Politrix

schlacht um die wolfsschlucht und: lauter bitte!!

kesselhaus, kunst, kreativzentrum (und ein klabautermann?)

veröffentlicht am 08.04.2014 | Lesezeit: ca. 9 Min.

Der Ruf blieb ungehört. Und das fand nicht nur der Rufer aus den Publikumsreihen im Großen Sitzungssaal des Bamberger Rathauses unerhört. Nun, es mag ja sein – und das immerhin wäre dann eine veritable Entschuldigung – dass Bertram Felix in seinen noch recht jungen Jahren (er ist im Sommer 1973 in der Domstadt geboren worden) so schlecht hört wie Ludwig van Beethoven in seinen späten. Den im Fortissimo vorgebrachten Einwurf „Lauter, bitte!“ jedenfalls nahm der Leiter des städtischen Wirtschafts- und Finanzreferates, dem er seit dem Maifeiertag 2009 vorsteht, nicht wahr und sprach beharrlich in seinem stillen dreifachen Piano weiter. Dabei hatte Felix doch (womöglich) Gewichtiges zu sagen, denn Punkt 9 der Tagesordnung zur Sitzung des Kultursenates am Frühlingsanfang versprach, nach allem was man im Vorfeld hörte, zur Revolution Number Nine zu werden.

Dieser wahrhaft wunde Punkt betraf die „Verwendung des alten Kesselhauses im früheren Krankenhaus als Ausstellungs- und Kunstraum“. Nicht weniger als fünfzehn hochkarätige und deutschlandweit wahrgenommene Kunstausstellungen hat die Kesselhaus-Initiative um den Berufsverband Bildender Künstler, den Architektur-Treff und den Verein Kunstraum JETZT! in den zurückliegenden drei Jahren dort mittels ehrenamtlichen Engagements auf die Beine gestellt. Die zweite Vorsitzende von Kunstraum JETZT!, Christiane Toewe, die naturgemäß neben weiteren Kulturschaffenden aus Bamberg zu den Zuhörern der öffentlichen Sitzung zählte, hatte eingangs der Woche die fehlende öffentliche, städtische und auch finanzielle Anerkennung für die in Sachen Kesselhaus geleistete Arbeit beklagt. Der Kulturreferent – es war die letzte von dem aus Altersgründen aus dem Amt scheidenden Werner Hipelius (CSU) geleitete Sitzung – erwähne in seiner Vorlage, so Toewe, das Engagement mit keinem Wort. Von Brandschutz und Baukosten sei da die Rede, ja davon, dass „eventuell erforderliche Sanitäreinrichtungen durch den Nutzungsberechtigten auf eigene Kosten zu beschaffen“ seinen, keine Silbe aber gelte der Wertschätzung und Anerkennung des Geleisteten. Dies sei nichts weniger als ein k.o.-Schlag für alle kulturschaffenden und an Kultur interessierten Bürger.

Ursula Sowa (B 90/Die Grünen) hingegen brachte in der Sitzung deutlich zum Ausdruck, dass das „Engagement für das Kesselhaus in den letzten Jahren unbezahlbar“ sei und wünschte sich als ein „schönes Signal“ vonseiten des Kultursenats: „Jawohl, wir sichern die Zukunft des Kesselhauses.“ Der Gebäudeunterhalt müsse gegeben sein, so Sowa weiter, die zudem zu bedenken gab, dass es sich beim „Kesselhaus als Kunsthaus“ eventuell nur um eine temporäre Nutzung handele. Finanzreferent Felix (das alliteriert!), soviel war immerhin, wenn auch mit einiger Mühe, zu verstehen, verwies darauf, dass „baurechtliche Fragen“ noch geklärt werden müssten und dass es gelte, die Genehmigung durch den Haushalt abzuwarten.

Ähnlich wie Sowa äußerte sich im Übrigen Christian Lange (CSU), der von einem „sehr emotionalen und sehr emotional diskutierten Thema“ sprach. Er zollte – in sonorem Forte – den Initiatoren „Hochachtung und größten Respekt für das, was sich in den letzten Jahren im Kesselhaus entwickelt hat“ und schloss: „Wir möchten, dass es im Kesselhaus weitergeht, wir möchten, dass vom Finanzsenat Mittel zur Verfügung gestellt werden.“ Dieter Weinsheimer (FW) brachte sein Desiderat vor, dass für die Initiatoren eine „tragfähige Lösung“ gefunden werden solle. „Die kulturelle Frage ist hier beantwortet worden“, sagte Weinsheimer. Jetzt sei der Finanzsenat gefragt – und: „Es bleibt eine Zitterpartie.“

Das Problem dabei lässt sich beziffern. Es geht um 15 000 Euro jährliche Betriebskosten, die für fünf Ausstellungen anfallen. Werner Hipelius erinnerte daran, dass der Senat beschlossen habe, institutionelle Förderungen zugunsten von Projektförderungen einzufrieren. Freilich stellte er klar: „Es wird selbstverständlich einen Bedarf für ein Kunsthaus geben.“ Wenn einzelne Anträge auf Projektförderungen gestellt würden, gebe es keine Probleme. Die Anträge seien bis spätestens acht Wochen vor der Veranstaltung einzureichen und würden sehr, sehr zügig und problemlos bearbeitet (was allerdings einen kräftigen Lacher aus dem Publikum evozierte). „Wir brauchen einen Finanzierungsplan und nach Abschluss der Veranstaltung einen Verwendungsnachweis“, sagte Hipelius.

Auch Punkt 8 auf der Agenda der Kultursenatssitzung war umstritten. Eine weitere Zitterpartie? Oder doch eine Zitherparty? Verhandelt wurde die Umwandlung der ehemaligen Jugendherberge (und des nur ganz kurzzeitigen Asylantenheimes) in der Wolfsschlucht. Für diese Metamorphose standen eine sogenannte große und eine kleine Variante zur Debatte. Von der großen Variante eines öffentlichen Zentrums für Jugendkultur musste man sich ziemlich schnell verabschieden: Brandschutz? Fluchtwege? Infrastruktur? Nun soll dort Musik gemacht werden, sollen die Räume für Bands und Gruppen zu Probezwecken zur Verfügung gestellt werden: „Wolfsschlucht – Kreativzentrum für Jugendkultur“. In der Sitzungsvorlage heißt es hierzu, die „Herren Oppel und Wrede, Fachleute aus dem Veranstaltungsgeschäft“ – gemeint sind Günther Oppel, Geschäftsführer des Morph Clubs, und Volker Wrede, seines Zeichens für die Geschicke des Live-Clubs federführend verantwortlich – hätten angeboten, „für den Betrieb der Wolfsschlucht als Kreativzentrum für Jugendkultur ein Betriebs- und Belegungskonzept zu entwickeln. Aufgrund des damit verbundenen erheblichen Zeitaufwandes würden Honorarkosten in Höhe von 7000 Euro bis max. 10 000 Euro anfallen. Die Verwaltung schlägt als ersten Schritt für die Öffnung der Wolfsschlucht als Kreativzentrum für Jugendkultur zunächst vor, den Auftrag für die Erstellung eines Betriebs- und Belegungskonzeptes an die Herrn Oppel und Wrede zu vergeben. Die Kosten hierfür werden aus dem Globalbetrag für Kulturförderung getragen. Das weitere Vorgehen hängt vom Ergebnis des Betriebskonzeptes ab.“

Und, soviel Amtsdeutsch darf in der längst ja bereits über uns gekommene Ära des amtssprachlichen „Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (Walter Benjamin, 1936) sein: „Es besteht Einverständnis, die Herren Oppel und Wrede mit der Erstellung eines Betriebs- und Belegungskonzeptes für die Wolfsschlucht bis zu maximalen Kosten von 10 000 Euro zu beauftragen. Nach Vorlage und Auswertung des Betriebskonzeptes ist dem Senat erneut zu berichten und eine detaillierte Kostenschätzung vorzulegen.“

Auch hier meldete sich, und auch hier bereits Tage vor der Kultursenatssitzung, Christiane Toewe zu Wort, und auch hier rümpfte, mit Oppels (Wrede war nicht anwesend) Begehr konfrontiert, Ursula Sowa die grüne Nase. Toewe zufolge seien die 20 000 Euro, um die der Kulturetat erhöht worden sei, „schon wieder um die Hälfte verbraucht – für eine Konzepterstellung“. Und Sowa sagte, es müsse ein „kostenneutrales Konzept“, eines, das sich selber trage, herauskommen. Oppel stellte klar, dass er sich gern, um die Erstellung des Konzeptes kümmere. Er habe ein gutes Netzwerk, viele Kontakte zu Bands und wisse auch schon jemanden für die Hausmeisterwohnung. Allerdings: „Ich mache das in der freien Zeit und nehme von der Stadt keinen Auftrag ohne Bezahlung entgegen.“ Und, so Oppel weiter, „Wrede noch viel weniger“.

Den Worten des Morph-Club-Betreibers zufolge, der immerhin ein Sommersemester-Seminar des sozialpädagogischen Lehrstuhls, welches sich der Nutzung der Wolfsschlucht auf Grundlage „unseres allerdings sehr zeitaufwändigen Konzeptes“ widme, ankündigte, solle eine „schalltechnische Messung“ zeigen, in welchem der fünfzehn auf verschiedene Etagen verteilten Räume Gruppen gleichzeitig proben können, ohne sich einander akustisch ins Gehege zu kommen. Daniela Reinfelder, von Berufs wegen Architektin, gab zu bedenken, dass es sich bei der von Oppel angesprochenen Messung um eine bauliche Maßnahme handele, diese mithin nichts mit dem Kulturfonds zu tun habe. „Wir sollten die Wolfsschlucht weiter nutzen“, warf Wolfgang Metzner (SPD) ein, der an die intensiven Diskussionen am runden Tisch (in Sachen Bausubstanz, in Sachen Toilettenbenutzung) erinnerte und eindringlich nach einer Transparenz der Zahlen verlangte: „Wie kommt es zu den 7000 bis 10 000 Euro?“

Werner Hipelius stellte den Antrag auf eine zweite Lesung, „wenn genaue Zahlen vorliegen“. Dem wurde stattgegeben. Der Kulturbürgermeister dankte zum Finale seiner letzten Sitzung allen Senatsmitgliedern für die über Jahre hinweg geleistete gute Zusammenarbeit. Felix Bambergensis?

Copyright Foto: © Jürgen Schraudner, Stadtarchiv Bamberg

Ähnliche Artikel: