
Sich mit der Vergangenheit, besonders mit der Zeit des Zweiten Weltkrieges auseinanderzusetzen, ist immer ein riskantes Unterfangen. Der österreichische Theaterautor Stefan Vögel, bekannt auch durch Stücke wie „Die Niere“, hat dies in seinem Kammerspiel „Chaim und Adolf“ getan. Das Theater Ansbach bringt, unter der Regie von Intendant Axel Krauße, das Stück auf die Bühne. Nicht auf die des Großen Hauses, das derzeit nicht bespielbar ist, sondern in den Gelben Saal der Ansbacher Orangerie. „In diesem Fall“, so der Theaterchef, „passt das wunderbar, da die Handlung eh in einem Wirtshaus verortet ist.“ Ohnehin möchte Krauße das Theater schon länger hinaus in die Stadt bringen, es noch mehr nach außen öffnen, andere Orte bespielen. Als Sommerspielstätte hatte die Ansbacher Bühne bereits den Alten Posthof genutzt.
Chaim, Israeli mit deutschen Wurzeln, kommt regelmäßig zum Skifahren in einen österreichischen Wintersportort. Alles ist wunderbar, nur fehlt ihm am Abend in der Gaststube ein Partner zum Schachspiel. Dem Wirt fällt nur ein einziger Schachspieler im Ort ein, und der heißt Adolf. Ob er das seinem jüdischen Gast vorschlagen kann? Er macht es, Chaim stimmt trotz allem zu, ein denkwürdiger Schachabend kann beginnen. Die Sehnsucht nach einem guten Spiel war dann doch stärker als die namentlichen Vorbehalte, die beide als Nachfahren der Kriegsgeneration hegten. Die Namen hatten beide traditionsgemäß von ihren Großvätern geerbt. „Nun, als Ort in einem Skigebiet geht Ansbach nicht durch“, sagt der Regisseur lachend, „bei unserer Version radelt Urlauber Chaim begeistert durch die romantisch-fränkische Landschaft und landet in einer fränkischen Wirtschaft.“ Vom Autor des Stückes sei es auch gewünscht, die jeweilige Inszenierung lokal anzusiedeln. Das erhöhe die Aussagekraft der Handlung. Krauße erinnert sich, Chaim auch schon einmal als Surfer an der Küste gesehen zu haben. „Unser Wirt“, ergänzt er, „spricht fränkisch, was den nötigen Lokalkolorit zudem mitschwingen lässt. Die Handlung zeigt eine Alltagssituation, die sich überall entwickeln könnte.“ Vorgegeben ist eine Gaststuben-Szenerie mit Theke und einem Zapfhahn. Das zentrale Element sei aber das Schachbrett, das die beiden Männer zusammengeführt hat und um das sich die Gespräche aufrollen.
An der Vorlage reizt Krauße besonders auch das Setting, das keine konstruierte Situation vorgibt, sondern sich überall ereignen könnte. Auf Anfrage, so der Theaterchef, könnte die Produktion, die transportabel angelegt sei, auch auf Reisen gehen. Besonders findet der Intendant auch diesen „ungewöhnlichen Ansatz an ein heikles Thema“. Stefan Vögel sei bekannt für seine Komödien, habe daher einen leichteren Zugang gefunden. „Handwerklich“, hebt Krauße hervor, „sind die Handlungsstränge gut aufgebaut, beginnen ganz harmlos und fächern, wie eine gute Komödie, die dramatische Geschichte beider Männer und ihrer Familien auf.“ Das Stück zeige, sagt Krauße, wie sich so ein zurückliegendes Ereignis über Generationen hinweg fortführt und seine Schatten wirft. Untersuchungen hätten ergeben, dass dramatische Geschehnisse sich über mehrere Generationen weitertrügen. Darüber zu reden, im Theater zur Diskussion zu stellen, findet Krauße, auch mit Blick auf aktuelle Entwicklungen, enorm wichtig. In der Gaststube träfen die vermeintlich „deutsche Gemütlichkeit“ und das Ausblenden zeitgeschichtlicher Ereignisse aufeinander. Während des Schachspiels kommen Details der Familiengeschichten zutage, etwa auch ein Flüchtlingsschicksal, das vermutlich keine Ausnahme war, und beide auch verbindet. „Schicht um Schicht“, so der Intendant, „wird die alte Geschichte entblättert, hält so manche Überraschung bereit.“ Stefan Vögel habe diesen ernsten Kontext wunderbar mit Mitteln der Komödie bearbeitet, was dem Stück den besonderen Zug gebe. „Der versteht sein Handwerk“, schwärmt Krauße. Gut gefällt ihm auch, dass das Publikum einfach als Wirtshausbesucher:innen an den Nachbartischen direkt zum Teil des Geschehens werden. „Keine Sorge“, so Krauße, „mitspielen muss niemand! Aber man erlebt das so doch ganz anders, als wenn wir es auf der Bühne im Theater konstruiert hätten.“ Der Wirt wendet sich zwar hin und wieder an seine „anderen Gäste“, zapft ein Bier und dient so als Bindeglied der beiden Bereiche. Authentisch ergänzt werden soll die Gaststuben-Szenerie zusätzlich noch durch eine lautstark agierende Stammtischrunde. „Die sieht man nicht“, beschreibt Krauße die Idee, „hört sie aber deutlich aus einem imaginären Nebenzimmer.“
Als Darsteller, die Handlung gibt drei Herren vor, sind Ensemblemitglied Robert Arnold sowie als Gäste, am Haus aber bestens bekannt, Vladimir Pavic und Levent Özdil dabei. Als einziger steht bisher Özdil, gebürtiger Bad Windsheimer, als fränkischer Wirt fest. „Die beiden anderen Rollen“, so Krauße, „sind noch nicht fest zugeordnet, das geschieht dann bei den ersten Proben.“
Weitere Informationen zum Stück sowie zur Inszenierung gibt es unter www.theater-ansbach.de.