Unsere vierte Folge der Präsentation freier Theaterprojekte, die großenteils längst aus dem Projektstadium herausgewachsen und zu unverzichtbaren Pfeilern der freien Kulturarbeit in Franken geworden sind, wird fortgesetzt mit zwei Einrichtungen aus Ober- und Unterfranken. Wobei wir am Main beginnen wollen. Das theater ensemble Würzburg versteht sich als freies, also nicht an Institutionen gebundenes Theater und ist auf dem Würzburger Bürgerbräu-Gelände mit insgesamt vier Spielstätten vertreten. Hinzu kommt – für das Sommertheater – der Efeuhof im historischen Rathaus-Innenhof in der Nähe der alten Mainbrücke. Auf dem Bürgerbräu-Gelände gibt es neben der „Normalbühne“ und dem Studio ebenfalls eine Sommerbühne sowie das Theaterfoyer als bespielbaren Ort.
Das „ensemble“ im Theaternamen will als Programm im direkten Sinne verstanden werden, denn hier können sich Theaterbegeisterte ausprobieren, hier können sich Gleichsinnte finden, treffen und austauschen. Den Besuchern wird ein äußerst vielfältiges Programm geboten. Auf dem Spielplan stehen Gegenwartsstücke, experimentelle Inszenierungen, klassische Dramatik, Lesungen, szenische Textbearbeitungen, Musikveranstaltungen und Improtheater. Hinzu kommen alljährlich als sommerliche Open-Air-Ereignisse die Bespielung des Efeuhofes im Rathaus sowie die beliebten Kindertheater-Aufführungen auf der Sommerbühne im Grünen.
Die „normale“ Saison klingt im Juni/Juli allmählich aus, doch am 19. Juni wird im Efeuhof noch ein kapitales Stück Schauspiel aus der Taufe gehoben: Friedrich Dürrenmatts bitterböser Klassiker „Der Besuch der alten Dame“.
Für den August haben sich die Würzburger eine Theaterparodie vorgenommen: den Stoff dazu bietet der Filmklassiker „Casablanca“. Angesagt sind dafür 1 Schauspieler, 5 Stühle, 9 Rollen und 763 Rollenwechsel! Der Begleittext dazu lautet: „Casablanca ist Kitsch, Casablanca ist ein Muss für Romantiker, warum also nicht einmal Casablanca als Parodie?“. Das theater ensemble verspricht die anrührende und gleichzeitig politisch brisante Geschichte des Films in einer spannenden Theateraufführung, ohne dass dabei die bekannten Synchronstimmen von Humphrey Bogart, Ingrid Bergman und Co. entbehrt werden müssen. Die Idee für diese Parodie hatte Andreas Büettner, der auch deren dramaturgische Umsetzung besorgt. Der augenzwinkernde Untertitel des Stücks, das in der zweiten Augusthälfte im Efeuhof zu sehen ist, lautet: „Ich seh‘ mir in die Augen, Kleines“.
Bamberg hat zwar keinen Gärtnerplatz inklusive Theater wie München, aber es hat seit einigen Jahren ein Theater im Gärtnerviertel, das wir im Folgenden TiG nennen wollen. Das Gärtnerviertel ist eine Besonderheit im Weltkulturerbe, und dessen Anwohner interessieren sich nicht für Agrarisches, sondern auch für Kultur. Auf der künstlerischen Kreativität und dem kulturellen Engagement der ansässigen Bürgerschaft baut das TiG auf. Selbstredend gehören auch die Initiatoren dieses Kulturprojekts, die Regisseurin Nina Lorenz und der Schauspieler Stephan Bach, zu den Anwohnern des Viertels. Die übrigen Mitglieder des Ensembles sind ebenso Vollprofis wie die beiden Ideengeber.
Das TiG möchte die Entwicklung dieses sehr spezifischen städtischen Lebensumfeldes mit den Mitteln des Theaters unterstützen und zudem das Interesse von Zuschauern aus anderen Stadtteilen wecken. Es präsentiert Stücke für Erwachsene und Jugendliche, die aktuell oder gar brisant, experimentell oder ganz einfach nur lustig sind. Außerdem bietet es im Rahmen der „Aktion jugendTiG“ geeignete Produktionen für Schulvorstellungen an. Darunter sind beispielsweise die beiden Eigengewächse „Like me“ und „multiple choice“ sowie der „König Ödipus“ in der Neudichtung von Bodo Wartke.
Interessant ist der Blick auf die Spielorte des Theaters: es macht nämlich das Gärtnerviertel selbst zur Bühne. In Kooperation mit den Anwohnern wird an ungewöhnlichen Orten gespielt, z.B. in leer stehenden Läden, Innenhöfen, Geschäften, Wirthäusern und Gärten. Das kann der pittoreske Innenhof eines versteckten Anwesens sein, eine Weinhandlung, eine Instrumentenbauwerkstatt, die vormalige Seilerei eines Industriebetriebs oder der Ausstellungsraum eines Gebrauchtwarenhauses. In Letzterem wurde in dieser Spielzeit „Push up 1-3“ des zurzeit sehr angesagten Autors Roland Schimmelpfennig aufgeführt, dessen Stück tiefe Einblicke in die intrigante Alltagskampfwelt namens Büro erschließt.
Auf Tour, u.a. nach Bayreuth, ging das TiG in dieser Saison mit einem Stück, das den anderen Hauptkampfplatz unseres Lebens fokussiert, nämlich die häusliche Ehegemeinschaft: Thomas Paulmanns „Die Unzertrennlichen“ in der Inszenierung von Nina Lorenz. Die letzte Premiere der Saison wird es am 17. Juni geben, wenn die Uraufführung der Bearbeitung „Jekyll und Hyde“ von Thomas Paulmann (nach Robert Louis Stevenson) stattfindet. Das berühmte Doppelgängermotiv wird in die heutige Genforschung verlegt, eine Reihe brutaler Morde inklusive...
Copyright Fotos:
theater ensemble Würzburg, „Das Dschungelbuch“, Sommerbühne im Grünen, Foto © Andreas Büttner
„Like Me“, Theater im Gärtnerviertel, Bamberg, Foto © Werner Lorenz„Push Up“,
Theater im Gärtnerviertel, Bamberg, Foto © Werner Lorenz