
Nicht nur ein Geheimtipp der letzten Jahre, vielmehr eine viel beachtete Neuerung der Bamberger Kulturszene, ging vom Komponisten Jochen Neurath und seinem Projekt nonoise aus. Mit dem außergewöhnlichen Ansatz, die Neue Musik mit anderen Genres zu verbinden und Aufführungen mit Nicht-Profis zu gestalten, steht 2025 bereits das erste kleine Jubiläum an. Fünf Jahre nonoise sind ein guter Grund für ART. 5|III, mit dem Komponisten über sich, sein Projekt und das anstehende Jubiläum zu sprechen.
Das ist richtig. Ich habe meine Schulzeit in Bamberg verbracht und hier alle prägenden Einflüsse und vor allem exzellenten Musikunterricht genossen, bei großartigen Musiklehrern am Kaiser-Heinrich und E.T.A.-Hoffmann-Gymnasium und auch bei den Symphonikern. Ihnen habe ich zum Beispiel auch ein musikalisches Schlüsselerlebnis zu verdanken. Ich erinnere mich an Mahlers Dritte Symphonie, damals noch im Dominikanerbau. Hier spielen Musiker an einigen Stellen hinter der Bühne, sodass die klassische Konzertsituation damit überraschend aufgebrochen wurde. Das hat sich mir damals eingebrannt. Ich war dann für mein Kompositionsstudium (u.a. bei György Ligeti) acht Jahre in Hamburg und im Anschluss zwölf Jahre lang in Berlin. Ich war also bereits lange Jahre freiberuflich in der Neuen Musik unterwegs und hatte großartige Möglichkeiten, mit Aufträgen des Gewandhaus in Leipzig oder der Staatsoper Hamburg.
Dann wurde mir klar, dass es heutzutage egal ist, wo der Schreibtisch steht. Mein Netzwerk und viele Kontakte hatte ich bereits aufgebaut. Zudem hatte ich den Wunsch, etwas Eigenständiges zu machen: das Projekt nonoise. Das „Biotop Bamberg“ erwies sich als genau der richtige Humus. Es gibt hier auf so vielen verschiedenen Ebenen kulturelle Initiativen, die Bamberg in dieser Hinsicht attraktiv machen. Und auch die Kollegialität hier habe ich zu schätzen gelernt. Dazu kommt die Erfahrung, dass diese hoch professionalisierten und traditionsreichen Ensembles, mit denen ich arbeiten durfte, nur in gewissem Grade mit meiner Ästhetik mitgehen. Zwar gab es auch Profis, die meine musikalischen „Eigenheiten“ geschätzt haben. Der Zugang zu Neuer Musik mit Nicht-Profis allerdings, den ich in meinen nonoise-Projekten erschaffe, öffnet völlig andere Möglichkeiten. Das erfordert Mut. nonoise hat in diesem Sinne auch viel mit Mut zu tun.
Bamberg hat eine sehr lebendige, vielschichtige Kulturszene und ein überaus neugieriges Publikum. Auch die Konzerte des Vereins Neue Musik in Bamberg e.V. sind eine feste Größe hier. Daher dachte ich mir bereits, dass Bamberg ein geeignetes Umfeld für die eigene Arbeit sein könnte. Hier kann ich Aspekte meiner Komposition unabhängig von dem, was ich den „Betrieb“ nenne, weiterentwickeln.
Ein wichtiger Punkt ist, dass ich zunächst Projekte mit Menschen ohne professionelle Musikausbildung umsetzen wollte. Da steckte auch der Gedanke dahinter, dass sich in der Neuen Musik ja oft Akzeptanzprobleme bei den Zuhörern beobachten lassen und der Zuhörerkreis entsprechend beschränkt bleibt. Indem ich Mitwirkende einbeziehe, die selbst auch keine Erfahrung mit Neuer Musik haben, hoffte ich: Wenn ich die überzeugen kann, dass das richtig und spannend ist, was wir hier tun, dann gelingt es auch, ein Publikum zu gewinnen, das bisher nicht speziell der Neuen Musik zugewandt war. Gleichzeitig suchte ich Kooperationen, die in dieser Hinsicht hilfreich waren. Mit der VHS beispielsweise, mit dem Theater im Gärtnerviertel, dem Kunstverein Bamberg und anderen.
Ja, das Publikumsinteresse war sofort da und wurde immer noch mehr, obwohl jedes nonoise-Stück komplett unterschiedlich zum vorherigen Projekt war. Die Neugier, dass jedes Mal etwas Spannendes passiert, ist da. Großartig ist auch, dass es eine wunderbare Unterstützung und Kooperation von vielen anderen Akteuren in Bamberg gibt. Von Ermutigung bis Neugier. Und mit dem Berganza-Preis des Kunstvereins, der mir persönlich UND nonoise verliehen wurde, gab es eine ganz wichtige Bestätigung, die noch größeres Interesse auslöste.
Zum fünfjährigen sind fünf Stücke in einem Jahr geplant. Es wird also ein deutlich intensiveres nonoise-Jahr. Bisher gab es nur ein bis zwei Projekte jährlich.
Ende Januar geht es bereits los. Dann Anfang Mai weiter. Jedes Stück wird einen unterschiedlichen Aspekt von nonoise in den Vordergrund stellen.
Das erste Stück zeigt die Grundästhetik von nonoise in Reinform: ganz zurückgenommen, minimal, mit Mut zur Stille, Impulse aus dieser Ruhe heraus. Was passiert, wenn man nichts hört? Welche Erwartungshaltung weckt eine Pause beim Hörer? So komme ich zu der Idee einer imaginären Musik. Zu einer Musik also, die im Wesentlichen im Kopf des Hörers entsteht.
Mit „echoes of an exhibition“ greife ich nicht nur auf eine frühere Thematisierung vom Phänomen der Echos auf, im räumlichen wie im zeitlichen Sinne, es steht auch deutlich der Bezug zur bildenden Kunst im Vordergrund, mit der ich auch früher schon oft gearbeitet habe. Das Stück funktioniert wie eine Ausstellung. Die Johanniskapelle wird an zwei Tagen jeweils fünf Stunden geöffnet sein. Jeder kann durch Betreten und Verlassen während der gesamten Öffnungszeit seine eigenen Anfangs- und Endpunkte setzen. Das heißt aber auch: Niemand erlebt dasselbe, jeder seinen individuellen Ausschnitt. Die sparsamen Klänge wiederum, die man in dieser „Ausstellung von Stille“ hören wird, sind sämtlich Echos früherer nonoise-Stücke.
Das zweite Werk ist dann eine klassische Komposition, fast ein Oratorium. Und danach eine Freilichtaufführung mit Schülern des E.T.A.-Hoffmann-Gymnasiums. Im September ein Gastspiel einer Arbeit von Frank Düwel, der nonoise von den Anfängen an begleitet hat, und zum Beispiel unser „Franz Kafka: Das Schloß“ zu dem Erfolg gemacht hat, der es war. Der krönende Abschluss des Jubeljahres wird eine musik-tanz-theatrale Performance in Zusammenarbeit mit Johanna Knefelkamp und Frank Düwel sein. Wir interpretieren den Roman Felix Krull von Thomas Mann aus dem Blickwinkel von Social Media neu.