Woran es wohl liegt, dass der Überdruss an den allgegenwärtigen Worthülsen des Politikbetriebs zunimmt? Auch Abstumpfung hat jedenfalls ihre Grenzen. Liegt es an den professionellen Einflüsterern von der Marketing-Front, der Unzahl von Öffentlichkeitsarbeiterinnen, die von der Politik beschäftigt werden? Oder daran, dass das Politikpersonal zunehmend unfähig ist, nuancenreich zu argumentieren?
Wir sollten uns hier aber vor Pauschalisierungen hüten, denn nicht alle Politiker sind in sprachlicher Hinsicht solch hoffnungslose Fälle wie Olaf Scholz, der sich angewöhnt hat, seine Platitüden auch noch durch längere Pausen zu dehnen. Ausnahmen sind Robert Habeck und Karl Lauterbach. Die finden nämlich oft genug originelle Formulierungen, die allerdings manchmal etwas gewagt klingen und prompt hämische Reaktionen zeitigen.
Bei der risikofreien Redeweise Franziska Giffeys ist man da besser aufgehoben. Sie weiß nämlich stets, „was die Menschen vor Ort bewegt“ und wer „ein gutes Gespür für die Leute“ hat. Und überhaupt ist ein kompletter „Neuanfang“ notwendig, befand sie kürzlich nach der Berliner Wahlschlappe. ’Neu’ ist ein unkaputtbarer Klassiker, auch wenn es kaum ein Wort gibt, dass mittlerweile so sinnentleert ist. Claudia Roth z.B. empfiehlt bezüglich ihrer Vorstellungen zur Förderung der Cinematographie, man müsse „den Film neu denken“. So what?
Kathrin Habenschaden ist die Fachfrau für Befreiungsschläge. Ob Stammstrecke, Paketposthalle oder Konzertsaal, die Münchner Vizebürgermeisterin schlägt stets einen „Befreiungsschlag“ vor, doch wovon man befreit werden soll, verrät sie nicht. Da ist Melanie Huml sanfter. Man müsse „mit den Menschen ins Gespräch kommen“, wünscht sich die Ministerin, wahlweise auch „auf sie zugehen“. Bitte nicht, möchte man da gerne einwenden.
Frau Wildermuth gibt sich mit dem lästigen Hier und Heute erst gar nicht ab, und das ist auch besser so, denn die Gegenwart der ARD ist ja hinreichend von Miss- und Vetternwirtschaft geprägt. Statt dessen wagt sie einen mutigen Blick in die Zukunft: „Es geht darum, wo wir sein wollen in 10 Jahren“. Bewährt ist diese Strategie, den Ausblick auf jenen Zeithorizont zu bemühen, in dem man selber nicht mehr nach den Ergebnissen der selbst gestellten Prognose befragt werden kann.
Mal schauen, aus welchem Phraseologie-Typus Chat GPT künftig schürfen wird. Vielleicht wird’s ja origineller. Aber wem droht dann die Arbeitslosigkeit? Übrigens halten wir bei dieser Aufzählung die Frauenquote nicht nur ein, sondern übertreffen sie bei weitem. Befund: bei den Allgemeinplätzen lassen sich die Frauen nicht lumpen, was die Männer können, beherrschen sie allemal.