
Am Ende sitzen die vier Protagonisten nebeneinander auf Stühlen und scheinen zu sinnieren, welche Moral man aus der kruden Geschichte ableiten könnte, die sie soeben hinter sich gebracht haben. Graf Luna (Sangmin Lee) bricht in ein fast höhnisches Lachen aus, als er die Wahrheit erfährt, nämlich dass aufgrund einer Verwechslung sein eigener Bruder getötet wurde. Nein, das finale Anheimfallen an den Wahnsinn, das ihm der Librettist eigentlich gönnte, erspart der Regisseur dieser Rolle, und das zu Recht. Aber warum Peter Konwitschny, dieser gefeierte Theatermacher, dem Nürnberger Opernhaus ausgerechnet eine Inszenierung des „Troubadour“, dieser schwächsten Oper aus dem Hause Verdi, nicht erspart hat, bleibt ein Rätsel.
Was kann dieses gekünstelte Drama einem heute noch erzählen, mit welcher Figur könnte man wenigstens ansatzweise mitfühlen? Da ist wirklich komplette Fehlanzeige zu vermelden, was am grotesken Libretto ebenso liegt wie an den verwunderlichen musikalischen Eingebungen des sonst so genialen Komponisten, der selbst dann zum Jahrmarktston neigt, wenn es um Leben und Tod geht. Und ausschließlich darum geht es ja in diesem Stück, angereichert natürlich um die üblichen Ingredienzen wie Liebe, Eifersucht und Rache. Aber lassen wir die Werkkritik an diesem pseudoromantischen Schauerdrama, denn das steht uns in der Besprechung einer Inszenierung 170 Jahre nach der Entstehung des Werkes sowieso nicht zu.
Was den Besuch dieser lange erwarteten Premiere dennoch lohnend macht, ist die einmal mehr überzeugende Regiearbeit Konwitschnys, der diesmal auf jegliche vordergründigen Überraschungseffekte verzichtete und vor allem solides Inszenierungskönnen zeigte. Das Heereslager eingangs umschließt ein Marionettentheater, in dem von Anfang an die Hauptpersonen des Dramas gedoppelt werden. Anschließend geht es ziemlich realistisch zu, selbst die Hinrichtung der Zigeunerin auf dem Scheiterhaufen fackelt ordentlich vor sich hin. Die Massenszenen sind vorzüglich choreographiert, z.B. wenn die Soldaten und Nonnen vor Schreck niederknien oder sich später waffenstarrend gegenüberstehen. Das ist gekonnte Personenregie made by Konwitschny.
Die sängerische Bilanz des Premierenabends ist wie immer geschmacksabhängig, und das will beim Operngesang vor allem heißen, wieviel Toleranz man dem Stimmflackern und der Neigung zur Schärfung des Timbres einräumen will. Das war bei den weiblichen Protagonisten grenzwertig (Emily Newton als Leonora und Dalia Schaechter als Azucena), bei Angelos Samartzis (als Manrico) im Rahmen und bei Sangmin Lee als Graf Luna szenisch und ausdrucksmäßig recht angemessen. Allerdings gab es auch eine Bravourleistung zu bestaunen: Nicolay Karnolskys fabelhafter Ferrando. Welch schönes Timbre, welch beherrschte Kraft! Auf die Staatsphilharmonie und den Chor des Staatstheaters unter der Leitung Lutz de Veers konnte man sich sowieso verlassen, Peter Konwitschny wird’s gefreut haben.