Ein als Fußbodenbelag entwickeltes Material wird ein Medium für künstlerische Grafik: Seit Anfang des 20. Jahrhunderts entdecken Künstler das geschmeidige, leicht zu schneidende Linoleum für den Hochdruck. Expressionisten wie Gabriele Münter, August Macke u. a. wenden die neue Technik des Linolschnitts an. In England verwenden die Künstler des „British Linocut Movement“ die Technik für futuristisch inspirierte Kompositionen voll Dynamik und Bewegung. Pablo Picasso und Henri Matisse nutzen seine Möglichkeiten, farbig zu drucken und Fläche und Linie in idealer Weise in Einklang zu bringen. Eine Wiederentdeckung erfährt der Hochdruck in den 1980er-Jahren bei Künstlern wie Georg Baselitz, Jörg Immendorff oder Markus Lüpertz, deren teilweise stark farbige, großformatige Grafiken in Konkurrenz zu ihrer Malerei treten.
Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen sammelt seit ihrer Gründung 1989 Linolschnitte. Entstanden ist eine einzigartige Sammlung, die einen repräsentativen Querschnitt von 1900 bis heute bietet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Wettbewerb „Linolschnitt heute“, der seit 1989 alle drei Jahre ausgerichtet wird. Dieser Wettbewerb ist mittlerweile weltweit in Fach- und Künstlerkreisen bekannt. Eine hochkarätig besetzte Jury wählt nicht nur die Preisträger, sondern ebenso Werke für eine Ausstellung und für den Ankauf aus.
Das Museum im Kulturspeicher Würzburg zeigt vom 29. Juli bis 1. Oktober 2017 einen über 100 Werke zählenden Ausschnitt aus dieser Sammlung: Von den frühen Linolschnitten des Expressionismus über die Werke der französischen Moderne wird der Bogen zu den deutschen Künstlern der 1980er-Jahre geschlagen. Von hier führt der Weg im Hauptteil der Ausstellung mit den Ankäufen aus den zehn Wettbewerben „Linolschnitt heute“ in die Gegenwart der Kunst des Linolschnitts.
Fotocredits:
Sybil Andrews, Sledgehammers, 1933 Farblinolschnitt, 30 x 34,5 cm, Auflage 51/60
Philipp Hennevogl, Bgf II (Bruttogewerbefläche), 2003 Linolschnitt, 67 x 102,5 cm, Auflage 2, Foto © Frank Kleinbach