Musik ist eine Zeitkunst, keine Frage. Hierin lag schon immer der Grund für die Schwierigkeiten ihrer Begreifbarkeit. Vor einem Gemälde kann man stehenbleiben und es so lange studieren, wie man möchte, während die Musik einem fortlaufend entschwindet – eine flüchtige Kunst, eine Zeitkunst eben. Insofern nimmt es kaum Wunder, dass die ION 2018 ihr Motto auf dieses kurze Wort mit seinen vier Buchstaben beschränkt hat, sinnbildlich ergänzt durch kippende Dominosteine. Mit einem „Triumph der Zeit“ eröffnet das große Kirchenmusikfestival am 8. Juni seine Veranstaltungsreihe in der Sebalduskirche. Auch die Stundengebete sind – als eine Einteilung des klösterlichen Tages – der unerbittlichen Zeitdimension unterworfen, weshalb am 16. Juni ein „Officium“ mit sieben musikalischen Stundengebeten am selben Ort stattfindet.
A propos Ort: „Wo spielt eigentlich Musica Sacra?“ fragt ein Symposium am 12. Juni, an dem neben dem ION-Chef Folkert Uhde namhafte Gäste aus der Musikwelt teilnehmen. Am Abend des gleichen Tages wird im Germanischen Nationalmuseum (Kreuzgang und Kartäuserkirche) ein „sinnlicher Dialog zwischen den Kulturen“ unter der Überschrift „Paharión – 15 Dialoge zwischen Ost und West“ angeboten. Tags zuvor wird die Tradition der Aufführungen von Anton Bruckners großformatigen Symphonien im sakralen Raum (nämlich in der Lorenzkirche) fortgeführt, diesmal mit der Vierten (der „Romantischen“), interpretiert von der Staatsphilharmonie Nürnberg unter der Leitung ihres Chefdirigenten Marcus Bosch.
Ein Festival-Labor für innovative Konzertformate, „ION Lab 1-3“ genannt und von Studierenden der Nürnberger Hochschule für Musik gestaltet, wartet am 11. Juni auf alle Experimentierfreudigen. Die bewegte Geschichte der einzigen Barockkirche Nürnbergs steht im Mittelpunkt eines Konzertes am 10. Juni, und das aufgrund eines Jubiläums: 300 Jahre St. Egidien wollen musikalisch und architekturgeschichtlich gewürdigt werden. Am 13. Juni ist Claudio Monteverdis 1641 veröffentlichte Sammlung Geistlicher Musik „Selva Morale e Spirituale“ als Vesper zu Ehren der Jungfrau Maria und unter dem Titel „Pianto della Madonna“ zu hören.
Als bereits bewährtes Format darf der „Orgel.Wett.Streit“ gelten, der diesmal am 14. Juni unter Beteiligung von zwei Orgelvirtuosen aus Deutschland und den Niederlanden in St. Sebald stattfindet. Von Tradition kann man auch bezüglich der „IONacht“ reden, die bereits zum fünften Male stattfindet und neben vier Kirchen auch den Hauptmarkt und den umliegenden Einzelhandel einbezieht, der „musikalische Appetithäppchen“ anbietet. Des Weiteren gibt es ein „Kompositionsforum“ (am 16. Juni), Orgelführungen, Mittagskonzerte, Gottesdienste, Klangproben, das ION-Schulprojekt, den traditionsreichen Orgelwettbewerb und eine Exkursion zur Ebracher Klosterkirche mit ihren berühmten Barockorgeln.
Fotocredits:
Spem in Alium, Foto © Nicola Dal Maso