Die Seele scheint zurzeit bei den Festivalveranstaltern Hochkonjunktur zu besitzen, überhaupt dominieren abstrakte Begriffe bei der Mottowahl. In Würzburg hat man sich für die kommende Ausgabe des opulenten Mozartfestes das Oberthema „Schuld & Vergebung: Seelenforscher Mozart“ ausgedacht. In der Tat ist Wolfgang Amadeus Mozart unübertroffen, wenn es darum geht, menschliche Befindlichkeiten zu erspüren. Existenzielles Da-Sein und So-Sein übersetzt er in Musik, zumal in seinen Opern.
Mozarts Werke leben von Kontrasten, von Hell versus Dunkel, von Einsamkeit versus glücklicher Erfüllung, von den Widersprüchen menschlicher Existenz. Schon deshalb steht bei 21 Veranstaltungen der Gesang als unmittelbarste Form von Seelenäußerungen im Mittelpunkt. Lied - Oper - Chorwerk, weltliche und geistliche Musik geben klingendes Zeugnis aus tiefen Schichten menschlichen Seins und Daseins.
Das Festival beginnt am 24. Mai mit den „Talens Lyriques“ und endet wie üblich am 23. Juni mit der Jupiternacht. Der begnadete Cembalist Christophe Rousset wird diesmal die Rolle des „Artiste étoile“ übernehmen, also des Porträtkünstlers. Er gestaltet nicht nur den Auftakt mit den „Talens“, sondern auch die Matinée am 26. Mai als Begleiter der Geigerin Gilone Gaubert und weitere Konzerte mit. Der Abend desselben Tages wird ebenso prominent mit dem Auftritt Alina Ibragimovas und des Scottish Chamber Orchestra. Mozarts Violinkonzert A-Dur steht im Mittelpunkt.
Das zweite Konzert in derselben Besetzung nimmt am nächsten Tag Beethovens Violinkonzert in den Fokus. Mozarts Requiem ist die geistige Vorlage für eine Ausstellung von Thomas Grochowiak, die am 28. Mai eröffnet wird. Am selben Tag gibt es abends und spätabends erstmals die „Expedition Mozart“, so der Titel eines Formats, das sich durch das gesamte Festival zieht. Den Anfang macht niemand Geringeres als der Pianist Kit Armstrong, der mit seinem eigenen Ensemble auch am 29. Mai auftritt und dabei das 21. Klavierkonzert des Festival-Namensgebers interpretieren wird.
Eine besonders originelle Veranstaltung gibt es am 30. Mai im Central Kino im Bürgerbräu, wo der Film „Divertimento – ein Orchester für alle“ vorgeführt wird. Der handelt vom Traum einer jungen Musikerin mit algerischen Wurzeln, auch einmal den Dirigierstab in die Hand nehmen zu dürfen. „Closer to Paradise“ lautet die Überschrift eines Konzertes, das am selben Tag in St. Johannis den begnadeten Countenor Valer Sabadus präsentiert. Gleichzeitig tritt im Kaisersaal der Residenz das Salzburger Mozarteumorchester auf.
Während das „MozartLabor“ am 1./2. Juni seine Arbeit im Exerzitienhaus Himmelspforten aufnimmt, gibt es eine „Gran Partita“ im Kaisersaal zu hören, eine „Wiener Melange“ auf Gut Wöllried zu genießen und zu späterer Stund am selben Ort eine „Spanish Night“ zu erleben. Zwischendurch kann man – wieder im Central Kino – den legendären Kastraten Farinelli filmisch erleben und ab 4. Juni mehrfach Wandlungen durch Zeiten und Räume unter dem Motto „Hell ist die Nacht“ mitmachen.
Der freche Titel „Fifty Shades of Amadé“ bezieht sich auf „Mozart am Grün“ und entführt das grasvernarrte Publikum am 5. Juni zum Golf Club Würzburg. Anderntags wird es ernster, denn die Bamberger Symphoniker laden zum Bruckner-Hochamt in den Würzburger Dom. Die 1. Symphonie c-moll erklingt, präludiert von Ottorino Repighis Concerto Gregoriano für Violine und Orchester. Solo spielt Frank Peter Zimmermann, es dirigiert Andrew Manze. Anderntags wartet Mozarts unsterbliche Komödie „Così fan tutte“ im Kaisersaal auf die Opernliebhaber. „Artiste étoile“ Christophe Rousset leitet die Aufführung. Wiederholung am 8. Juni.
Nach einem „Tag am Meer“ mit Swingsound der Zwanziger- bis Sechzigerjahre des Frauentrios „Zucchini Sistaz“ im Bürgerspital wird es am 9. Juni ganz üppig, denn nach einem Pontifikalamt im Dom gibt es ein Meisterschülerkonzert mit Nils Mönkemeyer, dann die „Entführung aus dem Serail“ für Kinder, ein weiteres Mal das „Divertimento“ im Kino, abends das „Marmen Quartet“ im Weißen Saal der Residenz und abschließend eine Serenade im Hofgarten von Veitshöchheim.
Nach einer kleinen Pause geht es weiter am 12. Juni mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg, das unter Enrico Calessos Leitung Werke von Haydn, Vasks und Schubert interpretiert. Die Solovioline spielt Giuseppe Gibboni. Am nächsten Tag kann man entweder ein weiteres Mal die Bamberger Symphoniker (mit Jörg Widmann) hören oder „Gypsy-Jazz am Donaustrand“ genießen. Mozarts Requiem erklingt abermals am 15. Juni, doch diesmal an einem angemesseneren Ort, nämlich im Dom. Alexander Rüth leitet das Concerto Köln und den Kammerchor am Würzburger Dom. Wer es weltlicher haben will, geht zeitgleich zur Residenz-Gala in den Kaisersaal.
Am 16. Juni ist die Auswahl wieder groß, angefangen mit dem Auftritt des Leonkoro Quartets im Fürstensaal und gefolgt von den „Moments with the Mouse“, worunter Songs aus Zeichentrickfilmen zu verstehen sind, arrangiert im Gypsy-Jazz-Stil des Gismo Graf Trios. Der in Bayreuth und anderswo regelmäßig umjubelte Bariton Johannes Martin Kränzle gibt, begleitet von Hilko Dumno, einen Liederabend im „Shalom Europa“. Auch die Schlusswoche wartet noch mit exquisiten Angeboten auf, bis dann die Jupiternacht in der Blauen Halle am 23. Juni den Schlusspunkt setzt.