Vom 23. Oktober 2020 bis 21. Februar 2021 präsentiert das Neue Museum rund vierzig herausragende Werke aus den europaweit einzigartigen Beständen des Museums Brandhorst in München. Keine andere Institution in Deutschland hat den Diskurs um die Gegenwart und Zukunft der Malerei so konstant vorangetrieben.
„Painterly. Von Warhol und Twombly bis heute – Malerei aus dem Museum Brandhorst“ knüpft hieran unmittelbar an und widmet sich insbesondere der Frage nach dem Status der malerischen Geste und des malenden Subjekts. Die Ausstellung setzt die beiden in der Sammlung Brandhorst mit beachtlichen Konvoluten vertretenen Heroen der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts Andy Warhol und Cy Twombly in einen Dialog mit fünfzehn zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler. Auf der einen Seite Andy Warhol, der durch seine Reproduktion vorgefundener massenkultureller Bilder konzeptuellste Vertreter der Pop Art. Auf der anderen Seite die expressiven Gesten Twomblys, deren nervöse Spontaneität an großstädtische Graffiti erinnert. Reproduktion und Repetition sowie das scheinbar unvermittelt Gestische lassen sich auch als Strategien aller weiteren beteiligten Künstlerinnen und Künstler erkennen, die damit Themen wie Macht- und Geschlechterverhältnisse, Subjekt und Kapitalismus oder künstlerische Produktion und Repräsentation im Hinblick auf digitale Technologien ergründen.
Die Prinzipien der Aneignung und Wiederholung und mit ihnen das Unterwandern künstlerischer Grundwerte wie Originalität und Autorschaft hat wohl niemand so dezidiert eingesetzt wie Andy Warhol, dessen Triple Elvis (1963) am Eingang der Ausstellung „Painterly“ gleich dreifach auf die Besucherinnen und Besucher zielt. Anders als andere Pop-Artisten greift Warhol als Quelle für seine Motivwelt nicht allein auf die Warenästhetik von Konsumgütern und die Medienbilder der Unterhaltungsindustrie zurück, sondern er überführt seine Reproduktionen derselben durch das Verfahren des Siebdrucks in eine bis dahin ungekannte Serialität.
Die Unsicherheit über den Status von vervielfältigten bildlichen Zeichen – werden sie sinnentleert und auf ihre Oberfläche reduziert oder entwickeln sich neue Bedeutungsgefüge? – kennzeichnet auch die Wiederholungsstrategien weiterer Positionen, wie der von Sturtevant, Guyton\Walker und Josh Smith. Sturtevant gilt als Hauptvertreterin der sogenannten Appropriation Art. Ihre Arbeit Warhol Black Marilyn (2004) zeigt jedoch, dass die Aneignung fremder Kunstwerke nicht deren bedingungslose, jegliche Interpretation entbehrende Nachahmung bedeutet, findet sich im Werk Warhols doch keine schwarze Fassung des Marilyn Monroe-Porträts. Guyton\Walker, eine Künstlerpersona, zu der sich Wade Guyton und Kelley Walker zusammengefunden haben, reproduziert im digitalen Copy-Paste-Verfahren ihr eigenes Motivvokabular und verschmilzt es durch Aufdrucke auf Tische und Matratzen mit dem Prinzip des Readymade. Josh Smith hingegen scheint es vordergründig ganz um einen gestischen Ausdruck zu gehen. Erst durch seine Strategie der nicht abgeschlossenen Wiederholung von nur wenigen Motiven, darunter das Stopp-Schild, verliert selbst der betont expressive Duktus die Eigenschaft der Einmaligkeit und verbürgt nicht mehr einen künstlerischen Stil, sondern steht für einen formelhaften Einsatz.
Der Ambivalenz der malerischen Geste spürt auch eine Zusammenstellung von Werken Cy Twomblys mit denen von Monika Baer, Nicole Eisenman und Amy Sillman nach. Twombly ist bekannt für seine subversiv eingesetzten skripturalen Elemente wie auch für seinen ausdruckstarken Farbauftrag, der nicht mehr, wie bei der Vorgängergeneration der Abstrakten Expressionisten, die Authentizität eines Subjekts verbürgen, sondern bewusst die Nähe zu Alltagserscheinungen, wie Inschriften im öffentlichen Raum, suchen. Dass das Anbringen von Schrift oder die Suggestion derselben eine Lesbarkeit und damit ein inhaltliches Verstehen zwar in Aussicht stellt, aber nicht einlösen muss, führt Twombly wiederholt vor und hält damit, durchaus provozierend, den malerischen Ausdruck zwischen Abstraktion und entzifferbarer Darstellung in der Schwebe. Eine ähnliche Reflexion über die Un/Lesbarkeit piktorialer Zeichen verfolgen auch Künstlerinnen wie Amy Sillman oder Nicole Eisenman, wenn sie über die Betitelung ihrer Werke entweder abstrakte Kompositionen in das Register der Gegenständlichkeit überführen, wie Sillmans Nose Job (2014/15), oder in figürlichen Arbeiten, wie Eisenmans Cat Walking Under a Disambiguous Trash Cloud (2017), gerade den im Titel als unmissverständlich bezeichneten Part der Bildkomposition am uneindeutigsten halten. Monika Baer nicht zuletzt reflektiert die malerische Expression als eine in der Kunstgeschichte lange Zeit als ingeniös männlich besetzte Schöpfung, die sie aber gleichsam humoristisch bricht und selbst lustvoll in Anspruch nimmt. So können gerade die Arbeiten der in „Painterly“ vertretenen Künstlerinnen, vor allem auch Jana Eulers Darstellungen phallisch emporschnellender Haie, als ironische wie selbstbewusste Um- und Weiterschreibungen eines vormals männlich dominierten Kanons der Gegenwartskunst gelten.
Hervorgegangen ist das Museum aus der Sammlung von Anette und Udo Brandhorst. Dank der 1993 gegründeten Brandhorst Stiftung verfügt das vom Freistaat Bayern betriebene Museum über einen großzügigen Ankaufsetat: Allein in den ersten zehn Jahren seit der Eröffnung 2009 wuchs die Sammlung um rund 500 auf 1.200 Werke. Dabei liegt ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt auf der künstlerischen Auseinandersetzung mit aktuellen Formen massenmedialer Bilderzeugung und damit auf Fragen nach dem Einfluss digitaler Verfahren und Technologien unseres Informationszeitalters. Auch die so bedingte Transformation des Leinwandbildes findet sich in der Nürnberger Präsentation wieder, etwa mit den Computerbildern von Albert Oehlen, den von Emojis übersäten Oberflächen Jacqueline Humphries’ oder den großformatigen, mit einem Tintenstrahldrucker hergestellten Werken von Wade Guyton.
Folgende Künstlerinnen und Künstler sind mit Werken in der Ausstellung vertreten:
Monika Baer, Nicole Eisenman, Jana Euler, Wade Guyton, Guyton\Walker, Rachel Harrison, Jacqueline Humphries, KAYA (Kerstin Brätsch & Debo Eilers), Michael Krebber, Albert Oehlen, Seth Price, Ed Ruscha, Amy Sillman, Josh Smith, Sturtevant, Cy Twombly, Andy Warhol.
Zu der Ausstellung gibt es natürlich auch ein Begleitprogramm. Sonntags, von 13 bis 17 Uhr stehen sogenannte Cicerones (Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler) in der Ausstellung für Fragen einzelner Besucherinnen und Besucher bereit. Eine Anmeldung ist hierfür nicht erforderlich; das Formular zur Kontaktnachverfolgung erhalten Sie an der Kasse.
Wichtiger COVID-19 – HINWEIS!
Um die staatlichen Vorgaben, Abstands- und Hygienemaßnahmen in der Ausstellung gewährleisten zu können, kann es zu Wartezeiten für Besucherinnen und Besucher kommen. Die für den Museumsbesuch geltenden Regelungen finden sich unter www.nmn.de.
Die Ausstellung „PAINTERLY. Von Warhol und Twombly bis heute - Malerei aus dem Museum Brandhorst" ist noch bis zum 21. Februar im Neuen Museum Nürnberg, Luitpoldstraße 5, 90402 Nürnberg zu sehen.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr Donnerstag 10 bis 20 Uhr, Montag geschlossen. Feiertage: 1. November, 26. Dezember, 1. Januar, 6. Januar geöffnet von 10 bis 18 Uhr 24., 25. und 31. Dezember geschlossen.
Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 6 Euro, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren frei