Die Nacht der Museen ist mittlerweile aus dem Rhein-Main-Kulturgeschehen nicht mehr wegzudenken. Zu diesem Termin öffnen über 50 Museen und Ausstellungshäuser in Frankfurt und Offenbach abends ihre Türen, um zu ungewöhnlicher Zeit von 19 Uhr abends bis 2 Uhr früh ihr vielfältiges Angebot zu präsentieren. Dabei können einheimische und auswärtige Gäste nicht nur die laufenden Ausstellungen mit oder ohne Führung besichtigen. Das sehr umfangreiche Programm dieser Nacht beinhaltet auch Musikevents, Tanz, Lesungen, Theatervorführungen, Künstlergespräche, Workshops, Partys und internationale Gastronomie. Auf zwei Events möchten wir unsere Leser an dieser Stelle gerne besonders aufmerksam machen. Vom 23. April bis zum 25. September ist im Museum für Angewandte Kunst Stefan Sagmeister mit seiner „Happy Show“ zu sehen. Hier zeigt der in New York lebende Superstar des Grafikdesigns die Resultate seiner zehn Jahre andauernden Untersuchung des Glücks. Mit feinem Humor und ironischer Distanz kommentiert er sich selbst und die Welt zum Thema, verziert fröhlich die Wände des Museums mit handschriftlichen Bemerkungen. Er verarbeitet sozialwissenschaftliche Daten der Glücksforschung bedeutender Historiker, Psychologen und Anthropologen in hochgradig emotionalen Infografiken, Skulpturen, Installationen und Filmen. Sagmeister zeigt Gestaltung als wichtigen gesellschaftlichen Faktor, weniger zur Verkaufsförderung, denn als Hilfe für das Verstehen einer Welt, die, wie an einem riesigen Gummiband befestigt, endlos beschleunigt wird. Die Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst ist die erste Gelegenheit „The Happy Show“ in Deutschland zu sehen.
Der zweite Tipp führt uns in das Museum für Moderne Kunst, kurz MMK. Drei der renommiertesten europäischen Museen für moderne und zeitgenössische Kunst – das Centre Pompidou, die Tate und das MMK Museum für Moderne Kunst – führen bedeutende Werke aus ihren Sammlungen zu einem europäischen Museum auf Zeit zusammen. Den konzeptuellen Ausgangspunkt für diese einzigartige internationale Museumskooperation bildet eine Zukunftsvision: Wir schreiben das Jahr 2052. Die Museen sind von der Auslöschung bedroht und die Kunst verschwindet aus der Gesellschaft. Über 80 Hauptwerke aus den drei europäischen Sammlungen werden unter diesem Science-Fiction-Szenario zu einem transnationalen Museum auf Zeit vereint. Gezeigt werden Werke von bedeutenden künstlerischen Positionen aus den 1920er-Jahren bis in die Gegenwart, wie Louise Bourgeois, Marcel Duchamp, Isa Genzken, On Kawara, Claes Oldenburg, Sigmar Polke, Bridget Riley, Andy Warhol und vielen mehr. Die Ausstellung ist inspiriert von Ray Bradburys Science-Fiction-Roman Fahrenheit 451 (1953) und dessen legendärer Verfilmung von François Truffaut (1966). Bradbury entwirft das Bild einer Zukunft, in der literarische Werke aus der Gesellschaft verbannt sind. Die einzige Möglichkeit, sie für nachfolgende Generationen zu bewahren, liegt darin, die Werke zu erinnern. Die Ausstellung „Das imaginäre Museum“ führt in eine ähnlich düstere Zukunft, in der die ausgestellten Kunstwerke aus den drei europäischen Sammlungen kurz vor ihrer Vernichtung stehen. So wie Bradburys „Büchermenschen“ die literarischen Werke nur durch Auswendiglernen vor dem Verschwinden bewahren können, lädt die Ausstellung die Besucher dazu ein, sich die präsentierten Kunstwerke einzuprägen. So werden die Betrachter zu einem aktiven Teil der Präsentation. Der Ausstellungsparcours endet mit einer Hommage an das Rätselhafte und Unbegreifliche in der Kunst, mit Werken von Hans Haacke, Walid Raad, Jeff Wall und vielen mehr. Nach ihrer Laufzeit eröffnet die Ausstellung noch ein letztes Mal für ein großes Abschlusswochenende. Die Kunstwerke sind nun fast alle entfernt und durch Personen ersetzt worden, die durch ihre persönlichen Erinnerungen und Interpretationen die Ausstellungsstücke wiedergeben und sie auf diese Weise zurück ins Bewusstsein rufen. Die Besucher sind nun Botschafter geworden, und es entsteht ein lebendiges Museum.
Auf dieser kulturellen Entdeckungstour sind die Museen sehr gut zu erreichen, da viele Häuser dicht nebeneinander am Museumsufer liegen. Die übrigen Museen sind durch einen kostenlosen Shuttle-Bus-Service miteinander verbunden. Die Karten zur „Nacht der Museen“ gibt es etwa zwei Wochen vor Beginn in allen beteiligten Häusern, den Touristinformationen am Römerberg und am Hauptbahnhof und in allen bekannten Vorverkaufsstellen. Wer eine Museumsufer-Card besitzt, erhält kostenlosen Eintritt.
Nacht der Museen am 23. April 2016 in Frankfurter und Offenbacher Museen
Stefan Sagmeister. „The Happy Show“, vom 23. April bis zum 25. September 2016 im Museum für Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt
„Das Imaginäre Museum. Werke aus dem Centre Pompidou, der Tate und dem MMK Museum für Moderne Kunst“, vom 24. März bis 4. September 2016 im MMK, Domstraße 10, 60311 Frankfurt
Copyright Fotos:
Stefan Sagmeister, The Happy Show - Wie glücklich sind Sie? MAK DESIGN LABOR-MAK, Ausstellungsansicht 2015, Foto © MAKAslan
Stefan Sagmeister, Portrait, Foto © Sagmeister & Walsh, John Madere