Die baulichen Hinterlassenschaften aus der Zeit des Nationalsozialismus gehören zum optisch und räumlich prägnantesten historischen Erbe der Stadt Nürnberg. Seit Jahrzehnten stellt der Umgang damit eine große Herausforderung für die städtische Kulturpolitik dar. Der Ausbau der erinnerungskulturellen Einrichtungen auf dem Reichsparteitagsgelände und die stete Weiterentwicklung seiner architektonischen Relikte als Lern- und Begegnungsorte führten zu dem Entschluss, die Kongresshalle als Ort für die zeitgenössischen Künste und Kulturen zu ertüchtigen.
Die Bedeutung des Ortes als „nationales Erbe“ erfordern zum einen die künstlerische Auseinandersetzung im internationalen Kontext, zum andern, bedingt durch den aktuellen Wandel des erinnerungskulturellen Diskurses, neue Formate der Reflexion über den Umgang mit den Bauwerken. Es ist Kennzeichen einer demokratisch-pluralistischen Stadtgesellschaft, dass hieraus zwangsweise auch kontroverse Diskussionen resultieren. Jenseits der Tatsache, dass das Gelände durch bauliche Eingriffe rudimentär ist, dass die Kongresshalle ein Rohbau ist und dass seit Jahrzehnten eine partielle kulturelle Nutzung besteht, kann und darf das Pathos dieses auratischen Ortes auch durch Kunst und Kultur nicht neutralisiert werden.
Die fotoszene nürnberg e.V.*– forum freier fotografen wurde eingeladen, an diesem kulturellen und künstlerischen Entwicklungsprozess teilzuhaben und es wurde ihr die Möglichkeit geboten, hier eine Ausstellung zeitgenössischer Fotokunst zu präsentieren. Mit dem Titel „VIS-À-VIS“ sollen, in der thematisch bewusst weiten Auffächerung, Arbeiten gezeigt werden, die erinnerungskulturelle Bezüge ebenso herstellen, wie auch abstrakte Zusammenhänge schaffen. Die Wahl eines offenen Themas bietet darüber hinaus die Gelegenheit, auch ohne detaillierte historische Kenntnis, fotokünstlerisch Wechselwirkungen zu erzeugen, Kausalitäten festzustellen oder inhaltliche Beziehungsgeflechte zu knüpfen und damit gedankliche Impulse zu geben.
Gerade der künstlerische Austausch und das Zusammenwirken mit überregionalen und internationalen Kolleginnen und Kollegen bietet die Chance, an diesem Ort der Täter, in dieser Propagandaarchitektur erinnerungskulturelle Umbrüche mitzugestalten und einer transkulturellen Gesellschaft entsprechend, sie in eine übergreifende, ja nationenübergreifende Erinnerungsarbeit einzubetten.
Die Ausstellung „VIS-À-VIS“ ist vom 5. Oktober bis zum 24. November 2024 im Segment #1, Kongresshalle, Bayernstr. 100, 90471 Nürnberg zu sehen. Alle für den Besuch relevanten Informationen findet man im Netz unter www.die-fotoszene.de.