Das Rosenthal-Theater Selb kann man getrost als kulturelles Kleinod in der ostoberfränkischen Stadt Selb bezeichnen. Hans-Peter Goritzka (HPG), der das Sachgebiet Kultur bei der Stadt Selb und das Theater seit 2004 leitete, ist im Frühjahr 2022 in den Ruhestand gegangen. Zeitgleich übernahm Eva Enders (EE) seine Funktion in der Stadtverwaltung und beim Theater.
Nach zwei durch die Corona-Pandemie geprägten Spielzeiten steht nun die Saison 2022-2023 vor der Tür. Auch wenn es bereits ab dem 16. September mit den ersten Veranstaltungen losgeht, ist der Festabend zum 40-jährigen Jubiläum des Rosenthal-Theaters Selb am 1. Oktober sozusagen der inoffizielle Startschuss in die neue Spielzeit.
In einem Doppelinterview mit dem ausgeschiedenen Leiter Hans-Peter Goritzka (HPG) und der neuen Leiterin Eva Enders (EE) beleuchten wir Geschichte, Verantwortlichkeiten und besondere Herausforderungen dieses Theaters.
HPG: Ich bin freiwillig ein wenig früher in den Ruhestand gegangen, aber es wäre gelogen zu sagen, dass ich schon vollständig angekommen bin. Aber ich befinde mich auf einem guten Weg. Ich habe meine Arbeit wahnsinnig gerne gemacht und auch viel darin investiert. Insofern fällt es mir wohl nicht ganz so einfach.
EE: Da kann ich ihn gut verstehen. Das hier ist ein Job, den man leben muss, in dem man viel Energie und Herzblut stecken muss.
HPG: Es gibt ja eigentlich kein Kulturamt im herkömmlichen Sinne, eher ein Sachgebiet für Kultur, Sport und Schule, das ins Hauptamt integriert ist. Den Begriff „Kulturamt“ hat irgendwann einmal die Presse eingeführt, intern wurde das nie so bezeichnet.
EE: Die Sachgebiete wurden jetzt getrennt, so dass ich als neue Leiterin ausschließlich für Kultur verantwortlich bin. Damit bin ich schon glücklich.
HPG: Das Rosenthal-Theater wurde in den 1920er Jahren als Lichtspielhaus von einem Selber Geschäftsmann errichtet. Der hat, wohl ziemlich weitblickend, gleich eine Bühne mit eingebaut und auch die Bestuhlung theaterähnlich angelegt. In den 1960er Jahren hat die Stadt Selb das Gebäude übernommen und es in einem ersten Schritt vergrößert, damit auch größere Veranstaltungen dort stattfinden konnten. Mitte der 1970er Jahre wurde der Stadt aus Sicherheitsbedenken die Schließung des Rosenthal-Theaters angedroht. Nach vielen Beschlüssen der Stadtverwaltung und zwei Bauabschnitten später, stand das Haus dann in den 1980er Jahren so da, wie es heute noch Bestand ist. Als Besonderheit kann man anmerken, dass der Innenraum von dem Künstler Günther Uecker gestaltet wurde, der damals als Designer für die Rosenthal-Werke gearbeitet hat.
EE: Wir sind natürlich ein Theater, eben eins mit Gastspielbetrieb. Wir präsentieren das Kulturprogramm der Stadt Selb mit Theateraufführungen, Oper und Operetten. Allerdings sind wir, für eine Stadt in der Größe von Selb, ein sehr großes Haus mit über 600 Sitzplätzen, was wiederum ziemlich hohe Kosten mit sich bringt. Deshalb sind wir bestrebt die Räumlichkeiten auch anders zu nutzen und vermieten deswegen unter anderen auch an Firmen und andere Veranstalter für deren Veranstaltungen, um so Kostenbeiträge zu generieren. Das Theater Hof und die Hofer Symphoniker sind feste Partner, die mit mehreren Veranstaltungen pro Saison bei uns vertreten sind und die Abonnements bespielen. Zusätzlich kaufen wir noch Tourneeproduktionen auf dem freien Markt ein.
HPG: Da ich sehr lange die Verantwortung hatte, gibt es natürlich auch ein Netzwerk zu Agenturen und Künstlern, das ich mir über die Jahre aufgebaut hatte. Man kennt sich und da fällt der Kontakt natürlich auch um einiges leichter und kann vieles per Telefon erledigen. Diese Kontakte habe ich natürlich an Frau Enders weitergegeben.
EE: Und die Kontakte haben mich auch gut angenommen, so dass auch ich nun davon profitieren kann. Darüber hinaus ist Selb auch eine bekannte Adresse, nicht zuletzt durch die „Rosenthal-Feierabende“ die schon stattfanden, bevor das Theater in seiner jetzigen Form entstanden ist. Es gibt ganz viele Künstler, die Selb kennen und gerne hier auftreten möchten. Im Juni habe ich den Theatermarkt der Inthega (Anm. d. Red.: Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen e. V.) besucht und an vielen Ständen wurde ich auf Selb und auch Hans-Peter Goritzka angesprochen. Da konnte ich schon feststellen, dass wir ein gutes Standing in der Branche haben, wohl nicht zuletzt, weil wir für ein Gastspieltheater hinsichtlich Bühnentechnik, Bühnenfläche und auch Zuschauerplätze überdurchschnittliche Voraussetzungen bieten können.
EE: Man lernt dort Künstler und Veranstalter persönlich kennen und das macht vieles einfacher. Ich kann den Gesprächspartner viele Informationen zum Theater und den dortigen Voraussetzungen geben und erhalte deshalb quasi maßgeschneiderte Angebote für unsere Spielstätte.
EE: Die kommende Spielzeit wurde noch von Hans-Peter Goritzka geplant, was mich in die glückliche Lage versetzt, dass ich viele Agenturen im Laufe der anstehenden Saison kennenlernen werde. Hans-Peter Goritzka und ich hatten eine sehr produktive und gute Einarbeitungszeit, aber wir sind natürlich auch verschiedene Menschen. Insofern wird sich die Spielzeit 2023/2024, also die erste die ich zu verantworten habe, schon zwangsläufig etwas von der meines Vorgängers unterscheiden. Aber es gibt natürlich auch Programmbestandteile, die einfach erhalten werden müssen, weil das Publikum danach verlangt. Ich würde sehr gern das Programm um Kooperationen mit unseren Kollegen aus Tschechien erweitern, nicht zuletzt, weil 2023 in Selb die bayerisch-tschechischen Freundschaftswochen stattfinden werden. Zu diesem Anlass sollten wir ein kulturelles Netzwerk aufbauen, weil ich der Meinung bin, dass auch die Grenznähe ein Faktor ist, der Selb so besonders macht.
HPG: Ich war immer der Meinung, dass es für die erfolgreiche Leitung solcher Betriebe wie unseren kein Patentrezept gibt. Allein der Altersunterschied zwischen Frau Enders und mir wird schon dafür sorgen, dass es sich das Programm nach und nach anpassen wird.
HPG: In einer Stadt mit ca. 15.000 Einwohnern muss sich ein Theater, das mehr als 600 Plätze hat, natürlich dem Faktor Wirtschaftlichkeit unterordnen.
EE: Ich habe hier die technische, künstlerische und wirtschaftliche Leitung für das Rosenthal-Theater und muss mit dem Budget, das dem Theater zur Verfügung gestellt wird, ein gutes Programm auf die Beine stellen und das möglichst ohne Schulden zu generieren. Das Theaterbudget ist Teil des städtischen Haushalts und der muss ja genehmigungsfähig bleiben.
EE: Ich vermute, dass die Maske das Instrument der Wahl für den kommenden Winter sein wird. Aufgrund der vielen Strategiewechsel, die es bei der Bekämpfung der Pandemie gab, bin ich dazu übergegangen möglichst flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Die Besucherzahlen sind während der Corona-Krise ein- und eine Generation unseres Publikums ist in dieser Zeit einfach weggebrochen. Unsere treuen Theaterbesucher aus der jüngeren Generation halten uns, zumindest zeigen das die Aboverkaufszahlen, die Treue. Die Menschen merken schon, dass es einen Unterschied gibt, ob man etwas live erlebt oder ob man beispielsweise vor dem Fernseher sitzt. Während der Coronazeit habe ich noch in der Musikschule gearbeitet und da habe ich schon bemerkt, dass die Jugend wieder Kultur braucht. Kultur ist etwas, was Menschen und Persönlichkeiten formt und das ist wichtig. Kultur hat enorme Fähigkeiten und das brauchen die Menschen. Aber trotzdem blicke ich nicht ohne Sorge in den Herbst. Wenn nochmals extreme Maßnahmen pandemiebedingt verhängt werden, bleibt vielleicht nicht mehr viel von der derzeitigen Kulturlandschaft übrig.
Sie sind ja, im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger, keine Verwaltungsfachfrau. Macht Ihnen das die Ausübung Ihrer Funktion etwas schwieriger und wie sieht es mit Ihrem Netzwerk in die Stadtverwaltung aus. Da zahlen sich gute Kontakte doch auch bestimmt aus, oder?
EE: Die Verwaltungsausbildung fehlt mir natürlich, aber ich habe ja Kolleg:innen, die mir im Falle des Falles weiterhelfen könnten. Im Rathaus gibt es viele Personen, die ich schon lange kenne, weil ich zum einen hier in Selb aufgewachsen bin und zum anderen ja auch bereits in der Musikschule gearbeitet habe.
EE: Ich bin mir all dieser Faktoren bewusst, aber ich bin auch eine hoffnungslose Optimistin. Wir haben einige internationale Firmen, die hier in Selb expandieren und dafür sorgen, dass sich der Standort Selb nachhaltig verändern wird. Das wird mich bei meinen Bemühungen die Besucherstruktur unseres Hauses etwas zu verjüngen, hoffentlich unterstützen.
HPG: Leider haben wir in Selb derzeit keine großen Bettenkapazitäten, so dass uns der Tourismus momentan nicht weiterhelfen wird. Aber vielleicht wird sich auch hier in der Zukunft einiges verändern.
EE: Ich denke schon, dass die Kultur schon ein Standortfaktor für die Firmen, die sich hier angesiedelt haben, war und auch ist.
HPG: Ich glaube, dass ein Großteil unserer Besucher zu uns kommen, um mehr als nur das Theaterstück oder sonst eine Veranstaltung zu sehen. Die kommen zu uns, weil wir einen besonderen Umgang mit unserem Publikum pflegen, und zwar mit jedem einzelnen von ihnen. In Selb geht es einfach familiärer zu und das Theater bildet einen sozialen bzw. gesellschaftlichen Mittelpunkt hier.
HPG: Vieles was in der kommenden Spielzeit zu sehen sein wird, sind sogenannte „Nachholproduktionen“ aus der Coronazeit. Insofern wird die kommende Spielzeit nicht so sehr von diesem Jubiläum geprägt sein.
EE: Wir sind hier in Selb und ein Charakteristikum von Selb ist, dass wir gerne feiern. Insofern feiern wir auch ausgiebig die 40 Jahre Rosenthal-Theater. Am 1. Oktober wird es ein Galakonzert mit den Hofer Symphonikern und dem Theater Hof geben und am 2. Oktober laden wir zu unserem Tag der offenen Tür ein, mit vielen Attraktionen für Kinder, Musik, Führungen „Hinter die Kulissen“, einer Essenstraße und zum Abschluss liest Helmut Zierl aus seinem Buch.
Liebe Frau Enders, lieber Herr Goritzka, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!