
Im jährlichen Wechsel residieren ein Dutzend Stipendiaten aus Deutschland und jeweils einem Partnerland im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia. Für den Jahrgang 2019/2020 ziehen dreizehn britische und deutsche Künstler der Sparten Musik, Bildende Kunst und Literatur in das opulente Künstlerhaus ein: James Stephen Wright, Christian Mason, Lisa Streich, Johannes Tassilo Walter, Kate Mackeson, Steven Daverson, Paula Fürstenberg, Nancy Campbell, Helmut Lachenmann und Alexander Deubl sind schon da. Die Stipendiaten Antje Vowinckel, Lukas Rietzschel und Enis Maci treffen im Oktober ein.
Regelmäßig bietet sich im Künstlerhaus in verschiedenen Formaten die Möglichkeit, die aktuellen Bewohner in Leben und Werk näher kennenzulernen. Wie ein wachsendes Kaleidoskop von Künstlerbiographien wird es erfahrbar und bringt die internationale Kunstwelt nach Bamberg. art5drei war zur Stip.Visite bei Nancy Campbell und Alexander Deubl zu Gast und traf auf zwei sehr offene, interessante und vor allem auch sehr unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten.
Nancy Campbell, für die Sparte Literatur berufen, wuchs in Schottland und Northumberland auf und lebt in Oxford. Sie lernte traditionelle Buchhandwerkskunst und arbeitete anschließend bei Kunstbuchdruckereien in den Vereinigten Staaten und Großbritannien. DIE große Inspirationsquelle für ihre letzten und aktuellen Arbeiten war eine Serie von Aufenthalten in arktischen Forschungseinrichtungen zwischen 2010 und 2017, bei denen ihre Kunst einen noch stärkeren Bezug zu Natur und Umwelt entwickelte. Von der grönlandischen Sprache beeindruckt, die sie mit Begeisterung studiert, entsteht ihre Publikation "How To Say `I Love You` In Greenlandic: An Arctic Alphabet". Eine Liebeserklärung an ihre Aufenthalte, die seltene Inuitsprache und die damit verbundene Natur. Eine Liebeserklärung gleichermaßen an die Sprache an sich, ihre Vokabulare, Bedeutungen und Vielschichtigkeit, an die Poesie, die darin steckt und an die visuelle Übersetzung dieses Kosmos, den sie mit Illustration und vielen Zwischenzeilen in einem sehr besonderen Buch greifbar macht. Der hohe künstlerische Anspruch und die Liebe zum Detail tun ihr Übriges. Mit beinahe wissenschaftlichem Ductus - forschend allemal. Mit exklusiver Verarbeitung zu einem kunstvollen Werk, das ein weites Feld zusammenführt und einschließt. Dem Leser und Betrachter bietet sie so Teilhabe an einer faszinierenden Zeit. Auch bei ihrem Buchprojekt "The Polar Tombola: A Book of Banished Words" setzt sie auf Partizipation. Mit der Frage "If you had to lose a word from your language, what would it be?’" fordert sie die Menschen heraus, sich ihren Gedanken über Sprache anzuschließen und bündelt die vielschichtigen Reaktionen in einem Buchband. Schließlich sind auch ihr erster Gedichtband "Disko Bay" (2015) sowie ihr Buch "The Library of Ice: Readings from a Cold Climate" (2018) von dieser Materie geprägt. Sie thematisiert den Gegensatz von Moderne und Tradition, sucht Felder für eine transkulturelle Kommunikation und denkt viel über Landschaft und den Klimawandel nach. Dabei schildert sie von ihren arktischen Tagen und führt den Leser durch die eisige Natur, die sie umgibt. Ihre Forschungsreise scheint noch lange nicht beendet. Wenngleich sie bereits nach neuen Forschungsfeldern sucht. Der vorsichtige Hinweis auf die Leidenschaft ihres Vaters für die Feinheiten bei Rembrandt verrät noch nicht allzu viel, macht auf neue Schwerpunkte ihrer Arbeit aber ebenso neugierig, wie auf die Durchdringung ihrer bisherigen, arktischen Werke.
http://nancycampbell.co.uk/
Alexander Deubl, als Bildender Künstler geladen, machte eine berufliche Ausbildung an der Glasfachschule Kramsach in Österreich, ehe er an der Akademie der Bildenden Künste in München sein Studium begann. 2007 studierte er zuerst Innenarchitektur, bevor er 2009 in die Bildhauer-Klasse von Nikolaus Gerhart wechselte. 2012 studierte Deubl zudem in der Klasse Olaf Nicolai und machte 2015 seinen Diplomabschluss. Deubl ist ein von Ideen und Prozessen getriebener junger Künstler, der Solo oder im Ensemble SuperPlus Themen bildet und Werke entwickelt. Zuvorderst arbeitet er, gelernter Glaser, aus einer Glaserei stammend, mit Glas. Gleichzeitig sucht er nach anderen Werkstoffen und Konstellationen. Insbesondere Licht wurde zu einer wichtigen Komponente seines Schaffens. Seine technischen Fähigkeiten und Möglichkeiten hierfür erweiterte er bei Ingo Maurer, bei dem er sechs Monate arbeitete. Seine Inspiration für seine Lichtinstallationen, für seine Arbeit mit Spiegeln, entstammen noch den Auftragsbüchern als Glaser, die oftmals die Ausstattung von Nachtclubs vorsahen. Seine Zusammenführung von Licht, Glas und Spiegeln ist ein wichtiges Feld seines Schaffens, auf dem sich Exzellenz andeutet, am meisten zu passieren scheint. Seine aktuelle Bilderserie (S)TRIPTYCHON sind interkative Lichtobjekte in klassischem Triptychon-Format. Es sind Lichtkästen hinter Spiegeln, die er zu Lichtorgeln mutieren lässt, zu bewegten Bildern mit erstaunlichen Effekten. Davon unberührt lässt er sich kurz- bis langfristig auf gänzlich andere Felder ein: Er zeigt Faszination für Calder und seine Mobile und übt sich in ersten eigenen beweglichen Arbeiten (Gravity). Mit Begeisterung zelebriert er Happenings mit Folie: Mit "Der Flug des Phoenix" schaffen SuperPlus dynamische Figuren im öffentlichen Raum. Hauchdünne Satellitenfolie, mit Helium und Luft befüllt, tanzt in riesigen Dimensionen von 60m x35m x20m wie ein Flugdrache an ausgewählten Orten. Als nächsten Schritt wollen sie eine transparente Folie ausprobieren und mit farbigem Rauch füllen. Oder er baut Skulpturen aus Holz und Glas (Chrystal Energy) und Rauminstallationen (Dasselbe in grün). Er interveniert in den Arbeitsalltag einer Firma, indem er den Mitarbeitern eine Auszeit als Zeichenmodell verschafft und die Ergebnisse in den Besprechungsraum hängt (Holidays). Und er beamt die österreichische Tradition des Goasl-Schnoizens, das er hierfür extra erlernt hat, überraschend an dafür unübliche Orte, um morgen mit einer neuen Idee um die Ecke zu kommen, für die er Zeit und Fleiß zu investieren bereit ist.
www.alexanderdeubl.com
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Infobox:
Mo, 12.8. / Villa Concordia um 19 Uhr: Komponistenportrait von Christian Mason. Christian Mason ist Stipendiat im aktuellen Jahrgang aus Großbritannien und stellt sich und sein Werk an diesem Abend vor. Mit Audrey Milheres (Flöte), Corentin Chassard (Cello) und Joseph Houston (Klavier). www.christianmason.net.
Do, 22.8. / Villa Concordia um 19 Uhr: Vorstellungsabend Nancy Campbell. Seit April dieses Jahres ist Nancy Campbell Stipendiatin im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird die Künstlerin aus Großbritannien sich vorstellen und aus ihrem Gedichtband „Disko Bay“ und ihrer jüngsten Publikation „The Library of Ice“ lesen. Übersetzung durch Hans Jürgen Balmes.
Di, 27.8. / Villa Concordia um 19 Uhr: Komponistenportrait von Lisa Streich. Seit April ist die Komponistin Lisa Streich Künstlerhaus-Stipendiatin. An diesem Abend stellt sie sich und ihr künstlerisches Werk vor. Mit Hannah Weirich (Violine) und Ulrich Löffler (Klavier). www.lisastreich.se.
www.villa-concordia.de