Der Kunstverein München ist mit seinen 200 Jahren einer der ältesten Einrichtungen seiner Art. Ursprünglich in Konkurrenz zur „Königlichen Akademie der Bildenden Künste“ ins Leben gerufen, diente der Kunstverein seinem Gründungsgedanken gemäß zunächst als Form und Forum der Selbstorganisation einer neu entstehenden bürgerlichen Öffentlichkeit, die im frühen 19. Jahrhundert nicht nur politisches, sondern auch kulturelles Neuland erschloss und in zahlreichen Bürgergesellschaften unterschiedlicher Art diesen tief bürgerlichen Zeitgeist begründete. Auch die Kunstvereine entstanden im Zuge des organisierten Austauschs des aufstrebenden Bürgertums und positionierten sich in Kunst wie Gesellschaft gleichermaßen. Neben der Präsentation zeitgenössischer Kunst stand die aktive Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Zeitgeschehen im Fokus.
Im Gespräch mit Gina Merz (Assistenzkuratorin und Pressesprecherin des Kunstvereins München) erfahren wir mehr über den traditionsreichen Kunstverein und seine Rolle als Kern eines kritischen Bewusstseins von „Zeitgenossenschaft“ sowie als Motor eines vitalen gesellschaftlichen Austauschs auf ungesichertem Terrain. Ein Gedanke, der die Arbeit des Kunstvereins auch heute noch – wenn auch unter veränderten politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen – als bedeutungsschwere Kraft im Netzwerk kultureller Institutionen prägt.
Als Verein in privater Trägerschaft agiert der Kunstverein München in relativer Unabhängigkeit sowohl von unmittelbar ökonomischen wie auch (kultur-)politischen Interessen. Diese doppelte Autonomie prädestiniert ihn als Ort des künstlerischen Experiments, in dem ohne falsche Rücksicht auf politische Verpflichtungen oder merkantiles Kalkül innovative kuratorische Arbeit geleistet werden kann. Seine schlanke Organisationsform erlaubt ihm darüber hinaus flexibel, schnell und unbürokratisch auf aktuelle künstlerische Entwicklungen zu reagieren und diese aktiv mitzugestalten.
Dabei folgt der Kunstverein München seiner Überzeugung, dass angesichts der zunehmenden Dominanz des Visuellen als Informations- und Werteträger der globalen Ökonomien das Medium der Kunst zum reflexiven Kristallisationspunkt aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen wird und als idealer Katalysator einer kritischen Zeitgenossenschaft fungieren kann. International orientiert, mit Blick auf den lokalen Kontext, diskutiert der Kunstverein München seine programmatische Linie in unterschiedlichsten Formaten und schafft mit regelmäßigen Ausstellungen, Vorträgen, Künstler:innengesprächen, Symposien, Filmvorführungen, Kunstreisen und Publikationen einen vitalen und streitbaren Ort der Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer Kunst.
Die Vereinsarbeit deckt sich in den meisten Fällen mit dem eigenen Kunstverständnis des kuratorischen Teams, da dieses das Programm selbstständig auswählt. Selbstverständlich werden bei der Auswahl das Publikum, die Mitglieder, die Stadt, die Kunstlandschaft, in der gezeigt wird etc. mit eingebunden. Es gibt in jedem Fall ein kuratorisches Interesse und Konzept, das über die Zeit eines Teams verfolgt wird.
Wir bieten alle zwei Wochen eine kostenlose und öffentliche Kurator:innenführung an. Außerdem drucken wir zu jeder Ausstellung ein umfassendes Booklet, in dem die grundlegenden und weiterführenden Informationen zur Ausstellung besprochen werden. Des Weiteren sitzen wir als kuratorisches Team auch im Ausstellungshaus und können angesprochen werden, wenn dringliche Fragen aufkommen.
Darin junge Praktiken von Künstler:innen auszustellen, zu zeigen, öffentlich und zugänglich zu machen. Dabei geht es nicht immer um das Alter des/der Künstlers:in, sondern eben viel mehr um die Rolle und Position, die diese:r in der Kunstlandschaft spielt. Oftmals stellt der Kunstverein München die ersten institutionellen Einzelausstellungen eines/einer Künstlers:in aus.
Der Kunstverein als solcher ordnet sich zwischen Projektraum auf der einen Seite und Kunsthalle sowie Kunstmuseum auf der anderen Seite ein. Uns ist es wichtig diese Stellung zu bedienen und nicht „kleiner“ oder „größer“ zu handeln. Jede Institution hat die Verantwortung sich mit der eigenen Stellung in der Kunstlandschaft auseinanderzusetzen, um somit eine Vielfalt anzubieten.
Der Höhepunkt ist das 200-jährige Jubiläum in 2023. Hierauf haben wir die letzten drei Jahre intensiv hingearbeitet mit u.a. einer umfassenden Publikation mit dem Titel FOR NOW, und auch einer Summer School in drei Iterationen mit dem Titel THE STORIES WE TELL OURSELVES. In diesem Format wurde eine gemeinsame Wissensproduktion angestrebt, die bereits Vorarbeit für das 200-jährige Jubiläum geleistet hat. Für das kuratorische Team des Kunstverein München war es wichtig nicht erst im Jubiläumsjahr mit der Auseinandersetzung der Geschichte zu beginnen, sondern bereits eine Basis für Diskussion und Auseinandersetzung in den Jahren seit 2019 zu schaffen.
Die Rolle des Vereins in der Zeit des Nationalsozialismus ist aufgearbeitet durch unterschiedliche Maßnahmen:
Im Jahr 2019 wurde eine Archiv-Stelle auf vier Tage die Woche angesetzt. Die Person setzt sich seitdem mit der Geschichte des Kunstvereins auseinander und erstellt beispielsweise Archiv-Newsletter, die sich mit u.a. der Zeit des Nationalsozialismus im Bezug auf den Kunstverein auseinandersetzen. Außerdem wurden Künstler:innen eingeladen, die sich mit dieser Geschichte auseinandersetzen. So ist die Ausstellung von Bea Schlingelhoff in 2021 entstanden.
Der Verein befindet sich in der Galeriestraße 4 am Hofgarten in München. Das ist noch nicht immer so. Zu Beginn um 1823 wurde sich in Studios und Wohnungen der Mitglieder getroffen. Im Anschluss zog der Kunstverein in die repräsentativen Gebäude entlang des Hofgartens ein, jedoch noch nicht in die Räumlichkeiten, in dem der Kunstverein heute ist, sondern weiter in Richtung Englischer Garten. Dieser Gebäudeteil wurde während des 2. Weltkriegs zerstört und nicht wiederaufgebaut. Andere Teile, wie die Räume des jetzigen Kunstvereins, wurden wiederaufgebaut, sodass der Kunstverein in den 1950iger Jahren dahin umziehen konnte.
Der Verein hat keine weiteren Räumlichkeiten, alles an Produktion, Veranstaltungen, Planung etc. passiert im Kunstverein selbst. Wir hatten zu Beginn die tolle Vision den Dachboden des Kunstvereins für Künstler:innen Ateliers und Wohnungen und auch Produktionsort auszubauen. Dies ist leider aus Kosten- und Brandschutzgründen nicht möglich. Der Dachboden steht weiterhin leer.
Ca. 2.200 Mitglieder hat er aktuell. Im Vergleich zu den Anfängen um 1850 ist das wenig, da es eine Mitgliedschaft von ca. 10.000 Personen gab. Der Kunstverein und das Anschauen von Kunst war auf eine andere Art in den Alltag der Bürgerschaft Münchens eingebunden: Am Sonntag spazierte man durch den Englischen Garten und so auch durch den Kunstverein. In diesem wurde damals sogar gepicknickt.
Wir sprechen gezielt Studierende an, die das Angebot sehr gut annehmen. Außerdem bieten wir ein tolles Programm ausschließlich für Mitglieder an, sodass ein Mehrwert entsteht, wenn man Mitglied wird. Auch der Eintritt ist für Mitglieder ganzjährlich und zu allen Veranstaltungen frei. Des Weiteren darf man den Vorstand wählen und so aktiv mitbestimmen.
Das Kernteam besteht seit 2019 aus Julia Breun (Leitung der Geschäftsstelle), Maurin Dietrich (Direktorin), Nina Härlin (Bundesfreiwilligendienst), Gloria Hasnay (Kuratorin), Pia Horras (Assistenz der Geschäftsleitung), Johanna Klingler und Jonas von Lenthe (Archivar*in), Gina Merz (Assistenzkuratorin & Presse), Valerie Specht (Besucher*innenbetreuung), Lea Vajda (Kuratorische Projektassistenz & Redaktion). Der Vorstand besteht aus Dr. Rüdiger Maaß (1. Vorsitzender), Julie Schemann (2. Vorsitzende), Aileen Faustmann (Schatzmeisterin), Dr. Jan Mackert (Schriftführer), Sarah Haugeneder (Beisitzerin), Marina Kayser-Eichberg (Beisitzerin), Muck Petzet (Beisitzer), Nicolaus Schafhausen (Beisitzer), Bea Schlingelhoff (Beisitzerin).
Weitere Informationen zum Kunstverein und den anstehenden Events finden Sie hier: https://www.kunstverein-muenchen.de/