nach dem Motto „Freundlichkeit zahlt sich aus“. Statt eines CEO gibt es an den Schaltstellen der Wirtschaft dann einen „Chief Kindness Officer“. Freundlichkeit ist also nicht nur eine Beziehungsstrategie, sondern zugleich ein Businesstool.
Folglich wimmelt es von Feelgood-Logos und von Smileys. Eine Smiley Company gibt es übrigens schon seit 50 Jahren, und die verkauft auch Lizenzen für das ikonische Logo. „Man kann jedes Problem mit einem Lächeln lösen“, meint Saadia, 46 Jahr alt, im „Spiegel“. „Wirklich jedes“?, möchte man da ganz vorsichtig fragen. Auma Obama, obwohl studierte Germanistin, kann mit Freundlichkeit wenig anfangen, weil ihr das Wort nicht gefällt. Sie bevorzugt „mindfulness“, nun ja. Vielleicht ahnt sie auch nur, dass man Freundlichkeit ebenso gut als Waffe einsetzen kann.
Mittlerweile gibt es sogar eine „Sex-Positivity-Bewegung“, und die drückt sich bezüglich ihres freundlichen Anliegens ziemlich drastisch aus: „Wer ficken will, muss freundlich sein“ steht über einem diesbezüglichen Artikel des oft zitierten deutschen Nachrichtenmagazins. Auf Namen wie „Room8“, „Kinky Galore“, „Temple of Lika“, „Hédoné“, „Klit Ball“, „Tempelnächte“, „Trusted Bodywork“, „PinkLabel.TV“, „Geliebte auf Zeit“ oder ganz einfach „Liebelei“ hören die Angebote. Wäre da nicht ganz einfach „Puff“ viel kürzer und ehrlicher? Nein, natürlich nicht, denn hier sorgen die Studio Love Masters für einen garantierten „Safe Space“.
Das „Seid nett zueinander“-Mantra der Wertschätzungscoachs hat einen unaufhaltsamen Siegeszug angetreten; aussichtslos, dagegen anzukommen. Angesagt ist allenthalben zementiertes Lächeln selbst dort, wo einst grimmige Mienen zum Berufsbild gehörten, seien es die Bedienungen in Bambergs Bierschwemmen oder Berliner Verkehrsangestellte.