
Es ist schon eine eigenartige Koinzidenz, die sich just zur Premiere von Bertolt Brechts und Kurt Weills „Dreigroschenoper“ am Staatstheater Nürnberg eingestellt hat. Während der knapp hundert Jahre alte Plot davon erzählt, wie ein sündiges Leben mit einem Happy End belohnt wird, entlässt Donald Trump in den USA Tausende von Verbrechern. Dass man es mit Gaunerei jedweder Art ziemlich weit bringen kann, dafür ist die Wiederauflage der „Beggar's Opera“ schon lange eine ziemlich treffliche Rezeptur. Auf einen kleinen Unterschied dürfen wir allerdings hinweisen: In den zwanziger Jahren gab es noch Reste von Ganovenehre, im Trumpschen Universum entfällt das …
Die von Intendant Jens-Daniel Herzog verantwortete Inszenierung verweigert sich den eigentlich naheliegenden Aktualisierungen, freilich aus guten Gründen, die auch im lesenswerten Programmtext von Dramaturg Georg Holzer genannt werden: Das Stück hat keine „Moral von der Geschicht“, und irgendwelche bedenkenswerten Einsichten vermittelt es schon gar nicht. „Die Welt ist schlecht, aber das Leben ist schön“, so formulierte Herzog es in einem Vorabinterview. Erinnert das nicht an eine andere Geschichte, die ganz am Anfang der Gattung Oper steht und uns von Claudio Monteverdi musikalisch erzählt wurde? In dessen „Incoronazione di Poppea“ feiert eine Nebenbuhlerin Triumphe, quasi eine Art antike Melania Trump.
Mathis Neidhardt hat für die Nürnberger Inszenierung eine pfiffige Bühnenlösung erdacht, eine sozusagen ins Vertikale bugsierte Drehbühne, die in Bewegung gesetzt jeweils unterschiedliche Handlungsorte zeigen. Mal sitzt man auf dem Sofa, mal ist man bei Familie Peachum zu Hause, mal geht man mit Mackie Messer ins Gefängnis. Der Steg, den Neidhardt um den Orchestergraben herumgebaut hat und für diverse Aktivitäten intensiv genutzt wird, weitet zusätzlich das Raumgefühl und bringt das Geschehen so auch näher ans Publikum heran.
Ein Clou, fast schon ein roter Faden, ist das auf der Bühne allgegenwärtige Pferd, das an die Tatsache erinnert, dass Mackie Messer und Polly Peachum in einem Pferdestall geheiratet hatten. Bewegt wird dieses witzige Bühnenvieh von zwei Studentinnen der Bayerischen Theaterakademie, die es allerlei Unsinn vollführen lassen, gipfelnd in einer Kaviar-Fressorgie. Amüsant! Die Kostüme Sibylle Gädekes belassen die Geschichte in ihrer Entstehungszeit, doch den Prostituierten gönnt sie grotesk aufgeblasene Mieder, die wahlweise als sexy gelten oder abstoßend wirken können – je nach Geschmack.
Eine gelungene Personenführung lässt in dieser Inszenierung keinerlei Langeweile aufkommen, was allerdings auch durch die geschickte, von Georg Holzer erstellte Kurzfassung des Stücks begünstigt wird. Die ausgezeichnete Rollenbesetzung, von der wir hier wegen der Doppelnennungen nur den trefflichen Michael von Au (als Peachum) nennen können, trug wesentlich zu dem sehr favorablen Eindruck von dieser neuesten Nürnberger Regietat bei. Und natürlich auch die famose „Combo“ im Orchestergraben, die unter Max Rennes Dirigat den idealtypischen Klang der zwanziger Jahre heraufbeschwor.
Das ließ sich von den vokalen Darbietungen weniger sagen, leider. Aber für dieses Stück sollten nun einmal die Stimmen, vor allem jene der Damen, eine Spur verruchter sein. Anders ausgedrückt: Der Gesang war einfach zu schön. Diese Feststellung fällt schwer, denn Polly, Celia, Lucy und Jenny waren blendend besetzt, nur eben um eine Nuance zu opernhaft. Aber Lotte Lenya, die Dietrich und die Knef gibt es halt nicht mehr, und nostalgische Anwandlungen sollte man sich sowieso verbieten.