Lange Zeit wurde es nicht mehr bespielt und konnte schließlich auch nicht mehr betreten werden, mehrere Jahre wurde es akribisch und mit großem Aufwand restauriert, nun öffnet es wieder seine Pforten: das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth, monumentales Zeugnis einer langen Theatertradition in der ostoberfränkischen Residenzstadt, muss seine barocke Pracht der Öffentlichkeit bald nicht mehr vorenthalten.
Mit Superlativen sollte man eigentlich vorsichtig umgehen, aber wenn selbst die UNESCO, die ihre Entscheidungen im Allgemeinen ohne jegliche Schwärmerei begründen muss, feststellt, dass das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth als „das weltweit bedeutendste und besterhaltene Beispiel barocker Theaterarchitektur“ gelten darf, dann ist durchaus Anlass für Euphorie gegeben. Seit dem 30. Juni 2012 steht das Markgräfliche Opernhaus auf der Liste des Welterbes der Menschheit. Dass die als ephemer, also vergänglich, geplante Architektur des berühmten Theaterarchitekten Giuseppe Galli Bibiena und seines Sohnes Carlo die Zeit beinahe unverändert überstanden hat, ist ein einzigartiger Glücksfall. Nur in Bayreuth lassen sich die Illusionskunst und handwerkliche Technik der italienischen Meister bis ins kleinste Detail studieren.
1745 begann die Planungsphase dieses Monuments europäischer Fest- und Musikkultur auf Wunsch der theater- und musikbegeisterten Königstochter Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, der Schwester Friedrichs II. und 1732 ins Oberfränkische exilierten Gattin des dortigen Markgrafen, Friedrichs III. von Brandenburg-Bayreuth. Um ihre Vorstellungen von einem Opernhaus umsetzen zu lassen, beauftragte sie europaweit bekannte Künstler und Architekten. Für den Außenbau fiel die Wahl auf den Hofarchitekten Joseph St. Pierre, dessen Familie aus dem Piemont stammte und der in Bayreuth unter anderem auch das Neue Schloss errichtete. Die Innenausstattung lag, wie schon erwähnt, in der Hand des Italieners Giuseppe Galli Bibiena, dem bedeutendsten Theaterarchitekten seiner Zeit. Gemeinsam mit seinem Sohn Carlo entwarf er mit dem Zuschauerraum eine der spektakulärsten Schöpfungen der europäischen Festarchitektur des Barock.
Im September 1748 wurde das neu errichtete Opernhaus anlässlich der Hochzeit der einzigen Tochter des Markgrafenpaares, Prinzessin Elisabeth Friederike Sophie, mit Aufführungen der Opern „Il trionfo d’Ezio“ und „Artaserse“ eröffnet. Deren Musik stammte von Johann Adolph Hasse, der Studienjahre in Italien verbracht hatte und zu den gefragtesten Opernkomponisten seiner Zeit zählte. Das Libretto steuerte Pietro Metastasio bei, der neben Lorenzo da Ponte berühmteste Librettist der Operngeschichte.
Hasses Werk wird ab Mitte April von der Bayerischen Theaterakademie August Everding in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Schlösserverwaltung erneut auf die Bühne des frisch renovierten Opernhauses gebracht. Öffentliche Aufführungstermine finden am 14. und 15. April 2018 statt. Anschließend an die Aufführungen in Bayreuth wandert die Inszenierung nach München, um im dortigen Cuvillés-Theater am 11., 13. und 15. Mai gezeigt zu werden. In Bayreuth gehen die Feierlichkeiten jedoch nach der Eröffnung weiter: unter dem Motto „Vorhang auf!“ lädt die Bayerische Schlösserverwaltung vom 17. bis 29. April mit einem vielfältigen Programm – nicht nur für die Kunstfreunde, sondern auch für die ganze Familie – zu den „Bayreuther Residenztagen“ im Markgräflichen Opernhaus und im Neuen Schloss Bayreuth ein.
Moderne Technik im historischen Denkmal – Ein Blick hinter die Kulissen des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth
So prachtvoll das Interieur dieses Opernhauses mit Weltkulturerbestatus ist, so wenig können die Zuschauer ahnen, was ihnen an Technik hinter den Kulissen verborgen bleibt – und auch bleiben muss. Wenn sich der Vorhang hebt und das Publikum ganz in die Welt der Oper und deren Geschichten eintaucht, dem Gesang lauscht und die Kostüme bewundert, dann bleibt diese andere Welt außen vor bzw. unsichtbar, obwohl sie doch so perfekt funktionieren muss. Viel Technik verbirgt sich nämlich hinter einer reibungslosen Vorführung und einem sicheren Besuch. Gerade im Falle des Markgräflichen Opernhauses mit seiner UNESCO-Prämierung spielen dabei stets denkmalpflegerische und konservatorische Aspekte eine große Rolle.
Für das Staatliche Bauamt Bayreuth und die Bayerische Schlösserverwaltung stellten sich bei der mehrjährigen Restaurierung dieses Kleinods wiederholt Fragen in Bezug auf die Haus- und Bühnentechnik und den Brand- und Besucherschutz. Vor allem die, in welcher Weise moderne Technik in die historische Bausubstanz integriert werden kann, um den Personen- und Objektschutz bestmöglich zu sichern.
Die Schlösserverwaltung kommentiert ihre diesbezügliche Strategie folgendermaßen: „Die Erneuerung der Haus- und Bühnentechnik, die aus den Nachkriegsjahren stammte, war dringend erforderlich, da gealterte Elektrotechnik und Bühnenbeleuchtung ein Brandrisiko darstellten, das Besucher und Gebäude gleichermaßen gefährdete. Die überholte Bühnentechnik wurde durch reversible Scheinwerfer-Stative im historischen Zuschauerraum ersetzt, so musste kaum in die Bausubstanz eingegriffen werden. Im Bühnenbereich wurden eine Sprinkleranlage und ein Eiserner Vorhang montiert und im Dachstuhl wurde eine Hochdrucknebellöschanlage installiert. Diese löscht mit geringen Mengen Wasser einen Brand bereits in der Entstehungsphase und verhindert so größere Löschwasser-Schäden. Sollte es dennoch zu einem Zwischenfall kommen, gibt es eine flächendeckende Brandmeldeanlage mit direkter Verbindung zur Feuerwehr und eine Alarmierungsanlage zur schnellen Gebäude-Evakuierung“.
Ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt erzwang die Erneuerung der Technik des Opernhauses aus konservatorischen Gründen: ein stabiles Raumklima ist unabdingbar, um die wertvollen hölzernen Verkleidungen und Verzierungen zu schützen. Sichergestellt wird dies nun durch eine Quelllüftungs-Klimaanlage, die für eine optimale Luftzirkulation in den Räumen sorgt. Mathis Gruhn von der Bauabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung bilanziert diesbezüglich: „Durch die Erneuerung der Haustechnik konnte somit das Sicherheitsniveau deutlich erhöht und die erforderlichen Eingriffe in die historische Substanz auf ein Minimum reduziert werden. Es entstand ein ausgewogenes Gesamtpaket aus Personen- und Objektschutzeinrichtungen, moderner Bühnen- und Museumstechnik sowie einer zeitgemäßen Grundinstallation“.
Dem Welterbe aufs Dach gestiegen – Der Dachstuhl des Markgräflichen Opernhauses
Nicht nur der einzigartige Zuschauerraum des Bayreuther Opernhauses bietet spektakuläre Einblicke in die barocke Theaterarchitektur, auch darüber gibt es Spannendes zu entdecken. Mit dem 1748 errichteten Dachwerk hat sich über dem Bühnen- und Logenhaus ein Meisterwerk der barocken Zimmermannskunst erhalten. Dazu merken die Konservatoren und Restauratoren der Schlösserverwaltung an: „Auch heute, 270 nach seiner Errichtung, wäre das fast 25 Meter überspannende Dachwerk eine Herausforderung für jeden Ingenieur. Das außen einheitlich erscheinende Mansarddach musste in seiner Konstruktionsweise genau auf die besonderen stadträumlichen Gegebenheiten und die inneren Nutzungsanforderungen abgestimmt werden. Die wichtigste Vorgabe der berühmten, in Bayreuth tätigen Theaterarchitekten Giuseppe Galli Bibiena und seines Sohnes Carlo war aber sicherlich die Realisierung eines stützenfreien, möglichst weit gespannten Dachwerks, das den Einbau des festlichen Logenhauses und den vom Markgrafenpaar gewünschten großen Bühnenraum ermöglichte. Nur so ließ sich die atemberaubende Raumwirkung erzielen, die uns auch heute noch so sprachlos macht“.
Eine Silbermedaille erinnert an die Fürstenhochzeit und den Ort dynastischer Repräsentation
Der Ankauf einer seltenen Silbermedaille, die den Anlass für die Errichtung des Markgräflichen Opernhauses in Erinnerung ruft, gelang kürzlich der Bayerischen Schlösserverwaltung. Die Medaille, geprägt in Stuttgart 1748, also zeitgleich mit der Eröffnung dieses einzigartigen Monumentes europäischer Fest- und Musikkultur, verbildlicht die guten Wünsche für die politisch bedeutsame Hochzeit von Friederike Elisabeth Sophie, der einzigen Tochter des Markgrafenpaares, mit Herzog Carl Eugen von Württemberg.
Fürstenhochzeiten waren seit jeher bevorzugte Schauplätze dynastischer Repräsentation. Man investierte Unsummen in die Ausschmückung der Festspektakel und errichtete aufwändige Festarchitekturen, die den Aktivitäten jeglicher Art (Musik und Theater, Schauessen, Feuerwerke, Kostümbälle und Umzüge) einen würdigen Rahmen verliehen. Auf der Silbermedaille ist wie auch am Bühnenbogen des Theaters ein Adler zu sehen, der für Brandenburg und das Erbe der Hohenzollern steht. Die auf Betreiben Friedrichs des Großen angebahnte Verbindung des Hohenzollern-Fürstentums Brandenburg-Bayreuth mit dem Herzogtum Württemberg war politisch von hoher Wichtigkeit und galt als Mittel zur Stärkung des Einflusses der Hohenzollern im Reich.
Auf der Rückseite der Hochzeitsmedaille ist eine römisch gekleidete Frauenfigur mit einem Füllhorn zu sehen. Diese soll Überfluss, Reichtum und Glück repräsentieren. Mit ihrer rechten Hand hält die Allegorie einen Kranz über einen Altar, auf dem „zwey in Liebe vereinigte Herzen ruhen“. Dieser Neuankauf der Gedenkmedaille wird der Besucherschaft der Bayreuther Residenztage am 22. April präsentiert. Auf der Vorderseite heißt es, übersetzt aus dem Lateinischen, die Verbindungen der Vorfahren seien durch die neuerliche Heirat gefestigt worden, auf der Rückseite lauten die Inschriften „Glück und Ruhm des besten Fürsten“ und „Freude und Heiterkeit des Volkes“.
Vorhang auf für die Residenztage Bayreuth und „Artaserse“, die Oper Johann Adolph Hasses als abschließender Höhepunkt der Vermählungsfeier
Wie zur Einweihung 1748 wird auch zur Wiedereröffnung Hasses Oper „Artarsere“ aufgeführt. Es schließen sich ab dem 17. April die Residenztage Bayreuth an, die besondere Einblicke und Erlebnisse für Groß und Klein bieten. Führungen, Workshops, Theaterdarbietungen, Vorträge und Mitmachstationen nehmen die Besucher mit auf eine Zeitreise von der Epoche des Rokoko – als Markgräfin Wilhelmine selbst als Intendantin, Komponistin und Musikerin wirkte – bis in die Gegenwart mit der denkmalgerechten Sanierung des Opernhauses. Von den Restauratoren, Ingenieuren, Kunsthistorikern und anderen Experten kann man alles zur Architektur und Geschichte dieses großartigen Kunstwerks erfahren.
Themenführungen befassen sich z.B. mit „Möbeln für den Markgrafen“, mit „Opernhausgeschichten“, mit der „Götterwelt des Markgräflichen Opernhauses“, mit dem „Zirkus der Tiere im Stein“, mit „Sturm und Donner im Barocktheater“, mit der Bühnenmaschinerie, mit barocken Theaterkostümen, „Pferdespektakel“, Maskenfesten, Marmor und Stuck, Regenmaschinen oder „Lüstern und Leuchtern“.
INTERVIEW
Die schwierigsten Hindernisse bei der Restaurierung – Fragen an die Fachleute
ART. 5|III: Welche besonders heiklen Probleme technischer oder konservatorischer Art gab es bei der Restaurierung zu meistern, welche Lösungen erwiesen sich in denkmalpflegerischer Hinsicht als besonders heikel?
Am heikelsten bei der Restaurierung war die Gewährleistung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Restauratoren. Da die Holzoberflächen in den 60er-Jahren mit Holzschutzmitteln behandelt wurden und dadurch beim Abnehmen der Farbfassungen gesundheitsschädliche Stoffe freigesetzt wurden, mussten die Restauratoren Schutzkleidung anlegen, während an der Baustelle unter mobilen Absaughauben gearbeitet wurde. Die Mitarbeiter standen unter ständiger arbeitsmedizinischer Überwachung. Restauratorisch besonders komplex war die Abwägung zwischen Rekonstruktion verlorener Fassungen, Retuschen oder Belassen freigelegter Oberflächen mit fragmentarischer oder fehlender Originalfassung. Ziel war es, möglichst viel originale Substanz zu erhalten und zu konservieren, weshalb mit möglichst wenig Retuschen gearbeitet wurde.
ART. 5|III: Gibt es jetzt Nutzungseinschränkungen aufgrund der heute sehr hohen Standards hinsichtlich Brandschutz, Fluchtwege etc.?
Das Opernhaus wurde natürlich auch bezüglich der gesetzlichen Anforderungen an einen Museums- und Theaterbetrieb modernisiert. Nennen wir nur die Stichworte Rettungswege, Brandmelde- und Sprinkleranlage sowie die unter Hochdruck arbeitende Nebellöschanlage, die eventuelle Löschwasserschäden auf ein Minimum reduziert.
Bezüglich der Nutzung ist der substanzschonende Erhalt des Hauses für künftige Generationen höchstes Gut. Aufgrund der Eintragung als Welterbe wurden von der UNESCO und ICOMOS Vorgaben für Zeitraum und Intensität der Bespielung gemacht. Theateraufführungen und Konzerte sind nur im Sommer möglich und deren Frequenz muss eine Gefährdung der wertvollen Substanz ausschließen. Sagen wir es so: Das Markgräfliche Opernhaus selbst ist der Star und nicht nur eine „Hülle“ für Veranstaltungen, weshalb die museale Nutzung des Hauses Vorrang vor einer Bespielung hat. Das immense Interesse an Besichtigungen bestätigt diese Option, doch anlässlich der Wiedereröffnung wurden die Residenztage auf zwei Wochen ausgedehnt, um mit einem umfassenden Programm alle Aspekte des abgeschlossenen Projektes – Restaurierung, Technik, Musik, Architektur und Geschichte – in den Vordergund zu stellen.
Das Opernhaus wird jedenfalls auch in Zukunft ein Ort sein, an dem man Theater und Musik sehen bzw. hören kann, den man aber ebenso gut erleben kann, ohne ein Ticket kaufen zu müssen. Die Popularität des Theaters wird durch diese denkmalgerechte Nutzung sicherlich nicht geschmälert, ganz im Gegenteil: Nur so kann die Bayerische Schlösserverwaltung das einzigartige Kulturdenkmal langfristig erhalten, unzähligen Besuchern zugänglich machen und die einzigartige Suggestivkraft barocker Mitreißkultur dieses Hauses vermitteln.
Fotocredits:
Markgräfliches Opernhaus Bayreuth nach der Restaurierung, Blick zur Bühne mit neu rekonstruiertem Bühnenbild, Foto: Achim Bunz © Bayerische Schlösserverwaltung, www.schloesser.bayern.de
Markgräfliches Opernhaus Bayreuth nach der Restaurierung, Ruhmverkündende Genien halten die Wappenkartusche mit dem Brandenburger Adler, Foto: Achim Bunz © Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen
Residenztage Bayreuth, barockes Vergnügen im Hoheitengärtlein des Neuen Schlosses Bayreuth, Foto © Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen