Die große Überblicksausstellung „Geometrie – Wahrnehmung – Einfühlung“ würdigt bis 24. Oktober den Münchner Bildhauer Lun Tuchnowski (1946–2018). Der 1946 in Deiningen im Ries (Bayern) geborene Lun Tuchnowski wächst in Nördlingen auf. Er studierte an der Akademie der Bildenden Künste München als Meisterschüler des Bildhauers Robert Jacobsen. Anfang der 80er Jahre wurde er Dozent an der Kunstakademie Kopenhagen. Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland folgten, daneben gestaltet Lun Tuchnowski als Ausstellungsarchitekt und künstlerischer Berater über 100 Ausstellungen der Sammlung Würth. 2018 stirbt er nach schwerer Krankheit. Für die aktuelle Schau im Museum Würth sind Teile seines Münchner Ateliers nachgebaut, die Tuchnowskis gedanklichen Kosmos veranschaulichen. Tuchnowski kombiniert originell geometrische Abstraktion mit organischen, oft anatomischen Formen. Diese beiden unterschiedlichen bildhauerischen Auffassungen erzeugen in seinen Skulpturen eine Spannung, die sich auf den Raum überträgt. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz, denn häufig laden die Werke auch zum Schmunzeln ein. Die Schau im Museum Würth in Künzelsau (Baden-Württemberg) präsentiert rund 200 Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen aus allen Schaffensphasen des Künstlers und Ausstellungsarchitekten. Am 30. Mai wäre er 75 Jahre alt geworden. In der Sammlung Würth ist das Werk des 1. Robert-Jacobsen-Preisträgers seit über 30 Jahren vertreten.
Viele Formen, die Tuchnowski verwendet, ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Arbeiten. So begegnet dem Betrachter seit 2005 die immer wieder lebendig ineinander verschränkten, diskusartigen Rundscheiben der Serie „Pi“. In ganz unterschiedlichen Größen aus Metall, Gips oder Fiberglas umschlingen sich Ringe mal gleich einer Umarmung, mal lehnen die Scheiben lässig aneinander, mal halten sie sich gegenseitig in einer fragilen Balance. Die deutlichste Anlehnung an Figuratives findet sich in der Serie „Lips“ (2009-2012), übergroßen Mündern, die sich von der Wand abheben, meist aus Bronze gegossen, mit verführerisch schimmernden, polierten Lippen. Bei näherer Betrachtung offenbart sich ihre große Vielfalt – einige scheinen leicht geöffnet auf einen Kuss zu warten, andere sind zu einem dämonischen Grinsen verzogen. Zu den letzten Arbeiten, in denen Tuchnowski mit merklicher Lust heterogene Formen aufeinanderprallen ließ, zählen die Lehnstühle aus seiner Serie „The Bub“ (2014 bis 2018). Bub ist hier als Synonym für Junge gemeint. Die Stühle verfügen über tierische Vorder- und Hinterfüße und Armlehnen in Form menschlicher Unterarme. Der Mensch, der Platz nimmt, ergänzt den Sessel zur Mensch-Tier-Lehnstuhl-Skulptur. Die Schau präsentiert zudem zahlreiche markante Einzelwerke, wie etwa die Installation „The Corner“ (1982/2012), Tuchnowskis Erkundung der Vitalität maximal reduzierter diagonaler Formen. Zur Ausstellung gehört auch ein Nachbau eines Teils seines Münchner Ateliers, in dem seine Arbeitsprozesse und der gedankliche Kosmos des Künstlers anschaulich werden.
Zusätzlich zu seinem eigenen Bildwerk gestaltete Lun Tuchnowski Räume, in denen Kunst ideal zur Geltung kommt. Als Ausstellungsarchitekt und künstlerischer Berater prägte er den visuellen Auftritt der Sammlung Würth in über 100 Ausstellungen im In- und Ausland über Jahrzehnte. Ein Höhepunkt: 2015/16 gestaltete Tuchnowski maßgeblich im Martin-Gropius-Bau die Schau „Von Hockney bis Holbein. Die Sammlung Würth in Berlin“ mit, die Kunstgeschichte raffiniert rückwärts erzählte. Lun Tuchnowski war Meisterschüler, Assistent und bald auch Freund und ebenbürtiger künstlerischer Dialogpartner des bedeutenden dänischen Eisenplastikers Robert Jacobsen (1912–1993). Ende der 1980er-Jahre begleitete Tuchnowski Jacobsens skulpturale Gestaltung für den Vorplatz des Museum Würth, also genau vor dem Ausstellungshaus, das sein Gesamtwerk nun würdigt.
Die Ausstellung „Geometrie – Wahrnehmung – Einfühlung. Lun Tuchnowski in der Sammlung Würth“ im Museum Würth, Künzelsau, läuft bis 24. Oktober. Öffnungszeiten: täglich von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Es gelten die Corona-Regelungen. Information und Anmeldung unter www.kunst.wuerth.com.