Es ist angerichtet für einen weiteren hochkarätigen Gast bei den Jazz- und Bluesopen in Wendelstein. Am 26. April gastiert Roberto Fonseca in der FV-Eventhalle. Fonseca, gebürtiger Kubaner und auch immer noch in seiner Heimat residierend, gilt als einer der begnadetsten Pianisten des Inselstaates. Sein Talent spülte ihn einst in die legendäre Band Buena Vista Social Club, in der er unter den Fittichen von Ibrahim Ferrer den Kultstatus genießenden Ruben Gonzales ersetzte. Seit Jahren ist er nun auf Singlepfaden unterwegs und beweist, dass sich jazzige Beats und kubanisch, lebensfreudige und traditionelle Musik nicht im Weg stehen, sondern perfekt harmonieren. Wenige Wochen vor dem mit Spannung erwarteten Gastspiel stand Fonseca Art. 5|III am Telefon für ein Interview zur Verfügung. Ein Gespräch mit Tücken. Schließlich ist die Internetverbindung im Karibikstaat in etwa so stabil wie eine normal keinen Alkohol trinkende Person nach dem Genuss von zwei oder drei Havanna Club-Cola. Am Ende stand die Verbindung. Und es entwickelte sich ein launiges Gespräch über eine Vielzahl von Aspekten, das einige überraschende Wendungen mit sich brachte.
Ja, ich bin gerade in der Heimat in Havanna. Es ist übrigens schön sonnig hier. Auch wenn es heute ein bisschen kalt ist. Also für uns. Für euch in Deutschland eher nicht (lacht)
Das könnte hinkommen. Ich habe wirklich schon lange nicht mehr in Deutschland gespielt. Aber jetzt freue ich mich drauf!
Das ist gut. Perfekt sogar!
Genau das ist es, was perfekt ist. Für mich und das ganze Projekt. Ich freue mich echt drauf, mit ihnen zu spielen und Party mit den Leuten zu haben!
Das war die Intention des Albums. Die Leute sollen sich fühlen, als wären sie in Havanna. Ich habe echt auf die Aufzeichnung geachtet, auf das Studio und die Instrumente. Das war mir sehr wichtig. Damit die Leute ein bisschen ein Feeling für die Stadt bekommen. Der Sound ist richtig warm mit hoher Qualität. Da musste alles perfekt sein.
Das stimmt. Der große Unterschied zwischen den beiden Alben ist der Stil, den ich spiele. Ich habe viele Kumpels, die meine Musik hören, die mich aber mehr Piano spielen hören wollten. Auf der Yesun spiele ich Keyboard und viele elektronische Sachen. Auf La Gran Diversion ist alles akustisch. Ich wollte, dass die Leute dem Album lauschen und eine wirkliche kubanische Atmosphäre spüren. In einem modernen Gewand ohne das kubanische Ambiente dabei zu verlieren. Speziell die Atmosphäre der Clubs dort.
Ich hatte diese Einflüsse von zuhause. Ich war wirklich glücklich, dass meine Familie die Musik so liebt. Also generell. Meine Mama hat klassisches Ballett auch geliebt. Meine ganze Familie hat Tanzen geliebt. Das war sehr wichtig. Diese Möglichkeiten, den ganzen Tag verschiedene Musikrichtungen zu hören, das gab mir erst die Möglichkeit, der Musiker zu sein, der ich jetzt bin. Ich kann afrikanische und kubanische Musik spielen. Und natürlich Jazz. Meine Eltern haben mich dahingehend erzogen, dass ich offen bin für alle möglichen Arten von Musik. Das hat es mir ermöglicht, meine Fähigkeiten zu verbessern und meine Spielarten und meine Kompositionen. Dafür liebe ich meine Familie.
(lacht) Natürlich.
Ich weiß, was Sie meinen. Und ich liebe es, darüber zu reden (lacht). Das ist Teil meines Lebens und meiner Geschichte. Ein wundervoller Teil sogar. Ich habe damals im selben Studio aufgenommen. Eines Tages hat mir ein Freund erzählt, dass der Buena Vista Social Club einen Klavierspieler für einige Aufnahmen sucht. Wir haben dann etwas gequatscht und er hat nur gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen soll und ich die Leute im Studio treffen würde. Erst als ich da ankam, habe ich realisiert, wer da eigentlich alles dabei ist. Ich mache da die Türe auf. Und plötzlich sehe ich da Ibrahim Ferrer und all die anderen großen Musiker und dachte mir nur so: Oh Shit. Ich bin in argen Nöten. Ich bin in verdammt großen Nöten. Schließlich war ich in der Zeit absolut in der Jazz-Schiene unterwegs. Ich hatte mit der traditionellen kubanischen Musik nichts am Hut. Die genoss keine Aufmerksamkeit meinerseits. Daher dachte ich echt, dass ich gerade so richtig im Eimer bin. Ibrahim ist ja wirklich eine ganz große Nummer. Dann habe ich mir Arsenio Rodriguez‘ Musik angehört. Dann habe ich einen Piano-Spieler namens Lili Martinez erstmals gehört. Als ich das gehört habe, habe ich mir nur gedacht: WTF... Ich sollte das Instrument in die Ecke stellen. Wenn ich das spielen soll, was er spielt – es wäre das schlechteste Piano-Solo aller Zeiten, dass die Menschheit je gehört hätte (lacht lauthals). Okay, das war Spaß. Ich habe jedenfalls nächtelang Martinez gespielt. Und mit jedem Tag war ich besser vorbereitet. Am Ende war ich dann der letzte musikalische Direktor von Ibrahim Ferrer, habe sein letztes Album Mi Sueño mitproduziert. Das war wunderschön und traumhaft.
Ibrahim? Er war zeitweise wirklich so wie mein Großvater. Er hat mich richtig viel beraten. Er hat mir immer gesagt, dass ich spielen kann was ich will, aber ich soll nie vergessen, dass ich Kubaner bin. Mach was du willst, hat er gesagt, aber bring in alles deine kubanischen Wurzeln ein. Egal, was du spielst. Das war unheimlich wichtig für mich. Genau deswegen ist mein Stil so, wie er ist. Ich will, dass die Leute spüren, dass ich aus Kuba bin. Ich meine, ich kann alles spielen. Aber jetzt weiß ich, dass ich das nie vergessen darf. Er war großartig! Als Künstler und als Mensch!
Weil ich verrückt bin! Da sind wir wieder bei meiner Familie. Ich habe damals so viel Funk-Musik gehört und Rockmusik. Und dann habe ich es geliebt zu Breakdancen. Kennen Sie das noch?
Ich habe viel Breakdance getanzt. Auf der anderen Seite habe ich die Sounds geliebt. Du musst die Beats lernen. Die Baseline beim Hip Hop. Die Basics der Rockmusik. Das ist sehr wichtig. Und dann habe ich beschlossen, dass, wenn ich etwas komponiere, ich dieses Ambiente für meine Musik haben will. Wir können echt froh sein, im Jahr 1975 geboren zu sein. In unserer Zeit sind viele große Songs und Musiker passiert. Damals haben die Leute Musik noch kreiert. Heutzutage machen Leute Musik, um Likes und Views einzuheimsen und den ganzen Mist. Damals haben Leute Kunst geschaffen. Das ist sehr wichtig.
Deswegen habe ich ein Tribute-Album auf den Buena Vista Social Club gemacht. Bei La Gran Diversion war es mir wichtig, kein Buena Vista 2.0 zu sein. Wer auch immer sich momentan Buena Vista-irgendwie nennt, der will Geld verdienen. Nichts anderes. Ich bin einer, der die Marke zurecht für sich beanspruchen kann. Ich war damals der Klavierspieler für Ruben Gonzales, habe mit der kompletten Band gespielt. Ich könnte behaupten, dass ich ein Sohn des Buena Vista Social Club bin. Aber mich interessiert es nicht! Ich fühle es. Einfach, da ich viele Sachen von ihnen gelernt habe. Ich war dort. Und ich habe ihre Musik gelernt. Ich hatte die Möglichkeit, mit Ibrahim und den ganzen anderen Großen zu spielen. Aber ich will kein Buena Vista 2.0 sein. Daher gehe ich das Risiko, zu sagen, dass ich Roberto Fonseca bin. Ein Projekt aus Kuba. Ein Tribute an die Cabarets und Clubs der 30er- bis 50er-Jahre. Club Tropicana und die Sachen. La Cabana Cubana. Ein Club in Paris. Alle kubanischen Musiker, die dorthin gingen, haben miteinander Musik gemacht. Deswegen bin ich so glücklich, wenn ich Menschen tanzen sehe. Das La Gran Diversion-Album ist ein Projekt, um Leute zum Tanzen zu bringen. Wenn du tanzen willst, dann bist du bei der Show absolut willkommen! Wenn du aber dasitzen willst und der Musik lauschen: Dann bist du erst recht willkommen. Wir machen keine Musik, wir machen Kunst. Das war meine Intention dahinter.
Ich ebenso. Sind wir doch ehrlich: Musiker sein. Das kann jeder. Das besondere ist es doch, ein Künstler zu sein. Solche Musiker, wie es Herbie Hancock war. Er ist ein Künstler. Nicht nur Produzent oder Pianospieler. Er ist ein großartiger Künstler! Er weiß, wie es geht.
Jeder weiß, dass die Situation in Kuba sehr speziell ist, um ehrlich zu sein. Jeder weiß um die Wirtschaftskrise hier. Für mich speziell ist es so, dass ich immer, wenn es möglich ist, nach Kuba zurückkomme. Hier habe ich die Chance, meine Akkus wieder aufzuladen. Auf der anderen Seite bin ich eine sehr ruhige Person. Ich bin gerne daheim, lese, höre Musik. Deswegen komme ich gerne zurück nach Kuba, um Zeit mit der Familie und Freunden zu verbringen. Das schlägt sich bei mir auch in der Musik nieder. Wenn ich gut drauf bin, dann bin ich kreativ. Aber auch wenn ich traurige Dinge sehe – dann verarbeite ich die mit und in meiner Musik. Mein Auftrag hier in Kuba ist es, den Leuten Musik zu geben, um ein bisschen ein besseres Leben zu haben. Ich will den Menschen Hoffnung geben. Für meine Karriere war es sehr wichtig, andere Teile der Welt kennenzulernen und dort zu sein. Aber immer nur mal für ein Jahr oder so. Alle Musiker tun das. Sie leben in Paris, England, Holland oder den USA. Das ist nichts schlimmes. All diese Einflüsse sind wertvoll für deine Arbeit.
Wir bereiten uns auf ein ganz spezielles Konzert vor. Was die Menschen sehen werden, sind Menschen, die ihre Musik lieben. Das wichtigste daran ist, dass die Musiker es lieben, ihre Musik mit dem Publikum zu teilen. Sie werden schöne, glückliche Melodien hören. Und natürlich Musik zum Tanzen. All die Musiker, die ich um mich habe, sind musikverrückte, die immer ihr Bestes geben. Es wird ein unvergessliches Konzert. Das kann ich versprechen! Ich freue mich darauf, euch zu sehen! Ihr werdet es genießen!
Weitere Acts und Informationen zum Programm des Jazz & Blues Open Wendelstein finden Sie unter www.jazzandbluesopen.de.