Irgendwie hat er Pech gehabt, dieser Don Juan. Wer schon 1003 Spanierinnen auf seiner Verführtenliste verzeichnet hat, sollte nicht ausgerechnet den Vater seiner neuesten Eroberung meucheln. Genau das hat er aber getan, und deshalb halten die düsteren Frauenfiguren, die gegen Ende ganz in schwarz gehüllt auftreten, dem Wüstling drohend ein „Vendetta“-Schild entgegen. Rache ist also angesagt, und dazu braucht frau nicht einmal feministisch gesinnt zu sein, denn es genügt der gesunde, moralisch imprägnierte Menschenverstand.
Selbst das Dummchen Elvira, die eine ganze Oper lang geradezu notorisch daran glaubt, dass ihr Giovanni endlich ein Einsehen haben muss, dass es nicht so weiter gehen kann und er gefälligst zu ihr zurückkehren soll, kapiert am Ende, dass daraus wohl nichts wird. Emily Lorini fügt sich darstellerisch in die Rolle als Opfer toxischer Männlichkeit – so nennt man das neuerdings – und rettet diese eigentlich undankbare Partie gleichwohl durch ihren strahlenden Sopran, zumal in der Mitleidsarie der Donna.
Die Inszenierung von Béatrice Lachaussée beginnt recht düster mit der Beerdigung von Don Giovannis Mutter. Am Anfang und am Ende steht also der Tod, denn Don Giovanni muss ja ebenfalls dran glauben – der Komtur will es so. Mara Lena Schönborn (Bühne und Kostüme) hat dazu viel Schwärze auf die Bühne gebracht, dem Dunstkreis des Protagonisten jedoch die Farbe blau zugewiesen. Der Rest des Ensembles ist recht unterschiedlich gewandet, aber eher in zeitloser Normalität, also nicht karikierend oder anderweitig bedeutungsheischend. Freilich fragt man sich, warum Masetto mit seinem Freibeuter-Kopftuch dem „Fluch der Karibik“ entsprungen zu sein scheint.
Die Geschichte wird im Übrigen schnörkellos erzählt und verzichtet auf allzu hintergründige Regietheatereinfälle. Für überraschende Auf- und Abgänge sorgen drehbare Wände mit Öffnungen. Überhaupt, die gut geölt laufende Drehbühne des Coburger Globe Theaters hat an diesem Abend viel zu tun. Wenn es auf das letale Finale zugeht, entspringen ihr schwarze Dämonen. Dann tritt Justitia auf mit Schwert und Waage und hat das letzte Wort. Geht es also doch nicht um Rache, sondern nur um Gerechtigkeit?
Musikalisch ist dem Coburger Theater ein großer Coup gelungen. Mark Rohde dirigiert mit Verve ein Orchester, das mit bewundernswürdiger Akkuratesse arbeitet. Die männlichen Hauptrollen sind mit Daniel Carison (Don Giovanni) und Michael Lion (Leporello) darstellerisch sehr einfallsreich besetzt, von der sängerischen Souveränität ganz abgesehen. Die Donna Anna der Galina Benevich ist in ihrer Wutarie hochdramatisch, Francesca Paratore überzeugt als Zerlina nicht nur in ihrer Affektgeladenheit, sondern auch mit zarten Pianissimi in der Höhe.
Jaeil Kim als Don Ottavio heimst in seiner Bravourarie mit Recht den größten Applaus ein, bevor er seiner Anna eröffnet, dass selbst der Schatten ihres Vaters Mitleid mit ihr bekomme. Bartosz Araszkiewicz charakterisiert den Masetto bewusst als unbeholfen, stattet ihn aber mit einer robusten Stimme aus. Bleibt noch der Komtur, den Jinwook Jeong mit imposant drohendem Timbre gestaltet. Insgesamt also eine ausgezeichnete Besetzung, die auf ebenso große Zustimmung stieß wie die gelungene Inszenierung. Fazit: ein bemerkenswerter Abend am Landestheater!