Neues Museum, neue Direktorin
Eva Kraus im Gespräch
veröffentlicht am 01.04.2015 | Lesezeit: ca. 11 Min.
Seit dem 15. September 2014 ist die Kulturmanagerin und Kuratorin Eva-Christina Kraus neue Direktorin am Neuen Museum in Nürnberg, das im Jahr 2000 am Klarissenplatz als Haus für Kunst und Design der Gegenwart eröffnet wurde. Kraus, gebürtige Münchnerin des Jahrgangs 1971, war bislang als freischaffende Galeristin und Kuratorin tätig. Sie folgt Angelika Nollert nach, die als Direktorin zur Neuen Sammlung – The International Design Museum Munich wechselte. Herausgeber Ludwig Märthesheimer und Chefredakteur Jürgen Gräßer trafen sich mit Eva Kraus zum Gespräch im Neuen Museum.
Vor wenigen Wochen ist die Gerhard-Richter-Ausstellung zu Ende gegangen. Das war für Sie ein glänzender Einstieg, bei deren Vorbereitung noch Ihre Vorgängerin, Angelika Nollert, maßgeblich beteiligt war.
Eva Kraus: Ja genau. Wir haben generell ein bis zwei Jahre Vorlauf in der Planung. Insofern kam ich an und habe mich hier ins gemachte Nest gesetzt, wie ich immer sage. Es ist ein Geschenk, zum Einstand eine derartig überregional, sogar international sichtbare Ausstellung zeigen zu können. Gemeinsam haben wir noch Feinheiten geklärt, und ich habe den Katalog mit verantwortet. Vonseiten des Sammlers Georg Böckmann aus Berlin, der uns die Exponate zur Verfügung gestellt hat, war die Ausstellung seit Jahren geplant.
Böckmann hat Ihnen die Werke als Dauerleihgabe überlassen?
Eva Kraus: Ja, insgesamt sind es neunundzwanzig Stück, von denen zwei im Bundeskanzleramt bei Frau Merkel unabkömmlich sind. Die hatten wir angefragt, haben aber bis zum Ende der Legislaturperiode keine Chance. Frau Merkel weiß mittlerweile auch, was sie daran hat. Die Ausstellung bot einen schönen Überblick über Richters Schaffen aus fünf Jahrzehnten. Wir haben 61 000 Besucher geschafft. Ich glaube, das ist eine wirklich ganz hervorragende Zahl. Teile daraus zeigen wir auch jetzt noch, in komprimierter Form. Es war wirklich eine prachtvolle Ausstellung. Das Spannende an Richter ist, dass er sich selbst immer wieder in Frage stellt. Manche frühen Arbeiten hat er vernichtet oder überarbeitet. Nur jemand, der sich selbst zensiert, der sich selbst der strengste Kritiker zu sein versucht, kommt auch so weit.
Hat das Neue Museum auch ein Programm, das sich gezielt an jüngere Besucher wendet, an Kinder und Jugendliche?
Eva Kraus: Hier engagieren wir uns sehr stark. Unser museumspädagogischer Bereich hat bis zu tausend Projekte und Programmpunkte pro Jahr. Das sind Führungen, das sind Workshops, wo es auch wirklich praktisch zugeht und man Farbe über die Leinwand streichen kann. Das geht bis hin zu Fortbildungen von Lehrern, die das Gelernte dann wieder multiplizieren. Dieser Bereich ist eine wirkliche Herausforderung. Aber es ist ein sehr schönes Merkmal für das Haus, dass wir einen so großen Schwerpunkt darauf legen. Diese Arbeit ist wirklich wichtig.
Sie haben auch eine beliebte Musikreihe am Sonntagvormittag, „Zeit für zeitgenössische Musik im Neuen Museum“, eine Kooperation mit den Pegnitzschäfern unter der künstlerischen Leitung von Wilfried Krüger.
Eva Kraus: Ja, genau. Und wir haben auch einige Foyerausstellungen. Das ist unsere Schnittstelle zur Öffentlichkeit. Alles, was im Auditorium und im Foyer stattfindet, ist kostenlos zugänglich. Zum Beispiel im Sommer eine Plakate-Ausstellung. Und im Herbst bringen wir die Oper ins Museum. Als Arbeitstitel nennen wir das „Die Wagner-Jukebox“. Aus dem „Ring“ und dem Kosmos Wagner kann man sich verschiedenste Motive heraussuchen, ob das jetzt Bilder, Videos oder Musikstücke sind. Es ist ein Versuch, dem Kulturpublikum Wagner auch in anderer Form zugänglich zu machen. Das ist eher ein Experiment. Wir schauen, ob wir dadurch auch ein anderes Publikum erreichen. Ich hoffe, dass sich durch die Zusammenarbeit mit der Oper und die Bewerbung Synergien ergeben. Aber ich muss zugeben, dass ich aus den Inhalten heraus arbeite und nicht zuerst die Zielgruppe im Auge habe.
Sie waren in München und in Wien. Das ist Ihre erste feste Stelle hier?
Eva Kraus: Ich war vorher in Wien, wo ich fünf Jahre lang in fester Anstellung eine Stiftung geleitet habe, von 1998 bis 2003, die Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung. Ein Museum, das man für den Architekten, Designer, Bühnenbildner und Theoretiker Friedrich Kiesler eingerichtet hat. Insofern ist dies nun meine zweite feste Stelle. Ich war immer gern frei und habe vieles Unterschiedliche gemacht. Ich war auch als Kuratorin in New York am Cooper-Hewitt National Design Museum. Ich muss dazu immer sagen, dass die freiberuflichen Tätigkeiten die größeren Herausforderungen als die Festanstellungen sind. Das ist mir gerade gestern durch den Kopf gegangen. Wie ist es denn nun hier am Haus? Es läuft gut. Es ist natürlich eine Herausforderung, aber im Gegensatz zu Projekten, die man so aus dem Boden stampft, wo gar keine Strukturen existieren, wo man keine Gelder hat, wo man alles von vorne irgendwie anfangen und bis zum Schluss durchboxen muss, ist das hier ein sehr komfortabler Job.
Was war der Beweggrund für Sie, nach Nürnberg zu gehen?
Eva Kraus: Ich habe mich natürlich interessiert für dieses tolle Haus. Aber ich glaube, es ist auch naheliegend, weil ich hier in der Region sehr verwurzelt bin und meine Großeltern aus Nürnberg und Erlangen kommen. Vielleicht hat das Ministerium gedacht, dass ich für diese Stelle prädestiniert bin, weil ich nicht nur die Verbindung von Kunst und Design mitbringe, sondern recht viele Verbindungen hier in der Region habe.
Das heißt, Sie waren die Wunschkandidatin?
Eva Kraus: Ich glaube schon. Es gab aber andere Kandidaten auch, auch internationale Mitbewerber. Ich glaube, dass man darauf schaute, hier jemanden zu haben, der sich auch mit der Region so ein bisschen identifizieren kann.
Ihre Vorgängerin ist nach München gegangen, Sie sind von München gekommen, wo Sie die auf zeitgenössische Kunst spezialisierte Galerie Steinle Contemporary leiteten.
Eva Kraus: Genau, wir haben sozusagen getauscht.
Wo sehen Sie denn im nationalen oder auch im internationalen Vergleich Ihre neue Wirkungsstätte?
Eva Kraus: Ich denke schon, dass sie als Design- und Kunstmuseum in einem einmalig ist. Das gibt es deutschlandweit sonst nicht, und auch international gibt es davon nur sehr, sehr wenige Beispiele. Nicht nur, dass wir hier eine herausragende Architektur haben, die sich wunderbar ins Stadtbild einpasst, es ist ein wirklich imposanter Bau, sondern die Sammlung ist gut aufgestellt. Wir haben durch den Zuwachs durch Böckmann, der nicht nur Gerhard Richter, sondern auch A. R. Penck umfasst, den wir jetzt im Herbst zeigen werden, eine auch international gesehen wirklich wichtige Sammlung bekommen. Dadurch wächst natürlich auch die Sichtbarkeit des Hauses. Im Vergleich zu anderen Häusern in Deutschland muss sich Nürnberg überhaupt nicht verstecken. Ganz im Gegenteil. Auch durch die Lage nahe am Bahnhof haben wir doch eine sehr gute Sichtbarkeit und sind sicherlich, ohne dass ich hier jetzt ein Ranking aufziehen möchte, unter den führenden Häusern Deutschlands.
Das war schon Ihr Traum, Museumsdirektorin, oder? Das Museum als Sehnsuchtsort. Was macht denn den Zauber dieses Museums für Sie aus?
Eva Kraus: Ich erzähle immer gern eine Geschichte aus meiner Zeit als Praktikantin. Da hatte ich den Generalschlüssel für das Museum für Angewandte Kunst in Wien. Und auch jetzt habe ich ja den einzigen Schlüssel, der wirklich überall passt. Es ist ganz toll, wenn man gerade nachts durch die Räume geht und mit sich und der Kunst alleine ist. Das ist dann doch schon so der Punkt, wo ich mir denke, dass dies genau das ist, was ich immer machen wollte. Im Kunsthistorischen Museum in Wien gibt es dieses Format, da kann man eine Nacht im Museum mieten. Ich wusste eigentlich schon immer, dass ich in den Museumsbereich gehen wollte, und habe dann auch im Nebenfach Museologie studiert.
Können Sie sich in den Tagesablauf einmischen?
Eva Krauss: Die Künstler sagen immer, dass ich einen sehr starken Einfluss habe. Ich habe viele Inszenierungen gemacht und mit Künstlern zusammen überlegt, wie man Räume gestaltet. Stichwort Display. Das liegt mir sehr am Herzen, und ich bin jemand, die da schon sehr stark auch mitdenkt. Und als Kuratorin bin ich es auch gewohnt, mit den Künstlern gemeinsam Dinge zu entwickeln. Auch der Kunstsammler, Kurator und Galerist René Block zum Beispiel hat ja eng mit Beuys zusammengearbeitet. Aus meiner Zeit als Galeristin, als wir auch viel Performatives machten, weiß ich, dass da schnell die Frage aufkommt, wo die Grenzen zwischen Künstler und Kurator beziehungsweise Galerist sind. Ich habe es selten erlebt, dass Künstler nicht gesagt haben, es sei besser geworden, indem man sich einmischt. Es lohnt sich eigentlich immer, ist immer produktiv.
Hier in Nürnberg sitzt ja auch die Akademie für Bildende Künste, mit der Sie sicherlich auch zusammenarbeiten?
Eva Kraus: Ja. Wir haben gute Kontakte zu verschiedenen Professoren und haben auch schon angefangen, uns Projekte einfallen zu lassen. Es gibt beispielsweise den SUBBus, ein Kunstbus der Klasse Simone Decker, die Sternfahrten unternimmt und sich im öffentlichen Raum einmischt. Die wollen im Herbst hier am Klarissenplatz Station machen.
Sie engagieren sich für zeitgenössische Kunst auch, indem Sie Preise vergeben, etwa den Internationalen Faber-Castell Preis für Zeichnung, der im Juli zum zweiten Mal verliehen wird. Können Sie dazu etwas sagen?
Eva Kraus: Das ist eine Kooperation mit Faber-Castell, ein Unternehmen, das dazu prädestiniert ist, dass es sich auch in der Kunst engagiert. Der Wettbewerb hat wirklich ein international sehr hohes Niveau, darunter teilweise schon sehr bekannte Leute, teilweise aber auch ganz tolle Neuentdeckungen, die hier die Chance haben, eine Gruppenausstellung zu machen.
Können Sie uns einen Vorausblick geben auf das, was die Besucher im Neuen Museum 2015 noch erwartet?
Eva Kraus: Bis Juni haben wir die Ausstellung „Gesichter“, in der sich Künstler auch medienkritisch mit dem Thema Portrait auseinandersetzen. Dann kommt eben der Faber-Castell Preis und im Herbst haben wir Olaf Metzel, einen stadtbekannten Künstler, der ja die Ummantelung des Schönen Brunnens am Hauptmarkt verbrochen hat. Er hat die Begabung, nicht nur politische Themen zu fassen, sondern diese vom Skulpturalen und Installativen her auch sehr spannend umzusetzen. Da freue ich mich drauf. Und 2016 wird es eine große Ausstellung geben, die sich mit den Schnittmengen zwischen Design und Kunst befasst und in der es darum geht, wie der Mensch seine Umwelt gestaltet.
Glauben Sie, dass das Museum ein Zukunftskonzept ist?
Eva Kraus: Ja, ich glaube ans Museum. Definitiv. Eine Insel der Ruhe und ein Ort der Kontemplation. Man kann an dem Gezeigten, ob es nun Kunst oder Design ist, den Stand unserer Gesellschaft sehr gut ablesen. Ich glaube auch an den Ort des Lernens und des Vermittelns und der Diskussion. Ich glaube, und ich hoffe sehr stark, dass das Museum wieder zu einer gesellschaftlichen Plattform wird, durch unterschiedliche Formate, durch Veranstaltungen und Ausstellungen. Das ist natürlich auch meine Aufgabe, dergleichen zu kommunizieren. Ich sehe das Museum auch als eine Art Oase, die ich zelebrieren möchte. Und hoffe, dass dies auch in Zukunft Bestand haben wird.
Das hoffen wir auch. Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen gutes Gelingen in Ihrem Tun.
Copyright Fotos:
Eva Kraus im Interview, Foto © 2mcon, Bamberg
Eva Kraus vor ihrem „Lieblings-Richter“ („Decke“, Öl auf Leinwand, 1988), Foto © 2mcon, Bamberg