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mit allen wassern gewaschen

der bamberger autor, sprichwortpapst, kritiker und dozent rolf-bernhard essig

veröffentlicht am 08.04.2014 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Einer der produktivsten Autoren, die in Bamberg zuhause sind, ist zweifelsohne Rolf-Bernhard Essig. In seinen späten Zwanzigern debütierte Essig – 1963 in Hamburg geboren, in Kulmbach aufgewachsen, seit über drei Jahrzehnten an der Regnitz lebend – mit einem Essay, den die Deutsche Schillergesellschaft in ihrer Reihe „Spuren“ herausbrachte. Er galt seinem Großvater, dem Schriftsteller Hermann Essig, der heute noch am ehesten bekannt ist für den im Umkreis von Herwarth Waldens expressionistischer Kunst- und Literaturzeitschrift „Der Sturm“ angesiedelten Schlüsselroman „Der Taifun“ (1919), den der Enkel 1997 in Stefan Weidles vorbildlichen Bonner Verlag mit einem Nachwort versah und edierte.

Seither, seit jenen sechzehn Seiten über Hermann Essigs Geburtshaus im schwäbischen Truchtelfingen, hat der promovierte Literaturwissenschaftler über zwei Dutzend Bücher herausgebracht, zum Teil im Verbund mit seiner Frau, Gudrun Schury. Hinzu kommen Literatur- und Musikkritiken in bedeutenden deutschsprachigen Zeitungen, hinzu kommen Beiträge für Fernsehen und Rundfunk (auf SWR 1 läuft seit September 2012 Essigs tägliche Sprichwörterkolumne „Und jetzt mal Butter bei die Fische“), hinzu kommt die Moderation von Konzerten und – seit Sommer 2011 – die Leitung der Schreibwerkstatt für jugendliche Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Ebrach, die er sich mit Hanne Mausfeld teilt.

Im vergangenen Herbst erschien im sprichwörtlich kleinen, sprichwörtlich feinen Verlag von Christopher Schroer Essigs erster Roman mit dem poetischen Titel „Die Kunst, Wasser zu fegen“, der inzwischen in der zweiten Auflage vorliegt und von der Kritik – etwa aus dem Munde von Michael Maar – viel Lob erfahren hat. Zweieinhalb Dutzend kurze, Titel tragende Kapitel fügen sich zu einem Buch, das eine Kindheit und Jugend im oberfränkischen Zonenrandgebiet, wohin der Junge mit seiner Familie aus Hamburg gezogen ist, in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern schildert, Terroristenfahndung inklusive. Wer mag, kann gleich auf den ersten Seiten den realen Namen Kasendorf finden und so manche autobiographische Spur. Essig präzisiert: „Es ist der Versuch, aus Autobiographischem etwas Typisches zu machen.“ Er habe etwas selbst Erlebtes in einen Kontext gesetzt und angereichert durch Literatur (Karl May etwa, Hermann Essig natürlich). Der Leser, so Essigs Wunsch, solle seine eigenen Erinnerungen wiedererweckt bekommen und eine Zeit wiedererstehen sehen.

Lange hat es gedauert, bis Essig, obgleich auf dem Buchmarkt durchaus präsent, den Roman hat unterbringen können. Bereits 2003 habe er die „Kunst“ angeboten, zwei Dutzend Absagen von renommierten Verlagen seien gekommen. „Durchaus mit Recht“, wie Essig heute eingesteht. Der Roman sei in einer unfertigen Form gewesen. Zwar hätten Lektoren gesehen, dass da Gutes drin stecke und man daraus etwas machen könne, aber sie hätten das Buch nicht untergebracht, weil es episodisch sei und es keinen durcherzählten Spannungsbogen gebe. Nach vielen Überarbeitungen und Änderungen habe Christopher Schroer schließlich angebissen, dessen Verlag Essig schon deshalb sympathisch ist, weil Schroer in einem offenen Brief die Zusammenarbeit mit Amazon aufgekündigt hat. Im Herbst wird in dem jetzt in Bergisch Gladbach angesiedelten Verlag eine Seemanns-Novelle erscheinen, die längst schon fertig sei.

Apropos Seemann: Druckfrisch zur Leipziger Buchmesse herausgekommen ist im mare Verlag Essigs etymologische Schatzkiste „Ein Meer ist eine See ist ein Ozean“, in welcher der Seemannssohn erklärt, wie Ärmelkanal, Rossbreiten und Ochsenbauchbucht zu ihren Namen kamen. Ein Buch, das man immer wieder gern mit Vergnügen (herrlich: die Illustrationen von papan) und Gewinn zur Hand nimmt. Und Essigs zahlreiche Publikationen zu Redensarten haben den Bamberger derart bekannt gemacht, dass man ihm das Prädikat „Sprichwörterpapst“ verliehen hat. Es lohnt, mehr als nur einen flüchtigen Blick in Essigs Bücher zu werfen, auch in die gemeinsam mit seiner Frau verfassten aus dem „Schuressig-Park“.

Lektürehinweise:

Essig, Rolf-Bernhard, Ein Meer ist eine See ist ein Ozean. Wie Ärmelkanal, Rossbreiten und Ochsenbauchbucht zu ihren Namen kamen. Mit Illustrationen von papan. Hamburg: mare, 2014.

---, Die Kunst, Wasser zu fegen. Roman. Lindlar: Ch. Schroer, 2013.

---, Wie die Kuh aufs Eis kam. Das Beste aus der Welt der Wörter. Berlin: Aufbau, 2013.

---, Holy Shit. Alles übers Schimpfen und Fluchen. Illustriert von papan. Berlin: Rütten und Loening, 2012.

---, Alles für die Katz. Die lustigen Geschichten hinter unseren Redensarten. Illustriert von Ulrike Möltgen. München: Hanse, 2011.

---, Schreiberlust & Dichterfrust. Kleine Gewohnheiten und große Geheimnisse der Schriftsteller. München: Hanser, 2007.

---, Der Rausch der Meere. Über die See, den Alkohol und noch mehr. Zürich: Oesch, 2005.

--- und Manfred Koch, Übergangenes. En passant. Bilder aus Paris von Manfred Koch, Gedichte von Rolf-Bernhard Essig. Deutsch und Französisch. Bamberg: Erich Weiß, 2011.

--- und Gudrun Schury, Wie der Klatsch zum Kaffee kam. Wundersames aus der Welt der Wörter. Berlin: Rütten und Loening, 2011.

---, Alles über Karl May. Ein Sammelsurium von A bis Z. Berlin: Aufbau, 2007.

Copyright Foto: © Ulrike Langer

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