Seit inzwischen elf Jahren ist der Bayreuther Jazz-November aus dem Veranstaltungskalender der Wagnerstadt nicht mehr wegzudenken. Und die Macher gehen weiterhin den Weg bewährter Strukturen und Neuerungen: Vom 9. bis zum 12. November steht das mehrfach ausgezeichnete Jazz-Forum erneut auf dem Spielplan in Bayreuth.
An sechs Jazz-Orten in der oberfränkischen Bezirkshauptstadt bespielen junge Künstler und altgediente Jazzgrößen die Bühnen, das umfangreichste Programm der letzten Jahre wartet auf die Anhänger. „Wir zünden als Veranstalter die nächste Stufe des Herzensprojektes“, versprechen die Macher des Jazzforums Bayreuth im Vorfeld. Und wer sie kennt, der weiß, dass das vermutlich nicht zu viel Versprochenes ist. Anstatt bisher sechs Festival-Events dürfen sich die Jazz-Freunde auf elf Veranstaltungen freuen, mehr als je zuvor.
Wenn an den Festivaltagen um 20 Uhr die Jazzgrößen Makiko Hirabayashi, Marilyn Mazur, Rolf Kühn, Jasper van‘t Hof, Tony Lakatos, Wolfgang Haffner und Christopher Dell auf der Bühne im Bechersaal stehen, machen sich die jungen Wilden schon mal warm: Mario Rom im Glashaus oder die fulminante Jazzrausch Bigband und die meistgehörte deutsche Jazz-Soul-Stimme Pat Appleton im Lamperium. Neben dem Becher-Saal und dem Lamperium tummeln sich die Bassisten, Blechbläser und sonstigen Musiker noch in vier weiteren Locations: Die Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne (mit dem Highlight eines Workshops für Kinder mit Percussion am halbfertigen Flügel), dem Glashaus auf dem Universitätsgelände, dem Iwalewahaus und dem Zentrum sind so viele Orte an Bord wie noch nie zuvor. Doch nicht nur die feine Auswahl der Spielstätten sorgt für Vorfreude: Auch die angekündigten Künstler versprechen so einige Highlights.
Mit Makiko startet der Jazz-November: Das Trio aus Japan, Amerika und Dänemark schafft es, spielerisch die Musiktraditionen Japans und Skandinaviens in puren Modern Jazz zu weben – und so etwas ganz Eigenes, Einzigartiges entstehen zu lassen. Das Jazz-Trio von internationalem Rang verspricht ein Highlight zu werden.
Multikulturellen Spirit verspricht Jasper Van’t Hof Pili-Pili. Der 70-jährige Niederländer verbindet wie kaum ein anderer die Musikwelt Afrikas und Mitteleuropas. Er, als Grenzgänger zwischen den Musikgenres ein Genie, schuf einst einen ganz eigenen Sound, dem er bis heute treu bleibt. Ebenfalls musikalisch zwischen den Genre-Pfaden wandernd ist Pianist David Gazarov. Der gebürtige Aserbaidschaner gilt als einer, der für Vielfalt und Internationalität im mitteleuropäischen Jazz steht. Ein Meilenstein seines Schaffens: Zusammen mit dem Stuttgarter Kammerorchester gibt es das „Great American Songbook“ zu hören. Eine Art „Best of“ der großen Swing-Stücke der 30er- bis 60er-Jahre. Genau auf diese Art Musik hat sich die gebürtige Stuttgarterin Fola Dada spezialisiert. Sie bringt die Stimme und die Stimmung dieser Zeit näher, deren Songs Klassiker für die Ewigkeit wurden. Ein Konzert, mit dem sich die Kulturfreunde Bayreuth auf besonders edle Weise in den Bayreuther Jazz-November 2017 einbringen – als Brücke des des Jazz-Novembers zum „very American way of Jazz“ – als Brücke zur Klassik das selbstpropagierte „Grand Concert“ im Europasaal im Zentrum.
Nicht minder spannend ist das aufstrebende österreichische Trompeten-Trio Mario Rom’s Interzone. Leicht chaotisch und doch stets strukturiert – so wirken die Alpenländer. Mit dem Glashaus bietet sich den Dreien eine legendäre Spielstätte: Nicht wenige Stars begannen ihre Karriere mit einer Zwischenstation dort – erinnert sei nur an die Chemnitzer Rockgrößen von Kraftklub.
Legendenstatus genießen längst Rolf Kühn, für viele der größte deutsche Jazzer aller Zeiten und der gebürtige Oberfranke Wolfgang Haffner, oft als einer der größten Schlagzeuger der Republik geadelt. Kühn, „der coolste Jazzmusiker Deutschlands“ (Die Welt) – ein Ritterschlag von Wert – gibt sich die Ehre am Donnerstagabend. Während bei Kühn das Klangerlebnis die dominierende Note ist, stehen bei der Münchener Jazzrausch Bigband die Klangexperimente im Fokus. Da werden Bruckners Sinfonien schon einmal zwischen Techno und Jazz verarbeitet, eine musikalische Kernschmelze mit Wucht, die zum Tanzen einlädt.
Und dann wäre da noch Pat Appleton. Was für eine Stimme! Nicht umsonst bezeichnete 3sat sie als eine der „wichtigsten Stimmen des zeitgenössischen, deutschen Jazz“. Eine Einschätzung, der man sich sofort anschließt, hört man dieses leicht raue, kehlige in ihrer ansonsten so weichen Stimme. Als wolle uns Pat Appleton mit ihrem Soul ein Angebot machen, dass wir nicht ablehnen können – und wollen. Eine Einstiegsdroge in die Jazz-Sucht. Mit einem Quintett steht sie auf der Bühne im Lamperium. Ein Gig, der einen weiteren Aspekt der mitteleuropäischen Jazz-Szene beleuchtet: dass sich Jazz und Pop nicht ausschließen müssen, sondern sich durchaus wohltuend ergänzen können. Eines der Markenzeichen des Bayreuther Jazz-Novembers: Grenzbereiche ausloten, Jazz-Anhängern Highlights bieten und Neulingen Einstiege in das Genre zu kredenzen. Und in dem Fall gilt: Nicht immer ist weniger mehr. Ein Häppchen mehr kann da wohltuend sein.
Fotocredits:
Mario Rom Interzone, Foto © Severin-Koller
Wolfgang Haffner, Foto © Antje Wiech